Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880.Werner einer kleinen Hochebene im Innern der Insel; man sieht esvon der Rhede aus. An Land kam natürlich Niemand von der Besatzung, da wir nur einen halben Tag blieben, und die Gesundheitsbehörde wollte zuerst überhaupt keine Communication mit dem Lande gestatten, weil wir einen Todten gehabt und ich krank war. Als mich der Quarantänearzt jedoch untersucht hatte, erklärte er mein Leiden als nicht ansteckend und ließ freien Ver- kehr zu. Von mir wurde keine weitere Notiz genommen; ich blieb nach wie vor mir allein überlassen -- meine Natur mußte sich selbst helfen. St. Helena ist eine steil aus dem Ocean aufsteigende Werner einer kleinen Hochebene im Innern der Inſel; man ſieht esvon der Rhede aus. An Land kam natürlich Niemand von der Beſatzung, da wir nur einen halben Tag blieben, und die Geſundheitsbehörde wollte zuerſt überhaupt keine Communication mit dem Lande geſtatten, weil wir einen Todten gehabt und ich krank war. Als mich der Quarantänearzt jedoch unterſucht hatte, erklärte er mein Leiden als nicht anſteckend und ließ freien Ver- kehr zu. Von mir wurde keine weitere Notiz genommen; ich blieb nach wie vor mir allein überlaſſen — meine Natur mußte ſich ſelbſt helfen. St. Helena iſt eine ſteil aus dem Ocean aufſteigende <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0150" n="138"/><fw place="top" type="header">Werner</fw><lb/> einer kleinen Hochebene im Innern der Inſel; man ſieht es<lb/> von der Rhede aus. An Land kam natürlich Niemand von<lb/> der Beſatzung, da wir nur einen halben Tag blieben, und die<lb/> Geſundheitsbehörde wollte zuerſt überhaupt keine Communication<lb/> mit dem Lande geſtatten, weil wir einen Todten gehabt und ich<lb/> krank war. Als mich der Quarantänearzt jedoch unterſucht hatte,<lb/> erklärte er mein Leiden als nicht anſteckend und ließ freien Ver-<lb/> kehr zu. Von mir wurde keine weitere Notiz genommen; ich<lb/> blieb nach wie vor mir allein überlaſſen — meine Natur mußte<lb/> ſich ſelbſt helfen.</p><lb/> <p>St. Helena iſt eine ſteil aus dem Ocean aufſteigende<lb/> Felſeninſel, deren höchſte Spitze ſich bis zu 500 Meter erhebt<lb/> und die eine Länge von 2½ bei einer Breite von 1½ Meilen<lb/> hat. Ihre kleine Hauptſtadt Jamestown liegt in einem roman-<lb/> tiſchen Thale an der Nordoſtſeite der Inſel, mithin leewärts und<lb/> geſchützt vor dem Südoſtpaſſat. Die begrenzte Bucht vor dieſem<lb/> Thale iſt auch der einzige Ankerplatz, die ganze übrige Küſte,<lb/> welche den Eindruck einer gigantiſchen Felſenmauer macht, ſtürzt<lb/> eben ſo ſenkrecht in die unergründliche Tiefe hinab, wie ſie über<lb/> Waſſer in die Lüfte ſtrebt. Man ankert etwa 1000 Schritte<lb/> von der Stadt, aber bei der Durchſichtigkeit der Atmoſphäre<lb/> und der Höhe der Felſen glaubt man kaum 100 Schritt ent-<lb/> fernt zu ſein. Schiffe liegen völlig ſicher auf der Rhede; dann<lb/> und wann kommt ein Windſtoß über die Berge, der jedoch nur<lb/> oben durch die Maſtſpitzen pfeift und die Waſſerfläche kaum<lb/> kräuſelt. Boote können deshalb immer fahren, wenn auch der<lb/> Seegang des atlantiſchen Oceans ſich ununterbrochen an den<lb/> Baſaltwänden der Inſel bricht und der ſtete Donner der Bran-<lb/> dung an das Ohr ſchlägt. Das Landen bei der Stadt, wo<lb/> weder eine Mole noch ſonſtige Einrichtungen den Booten ein<lb/> ruhiges Anlegen geſtattet, iſt ſehr ſchwierig, weil die Fahrzeuge<lb/> durch den Seegang beſtändig 3 bis 4 Meter auf und nieder<lb/> wogen. Die dafür eingerichteten Boote haben hinten einen kurzen<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [138/0150]
Werner
einer kleinen Hochebene im Innern der Inſel; man ſieht es
von der Rhede aus. An Land kam natürlich Niemand von
der Beſatzung, da wir nur einen halben Tag blieben, und die
Geſundheitsbehörde wollte zuerſt überhaupt keine Communication
mit dem Lande geſtatten, weil wir einen Todten gehabt und ich
krank war. Als mich der Quarantänearzt jedoch unterſucht hatte,
erklärte er mein Leiden als nicht anſteckend und ließ freien Ver-
kehr zu. Von mir wurde keine weitere Notiz genommen; ich
blieb nach wie vor mir allein überlaſſen — meine Natur mußte
ſich ſelbſt helfen.
St. Helena iſt eine ſteil aus dem Ocean aufſteigende
Felſeninſel, deren höchſte Spitze ſich bis zu 500 Meter erhebt
und die eine Länge von 2½ bei einer Breite von 1½ Meilen
hat. Ihre kleine Hauptſtadt Jamestown liegt in einem roman-
tiſchen Thale an der Nordoſtſeite der Inſel, mithin leewärts und
geſchützt vor dem Südoſtpaſſat. Die begrenzte Bucht vor dieſem
Thale iſt auch der einzige Ankerplatz, die ganze übrige Küſte,
welche den Eindruck einer gigantiſchen Felſenmauer macht, ſtürzt
eben ſo ſenkrecht in die unergründliche Tiefe hinab, wie ſie über
Waſſer in die Lüfte ſtrebt. Man ankert etwa 1000 Schritte
von der Stadt, aber bei der Durchſichtigkeit der Atmoſphäre
und der Höhe der Felſen glaubt man kaum 100 Schritt ent-
fernt zu ſein. Schiffe liegen völlig ſicher auf der Rhede; dann
und wann kommt ein Windſtoß über die Berge, der jedoch nur
oben durch die Maſtſpitzen pfeift und die Waſſerfläche kaum
kräuſelt. Boote können deshalb immer fahren, wenn auch der
Seegang des atlantiſchen Oceans ſich ununterbrochen an den
Baſaltwänden der Inſel bricht und der ſtete Donner der Bran-
dung an das Ohr ſchlägt. Das Landen bei der Stadt, wo
weder eine Mole noch ſonſtige Einrichtungen den Booten ein
ruhiges Anlegen geſtattet, iſt ſehr ſchwierig, weil die Fahrzeuge
durch den Seegang beſtändig 3 bis 4 Meter auf und nieder
wogen. Die dafür eingerichteten Boote haben hinten einen kurzen
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