Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880.Werner layen viel Zeit in Anspruch und wird mit einer Sorgfalt undWichtigkeit betrieben, als wäre es ein höchst wichtiger Act. Etwas zerkleinerte Betelnuß, Tabak und Gambir (Katechu) werden dazu in ein mit kalkiger Masse bestrichenes Betelblatt gewickelt. Die adstringirenden Stoffe sondern einen ätzenden rothen Saft ab, der die Zähne schwarz beizt und das Innere des Mundes blutig roth färbt. Nebenbei sind die Malayen jedoch auch leidenschaftliche Raucher und für eine Cigarre kann man viel von ihnen erreichen. Abends sammelten sich die Kulis regelmäßig unter ihrem Mein Urlaubssonntag stand vor der Thür und er ver- Werner layen viel Zeit in Anſpruch und wird mit einer Sorgfalt undWichtigkeit betrieben, als wäre es ein höchſt wichtiger Act. Etwas zerkleinerte Betelnuß, Tabak und Gambir (Katechu) werden dazu in ein mit kalkiger Maſſe beſtrichenes Betelblatt gewickelt. Die adſtringirenden Stoffe ſondern einen ätzenden rothen Saft ab, der die Zähne ſchwarz beizt und das Innere des Mundes blutig roth färbt. Nebenbei ſind die Malayen jedoch auch leidenſchaftliche Raucher und für eine Cigarre kann man viel von ihnen erreichen. Abends ſammelten ſich die Kulis regelmäßig unter ihrem Mein Urlaubsſonntag ſtand vor der Thür und er ver- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0142" n="130"/><fw place="top" type="header">Werner</fw><lb/> layen viel Zeit in Anſpruch und wird mit einer Sorgfalt und<lb/> Wichtigkeit betrieben, als wäre es ein höchſt wichtiger Act.<lb/> Etwas zerkleinerte Betelnuß, Tabak und Gambir (Katechu)<lb/> werden dazu in ein mit kalkiger Maſſe beſtrichenes Betelblatt<lb/> gewickelt. Die adſtringirenden Stoffe ſondern einen ätzenden<lb/> rothen Saft ab, der die Zähne ſchwarz beizt und das Innere<lb/> des Mundes blutig roth färbt. Nebenbei ſind die Malayen<lb/> jedoch auch leidenſchaftliche Raucher und für eine Cigarre kann<lb/> man viel von ihnen erreichen.</p><lb/> <p>Abends ſammelten ſich die Kulis regelmäßig unter ihrem<lb/> Zelte, auf deſſen Herde eine improviſirte Lampe aus einer<lb/> Kokosnußſchale mit einem unſicheren matten Schein die Um-<lb/> gebung beleuchtete. Einer von ihnen blies eine Bambusflöte<lb/> und ein anderer begleitete die Töne <hi rendition="#aq">unisono</hi> mit Fiſtelſtimme,<lb/> während die Uebrigen im Kreiſe hockend mit geſpannter Auf-<lb/> merkſamkeit den eigenthümlichen Geſangsweiſen lauſchten. Dieſe<lb/> Unterhaltungen dauerten allabendlich Stunden lang, und die<lb/> vorgetragenen Lieder mußten wohl ernſten Inhaltes ſein, denn<lb/> man hörte nie lachen oder laute Heiterkeit. Ich denke mir, es<lb/> waren epiſche Verherrlichungen ihrer Volkshelden, deren Thaten<lb/> ſich hauptſächlich auf dem Felde des Seeraubes vollzogen<lb/> haben. Wenn uns auch die Bedeutung der Geſänge ver-<lb/> borgen bleiben mußte, eigneten wir uns doch bald ſo viel<lb/> Brocken der Sprache an, daß wir uns nothdürftig mit den<lb/> Kulis verſtändigen konnten. Die malayiſche Sprache iſt über-<lb/> haupt leicht zu erlernen; ſie iſt in ihrem Bau ungemein ein-<lb/> fach, hat wenig Wortflexionen und einen großen Reichthum von<lb/> Vocalen, der ſie wolklingend und leicht in’s Gehör fallend macht.<lb/> Alle auf Java anſäſſigen Holländer ſprechen malayiſch und ver-<lb/> kehren mit der einheimiſchen Bevölkerung nur in dieſem Idiom.</p><lb/> <p>Mein Urlaubsſonntag ſtand vor der Thür und er ver-<lb/> ſprach mehr, als ich bisher zu hoffen gewagt hatte. Das hol-<lb/> ländiſche Linienſchiff „Kortenaar“, in deſſen Nähe wir in Hel-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [130/0142]
Werner
layen viel Zeit in Anſpruch und wird mit einer Sorgfalt und
Wichtigkeit betrieben, als wäre es ein höchſt wichtiger Act.
Etwas zerkleinerte Betelnuß, Tabak und Gambir (Katechu)
werden dazu in ein mit kalkiger Maſſe beſtrichenes Betelblatt
gewickelt. Die adſtringirenden Stoffe ſondern einen ätzenden
rothen Saft ab, der die Zähne ſchwarz beizt und das Innere
des Mundes blutig roth färbt. Nebenbei ſind die Malayen
jedoch auch leidenſchaftliche Raucher und für eine Cigarre kann
man viel von ihnen erreichen.
Abends ſammelten ſich die Kulis regelmäßig unter ihrem
Zelte, auf deſſen Herde eine improviſirte Lampe aus einer
Kokosnußſchale mit einem unſicheren matten Schein die Um-
gebung beleuchtete. Einer von ihnen blies eine Bambusflöte
und ein anderer begleitete die Töne unisono mit Fiſtelſtimme,
während die Uebrigen im Kreiſe hockend mit geſpannter Auf-
merkſamkeit den eigenthümlichen Geſangsweiſen lauſchten. Dieſe
Unterhaltungen dauerten allabendlich Stunden lang, und die
vorgetragenen Lieder mußten wohl ernſten Inhaltes ſein, denn
man hörte nie lachen oder laute Heiterkeit. Ich denke mir, es
waren epiſche Verherrlichungen ihrer Volkshelden, deren Thaten
ſich hauptſächlich auf dem Felde des Seeraubes vollzogen
haben. Wenn uns auch die Bedeutung der Geſänge ver-
borgen bleiben mußte, eigneten wir uns doch bald ſo viel
Brocken der Sprache an, daß wir uns nothdürftig mit den
Kulis verſtändigen konnten. Die malayiſche Sprache iſt über-
haupt leicht zu erlernen; ſie iſt in ihrem Bau ungemein ein-
fach, hat wenig Wortflexionen und einen großen Reichthum von
Vocalen, der ſie wolklingend und leicht in’s Gehör fallend macht.
Alle auf Java anſäſſigen Holländer ſprechen malayiſch und ver-
kehren mit der einheimiſchen Bevölkerung nur in dieſem Idiom.
Mein Urlaubsſonntag ſtand vor der Thür und er ver-
ſprach mehr, als ich bisher zu hoffen gewagt hatte. Das hol-
ländiſche Linienſchiff „Kortenaar“, in deſſen Nähe wir in Hel-
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