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Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880.

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Eine erste Seereise
und nahm die Sache in Augenschein. "Das sind weder Klippen
noch Brandung" sagte er nach einer Weile sehr bestimmt.

"Was soll es denn sein?" fragte ziemlich pikirt der
Kapitän.

"Das sind Walfische," erwiederte der Bootsmaun, "Was
Ihr für Klippen anseht, sind Flossen und Schwänze. Sie
spielen und schlagen damit auf das Wasser, daß es wie Bran-
dung erscheint."

Zuerst begegnete die Bemerkung nur ungläubigem Lächeln,
aber bald überzeugten wir uns, daß der alte Harpunier, der
zwanzig Jahre in allen Welttheilen dem Walfischfang obgelegen,
Recht hatte.

"Das ist eine ganze Schule!" fuhr er fort, indem der
sonst so ruhige Mann in Erinnerung an die früheren Kämpfe
mit den Riesen des Meeres immer lebendiger wurde. "Seht
dort die gewaltige Flosse in der Mitte, die alle anderen überragt,
das ist der alte Schulmeister, der mit der Heerde von Weibchen
zieht. Wie schade, daß wir keine Leinen haben -- da wäre
ein Fang zu machen, der uns ein paar Tausend Thaler ein-
brächte. Sie sind lustig, und man kann bis auf fünf Schritte
herankommen, ohne daß sie es merken. Da! jetzt bläst der Bulle!
Was ein Kerl muß das sein -- der mißt mindestens seine
60 Fuß!" rief der Bootsmann in voller Extase. Ein mächtiger
Strahl von feinem Wasserdampf stieg in die Lüfte und die
Sonne malte einen prachtvollen Regenbogen hinein. Als ob
dies ein Signal gewesen wäre, verschwand jedoch plötzlich die
ganze Schaar von der Oberfläche. Fast gleichzeitig hoben sich
acht bis zehn gewaltige Schwänze aus dem Wasser und die
riesigen Körper tauchten von uns abgewandt in die Tiefe.

"Sie kommen wieder auf," verhieß der Bootsmann, als
wir unser Bedauern darüber aussprachen, "und wir werden sie
bald ganz in der Nähe haben. Der Walfisch steigt immer in
der entgegengesetzten Richtung wieder in die Höhe, in der er

Eine erſte Seereiſe
und nahm die Sache in Augenſchein. „Das ſind weder Klippen
noch Brandung“ ſagte er nach einer Weile ſehr beſtimmt.

„Was ſoll es denn ſein?“ fragte ziemlich pikirt der
Kapitän.

„Das ſind Walfiſche,“ erwiederte der Bootsmaun, „Was
Ihr für Klippen anſeht, ſind Floſſen und Schwänze. Sie
ſpielen und ſchlagen damit auf das Waſſer, daß es wie Bran-
dung erſcheint.“

Zuerſt begegnete die Bemerkung nur ungläubigem Lächeln,
aber bald überzeugten wir uns, daß der alte Harpunier, der
zwanzig Jahre in allen Welttheilen dem Walfiſchfang obgelegen,
Recht hatte.

„Das iſt eine ganze Schule!“ fuhr er fort, indem der
ſonſt ſo ruhige Mann in Erinnerung an die früheren Kämpfe
mit den Rieſen des Meeres immer lebendiger wurde. „Seht
dort die gewaltige Floſſe in der Mitte, die alle anderen überragt,
das iſt der alte Schulmeiſter, der mit der Heerde von Weibchen
zieht. Wie ſchade, daß wir keine Leinen haben — da wäre
ein Fang zu machen, der uns ein paar Tauſend Thaler ein-
brächte. Sie ſind luſtig, und man kann bis auf fünf Schritte
herankommen, ohne daß ſie es merken. Da! jetzt bläſt der Bulle!
Was ein Kerl muß das ſein — der mißt mindeſtens ſeine
60 Fuß!“ rief der Bootsmann in voller Extaſe. Ein mächtiger
Strahl von feinem Waſſerdampf ſtieg in die Lüfte und die
Sonne malte einen prachtvollen Regenbogen hinein. Als ob
dies ein Signal geweſen wäre, verſchwand jedoch plötzlich die
ganze Schaar von der Oberfläche. Faſt gleichzeitig hoben ſich
acht bis zehn gewaltige Schwänze aus dem Waſſer und die
rieſigen Körper tauchten von uns abgewandt in die Tiefe.

„Sie kommen wieder auf,“ verhieß der Bootsmann, als
wir unſer Bedauern darüber ausſprachen, „und wir werden ſie
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[91/0103] Eine erſte Seereiſe und nahm die Sache in Augenſchein. „Das ſind weder Klippen noch Brandung“ ſagte er nach einer Weile ſehr beſtimmt. „Was ſoll es denn ſein?“ fragte ziemlich pikirt der Kapitän. „Das ſind Walfiſche,“ erwiederte der Bootsmaun, „Was Ihr für Klippen anſeht, ſind Floſſen und Schwänze. Sie ſpielen und ſchlagen damit auf das Waſſer, daß es wie Bran- dung erſcheint.“ Zuerſt begegnete die Bemerkung nur ungläubigem Lächeln, aber bald überzeugten wir uns, daß der alte Harpunier, der zwanzig Jahre in allen Welttheilen dem Walfiſchfang obgelegen, Recht hatte. „Das iſt eine ganze Schule!“ fuhr er fort, indem der ſonſt ſo ruhige Mann in Erinnerung an die früheren Kämpfe mit den Rieſen des Meeres immer lebendiger wurde. „Seht dort die gewaltige Floſſe in der Mitte, die alle anderen überragt, das iſt der alte Schulmeiſter, der mit der Heerde von Weibchen zieht. Wie ſchade, daß wir keine Leinen haben — da wäre ein Fang zu machen, der uns ein paar Tauſend Thaler ein- brächte. Sie ſind luſtig, und man kann bis auf fünf Schritte herankommen, ohne daß ſie es merken. Da! jetzt bläſt der Bulle! Was ein Kerl muß das ſein — der mißt mindeſtens ſeine 60 Fuß!“ rief der Bootsmann in voller Extaſe. Ein mächtiger Strahl von feinem Waſſerdampf ſtieg in die Lüfte und die Sonne malte einen prachtvollen Regenbogen hinein. Als ob dies ein Signal geweſen wäre, verſchwand jedoch plötzlich die ganze Schaar von der Oberfläche. Faſt gleichzeitig hoben ſich acht bis zehn gewaltige Schwänze aus dem Waſſer und die rieſigen Körper tauchten von uns abgewandt in die Tiefe. „Sie kommen wieder auf,“ verhieß der Bootsmann, als wir unſer Bedauern darüber ausſprachen, „und wir werden ſie bald ganz in der Nähe haben. Der Walfiſch ſteigt immer in der entgegengeſetzten Richtung wieder in die Höhe, in der er

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Zitationshilfe: Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880, S. 91. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/werner_seeleben_1880/103>, abgerufen am 21.11.2024.