eine Leiche. Wir sahen den ganzen Vorgang mit an und man kann sich denken, welchen furchtbaren Eindruck er auf uns machte.
Das Löschen und Laden des Schiffes ging ziemlich schnell vor sich. Letzteres sollte sobald wie möglich nach Deutschland expedirt werden, um noch vor Winter wieder auszulaufen und es waren deshalb zwanzig malayische Kulis zur Hülfe an Bord geschickt. Sie leisteten zwar nicht sehr viel, aber immerhin be- schleunigte ihre große Zahl doch die Arbeit merklich und unser Aufenthalt dauerte voraussichtlich nicht länger als drei Wochen. Wegen der großen Entfernung unseres Ankerplatzes vom Lande blieben die Kulis auch Nachts an Bord und es interessirte mich, ihre Lebensgewohnheiten zu beobachten. Tages über hielten sie sich auf dem Oberdeck auf, wo für sie eine Art Zelt mit einem provisorischen Herd zum Kochen ihrer Mahlzeiten errichtet war. Letztere bestanden der Hauptsache nach unveränderlich aus Reis, den sie mit zerstampften Schoten von spanischem Pfeffer würz- ten, während einige Yams und ohne Fett am Feuer geröstete Fische die Zuthaten bildeten. Fleisch schafften sie für sich selbst nicht an, nahmen aber gern, was von unserem Mittagsessen übrig blieb; Spirituosen lehnten sie dagegen, als den Satzungen ihres mahomedanischen Glaubens widersprechend, ab.
Ihre Gestalten waren klein und wenig muskelkräftig, ihre Hautfarbe hellbraun, das lange schwarze Haar unter einem turbanähnlich gewundenen Kopftuche versteckt. Der landesübliche von beiden Geschlechtern getragene Sarong, ein weiter geschlosse- ner Rock von buntem Kattun, hüllte den unteren Körper, eine enge Jacke von gleichem Stoff den oberen ein. Hervorstehende Backenknochen und wulstige Lippen machen die Gesichtszüge un- schön und durch die Folgen des Betelkauens erscheinen sie noch abstoßender. Das Betelkauen ist allgemein und wird nur wäh- rend der Mahlzeiten unterbrochen; die Erneuerung der ziemlich schnell verbrauchten Packete nimmt im täglichen Leben des Ma-
R. Werner, Erinnerungen. 9
Eine erſte Seereiſe
eine Leiche. Wir ſahen den ganzen Vorgang mit an und man kann ſich denken, welchen furchtbaren Eindruck er auf uns machte.
Das Löſchen und Laden des Schiffes ging ziemlich ſchnell vor ſich. Letzteres ſollte ſobald wie möglich nach Deutſchland expedirt werden, um noch vor Winter wieder auszulaufen und es waren deshalb zwanzig malayiſche Kulis zur Hülfe an Bord geſchickt. Sie leiſteten zwar nicht ſehr viel, aber immerhin be- ſchleunigte ihre große Zahl doch die Arbeit merklich und unſer Aufenthalt dauerte vorausſichtlich nicht länger als drei Wochen. Wegen der großen Entfernung unſeres Ankerplatzes vom Lande blieben die Kulis auch Nachts an Bord und es intereſſirte mich, ihre Lebensgewohnheiten zu beobachten. Tages über hielten ſie ſich auf dem Oberdeck auf, wo für ſie eine Art Zelt mit einem proviſoriſchen Herd zum Kochen ihrer Mahlzeiten errichtet war. Letztere beſtanden der Hauptſache nach unveränderlich aus Reis, den ſie mit zerſtampften Schoten von ſpaniſchem Pfeffer würz- ten, während einige Yams und ohne Fett am Feuer geröſtete Fiſche die Zuthaten bildeten. Fleiſch ſchafften ſie für ſich ſelbſt nicht an, nahmen aber gern, was von unſerem Mittagseſſen übrig blieb; Spirituoſen lehnten ſie dagegen, als den Satzungen ihres mahomedaniſchen Glaubens widerſprechend, ab.
Ihre Geſtalten waren klein und wenig muskelkräftig, ihre Hautfarbe hellbraun, das lange ſchwarze Haar unter einem turbanähnlich gewundenen Kopftuche verſteckt. Der landesübliche von beiden Geſchlechtern getragene Sarong, ein weiter geſchloſſe- ner Rock von buntem Kattun, hüllte den unteren Körper, eine enge Jacke von gleichem Stoff den oberen ein. Hervorſtehende Backenknochen und wulſtige Lippen machen die Geſichtszüge un- ſchön und durch die Folgen des Betelkauens erſcheinen ſie noch abſtoßender. Das Betelkauen iſt allgemein und wird nur wäh- rend der Mahlzeiten unterbrochen; die Erneuerung der ziemlich ſchnell verbrauchten Packete nimmt im täglichen Leben des Ma-
R. Werner, Erinnerungen. 9
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Eine erſte Seereiſe
eine Leiche. Wir ſahen den ganzen Vorgang mit an und man
kann ſich denken, welchen furchtbaren Eindruck er auf uns
machte.
Das Löſchen und Laden des Schiffes ging ziemlich ſchnell
vor ſich. Letzteres ſollte ſobald wie möglich nach Deutſchland
expedirt werden, um noch vor Winter wieder auszulaufen und
es waren deshalb zwanzig malayiſche Kulis zur Hülfe an Bord
geſchickt. Sie leiſteten zwar nicht ſehr viel, aber immerhin be-
ſchleunigte ihre große Zahl doch die Arbeit merklich und unſer
Aufenthalt dauerte vorausſichtlich nicht länger als drei Wochen.
Wegen der großen Entfernung unſeres Ankerplatzes vom Lande
blieben die Kulis auch Nachts an Bord und es intereſſirte mich,
ihre Lebensgewohnheiten zu beobachten. Tages über hielten ſie
ſich auf dem Oberdeck auf, wo für ſie eine Art Zelt mit einem
proviſoriſchen Herd zum Kochen ihrer Mahlzeiten errichtet war.
Letztere beſtanden der Hauptſache nach unveränderlich aus Reis,
den ſie mit zerſtampften Schoten von ſpaniſchem Pfeffer würz-
ten, während einige Yams und ohne Fett am Feuer geröſtete
Fiſche die Zuthaten bildeten. Fleiſch ſchafften ſie für ſich ſelbſt
nicht an, nahmen aber gern, was von unſerem Mittagseſſen
übrig blieb; Spirituoſen lehnten ſie dagegen, als den Satzungen
ihres mahomedaniſchen Glaubens widerſprechend, ab.
Ihre Geſtalten waren klein und wenig muskelkräftig, ihre
Hautfarbe hellbraun, das lange ſchwarze Haar unter einem
turbanähnlich gewundenen Kopftuche verſteckt. Der landesübliche
von beiden Geſchlechtern getragene Sarong, ein weiter geſchloſſe-
ner Rock von buntem Kattun, hüllte den unteren Körper, eine
enge Jacke von gleichem Stoff den oberen ein. Hervorſtehende
Backenknochen und wulſtige Lippen machen die Geſichtszüge un-
ſchön und durch die Folgen des Betelkauens erſcheinen ſie noch
abſtoßender. Das Betelkauen iſt allgemein und wird nur wäh-
rend der Mahlzeiten unterbrochen; die Erneuerung der ziemlich
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R. Werner, Erinnerungen. 9
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Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880, S. 129. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/werner_seeleben_1880/141>, abgerufen am 24.11.2024.
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