Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880.Werner den Kranze umsäumte. Es gelang uns, dieselbe ganz nahe zuumsteuern, hinter ihr in dem stillen Wasser mit den Booten das Ufer zu erreichen und sie mit den Fangleinen an einem Baume zu befestigen. Wir waren gerettet und hatten die Hoffnung, am anderen Morgen mit der Seebriese an Bord unseres Schiffes zurückkehren zu können. So lange wir uns im Boote und in so großer geistiger Das war nun schon der zweite, der in der Zeit von Werner den Kranze umſäumte. Es gelang uns, dieſelbe ganz nahe zuumſteuern, hinter ihr in dem ſtillen Waſſer mit den Booten das Ufer zu erreichen und ſie mit den Fangleinen an einem Baume zu befeſtigen. Wir waren gerettet und hatten die Hoffnung, am anderen Morgen mit der Seebrieſe an Bord unſeres Schiffes zurückkehren zu können. So lange wir uns im Boote und in ſo großer geiſtiger Das war nun ſchon der zweite, der in der Zeit von <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0136" n="124"/><fw place="top" type="header">Werner</fw><lb/> den Kranze umſäumte. Es gelang uns, dieſelbe ganz nahe zu<lb/> umſteuern, hinter ihr in dem ſtillen Waſſer mit den Booten das<lb/> Ufer zu erreichen und ſie mit den Fangleinen an einem Baume<lb/> zu befeſtigen. Wir waren gerettet und hatten die Hoffnung,<lb/> am anderen Morgen mit der Seebrieſe an Bord unſeres Schiffes<lb/> zurückkehren zu können.</p><lb/> <p>So lange wir uns im Boote und in ſo großer geiſtiger<lb/> Aufregung befanden, merkten wir nichts von körperlicher Er-<lb/> mattung, nun aber begann ſie ſich fühlbar zu machen. Uns<lb/> quälte Durſt, aber wo war Waſſer zu finden? Auf keiner<lb/> dieſer kleinen Inſeln giebt es Trinkwaſſer. Wahrſcheinlich hatten<lb/> ſich irgendwo im Innern nach dem ſchweren Regen Pfützen ge-<lb/> bildet, doch mit Ausnahme des ſchmalen Küſtenrandes, war die<lb/> Inſel mit ſo dichtem Gebüſch bedeckt, daß wir bei der Dunkel-<lb/> heit unmöglich hineindringen konnten und uns auf den andern<lb/> Morgen vertröſten mußten. Wir ſtreckten uns in unſeren naſſen<lb/> Kleidern auf dem naſſen Boden aus und verſuchten zu ſchlafen.<lb/> Mich floh lange der Schlummer; ich mußte immer an den ver-<lb/> lorenen Kameraden denken, und wenn ein Windſtoß durch die<lb/> Bäume zu unſeren Häupten pfiff, dann ſchreckte ich auf und<lb/> glaubte wieder den gellenden Schrei des Armen zu hören.</p><lb/> <p>Das war nun ſchon der zweite, der in der Zeit von<lb/> wenigen Monaten gewaltſam aus unſerer kleinen Schaar her-<lb/> ausgeriſſen wurde. Wen würde das nächſte Todesloos tref-<lb/> fen? Der Verunglückte hatte mir nicht nahe geſtanden, viel<lb/> weniger nahe, als Heinrich Peterſen, den die See vom Klüver-<lb/> baum nahm, aber ein Tod auf dem Meere iſt ſo ganz anders,<lb/> wie am Lande, ſo viel trauriger und ergreifender. Wenn Je-<lb/> mand am Lande ſtirbt, ſo iſt man immer mehr oder minder<lb/> darauf vorbereitet und wäre es ſelbſt nicht der Fall, ſo<lb/> ſind wenigſtens ſeine ſterblichen Reſte vorhanden; man folgt<lb/> ihm zu Grabe und der Denkſtein erinnert uns an ihn. Doch<lb/> auf See bei einem ſolchen Unglücksfalle fehlt alles das. Der<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [124/0136]
Werner
den Kranze umſäumte. Es gelang uns, dieſelbe ganz nahe zu
umſteuern, hinter ihr in dem ſtillen Waſſer mit den Booten das
Ufer zu erreichen und ſie mit den Fangleinen an einem Baume
zu befeſtigen. Wir waren gerettet und hatten die Hoffnung,
am anderen Morgen mit der Seebrieſe an Bord unſeres Schiffes
zurückkehren zu können.
So lange wir uns im Boote und in ſo großer geiſtiger
Aufregung befanden, merkten wir nichts von körperlicher Er-
mattung, nun aber begann ſie ſich fühlbar zu machen. Uns
quälte Durſt, aber wo war Waſſer zu finden? Auf keiner
dieſer kleinen Inſeln giebt es Trinkwaſſer. Wahrſcheinlich hatten
ſich irgendwo im Innern nach dem ſchweren Regen Pfützen ge-
bildet, doch mit Ausnahme des ſchmalen Küſtenrandes, war die
Inſel mit ſo dichtem Gebüſch bedeckt, daß wir bei der Dunkel-
heit unmöglich hineindringen konnten und uns auf den andern
Morgen vertröſten mußten. Wir ſtreckten uns in unſeren naſſen
Kleidern auf dem naſſen Boden aus und verſuchten zu ſchlafen.
Mich floh lange der Schlummer; ich mußte immer an den ver-
lorenen Kameraden denken, und wenn ein Windſtoß durch die
Bäume zu unſeren Häupten pfiff, dann ſchreckte ich auf und
glaubte wieder den gellenden Schrei des Armen zu hören.
Das war nun ſchon der zweite, der in der Zeit von
wenigen Monaten gewaltſam aus unſerer kleinen Schaar her-
ausgeriſſen wurde. Wen würde das nächſte Todesloos tref-
fen? Der Verunglückte hatte mir nicht nahe geſtanden, viel
weniger nahe, als Heinrich Peterſen, den die See vom Klüver-
baum nahm, aber ein Tod auf dem Meere iſt ſo ganz anders,
wie am Lande, ſo viel trauriger und ergreifender. Wenn Je-
mand am Lande ſtirbt, ſo iſt man immer mehr oder minder
darauf vorbereitet und wäre es ſelbſt nicht der Fall, ſo
ſind wenigſtens ſeine ſterblichen Reſte vorhanden; man folgt
ihm zu Grabe und der Denkſtein erinnert uns an ihn. Doch
auf See bei einem ſolchen Unglücksfalle fehlt alles das. Der
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