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Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880.

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Werner
Die Inseln der Javanischen Gewässer sind, wie bemerkt, meistens
noch nicht so weit vorgeschritten und nur auf wenigen größeren
überragt die Kokospalme das Unterholz, dessen wirres Durch-
einander von Luftwurzeln in den bracken Gewässern der noch
nicht ganz aufgefüllten Lagune Nahrung sucht und findet. Für
den Menschen können sie deshalb noch nicht als dauernde Heim-
stätte dienen, und nur hier und dort hat ein Malaye an ihren Ufern
eine zerbrechliche Hütte aufgeschlagen, um darin seine Siesta zu
halten, wenn die glühenden Strahlen der Sonne ihn von dem
ergiebigen Fischgrunde vertreiben, den er in der Nähe entdeckt hat.

Die Fahrt zwischen diesen Inseln, in deren Namen sämmt-
liche Städte Hollands vertreten sind, bei dem ruhigen Wasser
und der linden Briese war reizend, die vielen malayischen Han-
dels- und Fischer-Praue, Boote von zierlichem, feinem Schnitt
mit schön gebogenen Voluten an ihren beiden Enden und dem
mächtigen Bastsegel an schlanken Bambus-Masten und Raaen,
bildeten eine belebende Staffage des friedlichen Bildes. Am
andern Mittage erreichten wir mit der Seebriese die Rhede von
Batavia, aber sie entsprach nicht meinen Erwartungen, die durch
das bisher Gesehene sich noch gesteigert hatten. Man liegt fast
eine Stunde weit von der Stadt, sieht nichts von ihr und selbst
ihre landschaftliche Umgebung bietet wenig Schönes. Eine große
gleichmäßig mit Baumwuchs bestandene Ebene, nach Süden zu
leise aufsteigend, breitet sich vor dem Blicke aus und wird nur
in weiter Ferne durch die Spitzen der Vulkane im Innern der
Insel überhöht, aus deren Krater man bei blauem Himmel
schwache Rauchwolken aufwirbeln sieht, ein Zeichen, daß ihr unter-
irdisches Feuer noch nicht erloschen ist und jeden Augenblick mit
vernichtender Gewalt wieder hervorbrechen kann.

Wir fanden eine ziemliche Anzahl Schiffe vor, meistens
natürlich Holländer, doch auch einige Deutsche, in deren Nähe
wir ankerten. Auch chinesische Dschunken, jene ungeheuerlichen
Fahrzeuge, die seit Jahrtausenden ihre Form behalten haben

Werner
Die Inſeln der Javaniſchen Gewäſſer ſind, wie bemerkt, meiſtens
noch nicht ſo weit vorgeſchritten und nur auf wenigen größeren
überragt die Kokospalme das Unterholz, deſſen wirres Durch-
einander von Luftwurzeln in den bracken Gewäſſern der noch
nicht ganz aufgefüllten Lagune Nahrung ſucht und findet. Für
den Menſchen können ſie deshalb noch nicht als dauernde Heim-
ſtätte dienen, und nur hier und dort hat ein Malaye an ihren Ufern
eine zerbrechliche Hütte aufgeſchlagen, um darin ſeine Sieſta zu
halten, wenn die glühenden Strahlen der Sonne ihn von dem
ergiebigen Fiſchgrunde vertreiben, den er in der Nähe entdeckt hat.

