Es war Völkerfrühling geworden, Deutschland wenigstens glaubte zu jener Zeit ernstlich daran, daß er gekommen sei. Unter dem Jubel von Millionen war er geboren; aber leider als Frühgeburt ohne nachhaltige Lebenskraft und den Keim des Todes bereits in sich tragend. Er trieb eine Menge vielversprechender Knospen, doch keine entfaltete sich zur Blüthe, viel weniger noch zur Frucht; sie welkten alle vor der Zeit da- hin und verdorrten. Freiheit, Einheit, Größe und Macht des Vaterlandes -- das waren die Schlagworte der Schwärmer, welche damals mit Phrasen Weltgeschichte zu machen hofften und nicht fühlten, daß grade die Weltgeschichte ihnen hohnvoll in das Gesicht schlug, daß kein Land unfreier, zerrissener und machtloser war als Deutschland.
Und dennoch! nach einer Richtung wurde diese Macht- losigkeit selbst von jenen Schwärmern tief empfunden und trieb ihnen die Schamröthe in das Gesicht. Mit wenigen schwach bemannten Kriegsschiffen hielt das winzige Dänemark das große Deutschland in Schach. Es blockirte seine Häfen, lähmte seinen Handel und caperte seine Kauffarteischiffe.
[Abbildung]
Die deutſche Marine 1848—1852.
Gründung.
Es war Völkerfrühling geworden, Deutſchland wenigſtens glaubte zu jener Zeit ernſtlich daran, daß er gekommen ſei. Unter dem Jubel von Millionen war er geboren; aber leider als Frühgeburt ohne nachhaltige Lebenskraft und den Keim des Todes bereits in ſich tragend. Er trieb eine Menge vielverſprechender Knospen, doch keine entfaltete ſich zur Blüthe, viel weniger noch zur Frucht; ſie welkten alle vor der Zeit da- hin und verdorrten. Freiheit, Einheit, Größe und Macht des Vaterlandes — das waren die Schlagworte der Schwärmer, welche damals mit Phraſen Weltgeſchichte zu machen hofften und nicht fühlten, daß grade die Weltgeſchichte ihnen hohnvoll in das Geſicht ſchlug, daß kein Land unfreier, zerriſſener und machtloſer war als Deutſchland.
Und dennoch! nach einer Richtung wurde dieſe Macht- loſigkeit ſelbſt von jenen Schwärmern tief empfunden und trieb ihnen die Schamröthe in das Geſicht. Mit wenigen ſchwach bemannten Kriegsſchiffen hielt das winzige Dänemark das große Deutſchland in Schach. Es blockirte ſeine Häfen, lähmte ſeinen Handel und caperte ſeine Kauffarteiſchiffe.
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0156"n="[144]"/><figure/></div><lb/><divn="1"><head><hirendition="#b">Die deutſche Marine 1848—1852.</hi></head><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><divn="2"><head><hirendition="#g">Gründung</hi>.</head><lb/><p><hirendition="#in">E</hi>s war Völkerfrühling geworden, Deutſchland wenigſtens<lb/>
glaubte zu jener Zeit ernſtlich daran, daß er gekommen<lb/>ſei. Unter dem Jubel von Millionen war er geboren;<lb/>
aber leider als Frühgeburt ohne nachhaltige Lebenskraft und den<lb/>
Keim des Todes bereits in ſich tragend. Er trieb eine Menge<lb/>
vielverſprechender Knospen, doch keine entfaltete ſich zur Blüthe,<lb/>
viel weniger noch zur Frucht; ſie welkten alle vor der Zeit da-<lb/>
hin und verdorrten. Freiheit, Einheit, Größe und Macht des<lb/>
Vaterlandes — das waren die Schlagworte der Schwärmer,<lb/>
welche damals mit Phraſen Weltgeſchichte zu machen hofften und<lb/>
nicht fühlten, daß grade die Weltgeſchichte ihnen hohnvoll in das<lb/>
Geſicht ſchlug, daß kein Land unfreier, zerriſſener und machtloſer<lb/>
war als Deutſchland.</p><lb/><p>Und dennoch! nach einer Richtung wurde dieſe Macht-<lb/>
loſigkeit ſelbſt von jenen Schwärmern tief empfunden und trieb<lb/>
ihnen die Schamröthe in das Geſicht. Mit wenigen ſchwach<lb/>
bemannten Kriegsſchiffen hielt das winzige Dänemark das große<lb/>
Deutſchland in Schach. Es blockirte ſeine Häfen, lähmte ſeinen<lb/>
Handel und caperte ſeine Kauffarteiſchiffe.</p><lb/></div></div></body></text></TEI>
[[144]/0156]
[Abbildung]
Die deutſche Marine 1848—1852.
Gründung.
Es war Völkerfrühling geworden, Deutſchland wenigſtens
glaubte zu jener Zeit ernſtlich daran, daß er gekommen
ſei. Unter dem Jubel von Millionen war er geboren;
aber leider als Frühgeburt ohne nachhaltige Lebenskraft und den
Keim des Todes bereits in ſich tragend. Er trieb eine Menge
vielverſprechender Knospen, doch keine entfaltete ſich zur Blüthe,
viel weniger noch zur Frucht; ſie welkten alle vor der Zeit da-
hin und verdorrten. Freiheit, Einheit, Größe und Macht des
Vaterlandes — das waren die Schlagworte der Schwärmer,
welche damals mit Phraſen Weltgeſchichte zu machen hofften und
nicht fühlten, daß grade die Weltgeſchichte ihnen hohnvoll in das
Geſicht ſchlug, daß kein Land unfreier, zerriſſener und machtloſer
war als Deutſchland.
Und dennoch! nach einer Richtung wurde dieſe Macht-
loſigkeit ſelbſt von jenen Schwärmern tief empfunden und trieb
ihnen die Schamröthe in das Geſicht. Mit wenigen ſchwach
bemannten Kriegsſchiffen hielt das winzige Dänemark das große
Deutſchland in Schach. Es blockirte ſeine Häfen, lähmte ſeinen
Handel und caperte ſeine Kauffarteiſchiffe.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880, S. [144]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/werner_seeleben_1880/156>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.