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Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880.

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Werner
hinuntergegangen. Die Thiere müssen übrigens durch etwas
erschreckt worden sein, sonst ist das nicht ihre Art, so plötzlich
das Spiel abzubrechen."

Wir warteten in Spannung wohl eine Viertelstunde, da
blies es wieder, erst einmal und wieder so mächtig wie vorhin,
dann in kleinen Zwischenräumen noch fünf- bis sechsmal, aber
mit schwächerem und niedrigerem Strahl. Wie der Bootsmann
vorausgesagt, tauchte die Heerde wieder auf und zwar ganz
nahe bei unserm Schiffe, keine 300 Schritte von uns entfernt.

Wie auf Commando liefen wir Alle, der Kapitän voran,
nach oben in die Takelage, um besser zu sehen. Ich hielt mich
zum Bootsmann, der mir über Alles am besten Auskunft geben
konnte und saß mit ihm auf der Vormarsraa. Die Fische
waren bei der geringen Entfernung und in dem klaren durch-
sichtigen Wasser so deutlich zu sehen, als ob sie vor uns lägen.
Jeden ihrer Körpertheile, den gewaltigen Kopf mit dem Ein-
schnitte des colossalen Rachens, das Blasloch, die Flossen unter-
schieden wir klar, ja sogar die Muschelklumpen, die sich auf
den ungeschlachten Rücken angesetzt, konnten wir genau wahr-
nehmen.

Mich fesselte die Neuheit des Anblicks natürlich auf das
höchste und ich zitterte förmlich vor Erregung. Die Heerde
bestand aus acht Stück, dem Bullen und sieben Kühen; Kälber
waren nicht dabei. Der Bulle war ein gewaltiges Thier und
eher noch länger als ihn der Bootsmann geschätzt hatte. Die
Weibchen erschienen dagegen bedeutend kleiner und hatten unge-
fähr gleiche Größe. Alle waren sehr nahe an einander gedrängt,
der Bulle auf dem linken Flügel etwas schräg vorgeschoben, als
wollte er die Heerde gegen etwas decken. Sie blieben ziemlich
auf demselben Flecke, bewegten fast unmerklich Flossen und
Schwanz und nur dann und wann neigte sich einer oder der
andere etwas auf die Seite, so daß wir ein Stück des weißen
Bauches sehen konnten.


Werner
hinuntergegangen. Die Thiere müſſen übrigens durch etwas
erſchreckt worden ſein, ſonſt iſt das nicht ihre Art, ſo plötzlich
das Spiel abzubrechen.“

Wir warteten in Spannung wohl eine Viertelſtunde, da
blies es wieder, erſt einmal und wieder ſo mächtig wie vorhin,
dann in kleinen Zwiſchenräumen noch fünf- bis ſechsmal, aber
mit ſchwächerem und niedrigerem Strahl. Wie der Bootsmann
vorausgeſagt, tauchte die Heerde wieder auf und zwar ganz
nahe bei unſerm Schiffe, keine 300 Schritte von uns entfernt.

Wie auf Commando liefen wir Alle, der Kapitän voran,
nach oben in die Takelage, um beſſer zu ſehen. Ich hielt mich
zum Bootsmann, der mir über Alles am beſten Auskunft geben
konnte und ſaß mit ihm auf der Vormarsraa. Die Fiſche
waren bei der geringen Entfernung und in dem klaren durch-
ſichtigen Waſſer ſo deutlich zu ſehen, als ob ſie vor uns lägen.
Jeden ihrer Körpertheile, den gewaltigen Kopf mit dem Ein-
ſchnitte des coloſſalen Rachens, das Blasloch, die Floſſen unter-
ſchieden wir klar, ja ſogar die Muſchelklumpen, die ſich auf
den ungeſchlachten Rücken angeſetzt, konnten wir genau wahr-
nehmen.

Mich feſſelte die Neuheit des Anblicks natürlich auf das
höchſte und ich zitterte förmlich vor Erregung. Die Heerde
beſtand aus acht Stück, dem Bullen und ſieben Kühen; Kälber
waren nicht dabei. Der Bulle war ein gewaltiges Thier und
eher noch länger als ihn der Bootsmann geſchätzt hatte. Die
Weibchen erſchienen dagegen bedeutend kleiner und hatten unge-
fähr gleiche Größe. Alle waren ſehr nahe an einander gedrängt,
der Bulle auf dem linken Flügel etwas ſchräg vorgeſchoben, als
wollte er die Heerde gegen etwas decken. Sie blieben ziemlich
auf demſelben Flecke, bewegten faſt unmerklich Floſſen und
Schwanz und nur dann und wann neigte ſich einer oder der
andere etwas auf die Seite, ſo daß wir ein Stück des weißen
Bauches ſehen konnten.


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[92/0104] Werner hinuntergegangen. Die Thiere müſſen übrigens durch etwas erſchreckt worden ſein, ſonſt iſt das nicht ihre Art, ſo plötzlich das Spiel abzubrechen.“ Wir warteten in Spannung wohl eine Viertelſtunde, da blies es wieder, erſt einmal und wieder ſo mächtig wie vorhin, dann in kleinen Zwiſchenräumen noch fünf- bis ſechsmal, aber mit ſchwächerem und niedrigerem Strahl. Wie der Bootsmann vorausgeſagt, tauchte die Heerde wieder auf und zwar ganz nahe bei unſerm Schiffe, keine 300 Schritte von uns entfernt. Wie auf Commando liefen wir Alle, der Kapitän voran, nach oben in die Takelage, um beſſer zu ſehen. Ich hielt mich zum Bootsmann, der mir über Alles am beſten Auskunft geben konnte und ſaß mit ihm auf der Vormarsraa. Die Fiſche waren bei der geringen Entfernung und in dem klaren durch- ſichtigen Waſſer ſo deutlich zu ſehen, als ob ſie vor uns lägen. Jeden ihrer Körpertheile, den gewaltigen Kopf mit dem Ein- ſchnitte des coloſſalen Rachens, das Blasloch, die Floſſen unter- ſchieden wir klar, ja ſogar die Muſchelklumpen, die ſich auf den ungeſchlachten Rücken angeſetzt, konnten wir genau wahr- nehmen. Mich feſſelte die Neuheit des Anblicks natürlich auf das höchſte und ich zitterte förmlich vor Erregung. Die Heerde beſtand aus acht Stück, dem Bullen und ſieben Kühen; Kälber waren nicht dabei. Der Bulle war ein gewaltiges Thier und eher noch länger als ihn der Bootsmann geſchätzt hatte. Die Weibchen erſchienen dagegen bedeutend kleiner und hatten unge- fähr gleiche Größe. Alle waren ſehr nahe an einander gedrängt, der Bulle auf dem linken Flügel etwas ſchräg vorgeſchoben, als wollte er die Heerde gegen etwas decken. Sie blieben ziemlich auf demſelben Flecke, bewegten faſt unmerklich Floſſen und Schwanz und nur dann und wann neigte ſich einer oder der andere etwas auf die Seite, ſo daß wir ein Stück des weißen Bauches ſehen konnten.

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Zitationshilfe: Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/werner_seeleben_1880/104>, abgerufen am 24.11.2024.