Die Fahrt zwiſchen dieſen Inſeln, in deren Namen ſämmt-
liche Städte Hollands vertreten ſind, bei dem ruhigen Waſſer
und der linden Brieſe war reizend, die vielen malayiſchen Han-
dels- und Fiſcher-Praue, Boote von zierlichem, feinem Schnitt
mit ſchön gebogenen Voluten an ihren beiden Enden und dem
mächtigen Baſtſegel an ſchlanken Bambus-Maſten und Raaen,
bildeten eine belebende Staffage des friedlichen Bildes. Am
andern Mittage erreichten wir mit der Seebrieſe die Rhede von
Batavia, aber ſie entſprach nicht meinen Erwartungen, die durch
das bisher Geſehene ſich noch geſteigert hatten. Man liegt faſt
eine Stunde weit von der Stadt, ſieht nichts von ihr und ſelbſt
ihre landſchaftliche Umgebung bietet wenig Schönes. Eine große
gleichmäßig mit Baumwuchs beſtandene Ebene, nach Süden zu
leiſe aufſteigend, breitet ſich vor dem Blicke aus und wird nur
in weiter Ferne durch die Spitzen der Vulkane im Innern der
Inſel überhöht, aus deren Krater man bei blauem Himmel
ſchwache Rauchwolken aufwirbeln ſieht, ein Zeichen, daß ihr unter-
irdiſches Feuer noch nicht erloſchen iſt und jeden Augenblick mit
vernichtender Gewalt wieder hervorbrechen kann.

Wir fanden eine ziemliche Anzahl Schiffe vor, meiſtens
natürlich Holländer, doch auch einige Deutſche, in deren Nähe
wir ankerten. Auch chineſiſche Dſchunken, jene ungeheuerlichen
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[114/0126] Werner Die Inſeln der Javaniſchen Gewäſſer ſind, wie bemerkt, meiſtens noch nicht ſo weit vorgeſchritten und nur auf wenigen größeren überragt die Kokospalme das Unterholz, deſſen wirres Durch- einander von Luftwurzeln in den bracken Gewäſſern der noch nicht ganz aufgefüllten Lagune Nahrung ſucht und findet. Für den Menſchen können ſie deshalb noch nicht als dauernde Heim- ſtätte dienen, und nur hier und dort hat ein Malaye an ihren Ufern eine zerbrechliche Hütte aufgeſchlagen, um darin ſeine Sieſta zu halten, wenn die glühenden Strahlen der Sonne ihn von dem ergiebigen Fiſchgrunde vertreiben, den er in der Nähe entdeckt hat. Die Fahrt zwiſchen dieſen Inſeln, in deren Namen ſämmt- liche Städte Hollands vertreten ſind, bei dem ruhigen Waſſer und der linden Brieſe war reizend, die vielen malayiſchen Han- dels- und Fiſcher-Praue, Boote von zierlichem, feinem Schnitt mit ſchön gebogenen Voluten an ihren beiden Enden und dem mächtigen Baſtſegel an ſchlanken Bambus-Maſten und Raaen, bildeten eine belebende Staffage des friedlichen Bildes. Am andern Mittage erreichten wir mit der Seebrieſe die Rhede von Batavia, aber ſie entſprach nicht meinen Erwartungen, die durch das bisher Geſehene ſich noch geſteigert hatten. Man liegt faſt eine Stunde weit von der Stadt, ſieht nichts von ihr und ſelbſt ihre landſchaftliche Umgebung bietet wenig Schönes. Eine große gleichmäßig mit Baumwuchs beſtandene Ebene, nach Süden zu leiſe aufſteigend, breitet ſich vor dem Blicke aus und wird nur in weiter Ferne durch die Spitzen der Vulkane im Innern der Inſel überhöht, aus deren Krater man bei blauem Himmel ſchwache Rauchwolken aufwirbeln ſieht, ein Zeichen, daß ihr unter- irdiſches Feuer noch nicht erloſchen iſt und jeden Augenblick mit vernichtender Gewalt wieder hervorbrechen kann. Wir fanden eine ziemliche Anzahl Schiffe vor, meiſtens natürlich Holländer, doch auch einige Deutſche, in deren Nähe wir ankerten. Auch chineſiſche Dſchunken, jene ungeheuerlichen Fahrzeuge, die ſeit Jahrtauſenden ihre Form behalten haben

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Zitationshilfe: Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880, S. 114. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/werner_seeleben_1880/126>, abgerufen am 21.11.2024.