Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880.

Bild:
<< vorherige Seite

Die deutsche Marine 1848--1852
wohner größtentheils gar nicht zur Ruhe gegangen waren. Es
ward Generalmarsch geschlagen, die Infanterie eilte zu ihren
Sammelplätzen, die Kanoniere besetzten ihre Schanzen. Die
nördliche wurde vom Hauptmann Jungmann, einem früheren
preußischen Artillerieofficier, die südliche von dem Unterofficier
von Preußer, einem Schleswig-Holsteiner, befehligt; die Bedie-
nungsmannschaften waren Schleswig-Holsteiner, deren größter
Theil erst seit wenigen Monaten diente. Der Tag versprach
schön zu werden. Der Himmel war unbewölkt, die Sonne ent-
stieg strahlend dem Meere, der Ostwind blies in die Bucht und
die lichtgrünen Wellen tanzten lustig und von weißem Schaum
gekrönt in der frischen Briese. Es war ein Bild des Friedens,
das sich dem Blicke bot -- doch wie bald sollte es sich wandeln
in wildes Kampfgewühl, wie bald sollten die klaren Wogen sich
röthen vom Blut und das goldne Antlitz der Sonne in schwar-
zem Pulverdampf sich trauernd verhüllen!

Gegen sechs Uhr Morgens sah man die vier feindlichen
Schiffe am fernen Horizonte aus dem leichten Morgennebel
emportauchen. Die beiden Dampfer blieben im Eingange der
Bucht zurück; die Segler nahmen Curs auf die Stadt, "Chri-
stian VIII." leitete, "die Gefion" folgte in seinem Kielwasser.
Stolz flatterte der Dannebrog im Winde und drohend blickten
die Geschützrohre aus den Pforten. Näher und näher kamen
die beiden Schiffe, bange Stille herrschte in der Stadt, auf
den Gemüthern lagerte es wie Gewitterschwüle; in den Schan-
zen jedoch erwartete man muthigen Herzens und festen Auges
den Feind, der unter vollen Segeln heransteuerte.

Gegen sieben Uhr hatte dieser sein Ziel erreicht und war
nur noch wenige Hundert Schritte von der Nordschanze ent-
fernt. Da erkrachte es auf einmal, als ob die Erde sich spalten
sollte. Die zweiundvierzig Feuerschlünde der Steuerbordseite
des Linienschiffes entluden sich gleichzeitig, ein Hagel von Ge-
schossen sauste pfeifend und zischend gegen die Schanze und einige

12*

Die deutſche Marine 1848—1852
wohner größtentheils gar nicht zur Ruhe gegangen waren. Es
ward Generalmarſch geſchlagen, die Infanterie eilte zu ihren
Sammelplätzen, die Kanoniere beſetzten ihre Schanzen. Die
nördliche wurde vom Hauptmann Jungmann, einem früheren
preußiſchen Artillerieofficier, die ſüdliche von dem Unterofficier
von Preußer, einem Schleswig-Holſteiner, befehligt; die Bedie-
nungsmannſchaften waren Schleswig-Holſteiner, deren größter
Theil erſt ſeit wenigen Monaten diente. Der Tag verſprach
ſchön zu werden. Der Himmel war unbewölkt, die Sonne ent-
ſtieg ſtrahlend dem Meere, der Oſtwind blies in die Bucht und
die lichtgrünen Wellen tanzten luſtig und von weißem Schaum
gekrönt in der friſchen Brieſe. Es war ein Bild des Friedens,
das ſich dem Blicke bot — doch wie bald ſollte es ſich wandeln
in wildes Kampfgewühl, wie bald ſollten die klaren Wogen ſich
röthen vom Blut und das goldne Antlitz der Sonne in ſchwar-
zem Pulverdampf ſich trauernd verhüllen!

Gegen ſechs Uhr Morgens ſah man die vier feindlichen
Schiffe am fernen Horizonte aus dem leichten Morgennebel
emportauchen. Die beiden Dampfer blieben im Eingange der
Bucht zurück; die Segler nahmen Curs auf die Stadt, „Chri-
ſtian VIII.“ leitete, „die Gefion“ folgte in ſeinem Kielwaſſer.
Stolz flatterte der Dannebrog im Winde und drohend blickten
die Geſchützrohre aus den Pforten. Näher und näher kamen
die beiden Schiffe, bange Stille herrſchte in der Stadt, auf
den Gemüthern lagerte es wie Gewitterſchwüle; in den Schan-
zen jedoch erwartete man muthigen Herzens und feſten Auges
den Feind, der unter vollen Segeln heranſteuerte.

Gegen ſieben Uhr hatte dieſer ſein Ziel erreicht und war
nur noch wenige Hundert Schritte von der Nordſchanze ent-
fernt. Da erkrachte es auf einmal, als ob die Erde ſich ſpalten
ſollte. Die zweiundvierzig Feuerſchlünde der Steuerbordſeite
des Linienſchiffes entluden ſich gleichzeitig, ein Hagel von Ge-
ſchoſſen ſauſte pfeifend und ziſchend gegen die Schanze und einige

12*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0191" n="179"/><fw place="top" type="header">Die deut&#x017F;che Marine 1848&#x2014;1852</fw><lb/>
wohner größtentheils gar nicht zur Ruhe gegangen waren. Es<lb/>
ward Generalmar&#x017F;ch ge&#x017F;chlagen, die Infanterie eilte zu ihren<lb/>
Sammelplätzen, die Kanoniere be&#x017F;etzten ihre Schanzen. Die<lb/>
nördliche wurde vom Hauptmann Jungmann, einem früheren<lb/>
preußi&#x017F;chen Artillerieofficier, die &#x017F;üdliche von dem Unterofficier<lb/>
von Preußer, einem Schleswig-Hol&#x017F;teiner, befehligt; die Bedie-<lb/>
nungsmann&#x017F;chaften waren Schleswig-Hol&#x017F;teiner, deren größter<lb/>
Theil er&#x017F;t &#x017F;eit wenigen Monaten diente. Der Tag ver&#x017F;prach<lb/>
&#x017F;chön zu werden. Der Himmel war unbewölkt, die Sonne ent-<lb/>
&#x017F;tieg &#x017F;trahlend dem Meere, der O&#x017F;twind blies in die Bucht und<lb/>
die lichtgrünen Wellen tanzten lu&#x017F;tig und von weißem Schaum<lb/>
gekrönt in der fri&#x017F;chen Brie&#x017F;e. Es war ein Bild des Friedens,<lb/>
das &#x017F;ich dem Blicke bot &#x2014; doch wie bald &#x017F;ollte es &#x017F;ich wandeln<lb/>
in wildes Kampfgewühl, wie bald &#x017F;ollten die klaren Wogen &#x017F;ich<lb/>
röthen vom Blut und das goldne Antlitz der Sonne in &#x017F;chwar-<lb/>
zem Pulverdampf &#x017F;ich trauernd verhüllen!</p><lb/>
          <p>Gegen &#x017F;echs Uhr Morgens &#x017F;ah man die vier feindlichen<lb/>
Schiffe am fernen Horizonte aus dem leichten Morgennebel<lb/>
emportauchen. Die beiden Dampfer blieben im Eingange der<lb/>
Bucht zurück; die Segler nahmen Curs auf die Stadt, &#x201E;Chri-<lb/>
&#x017F;tian <hi rendition="#aq">VIII.</hi>&#x201C; leitete, &#x201E;die Gefion&#x201C; folgte in &#x017F;einem Kielwa&#x017F;&#x017F;er.<lb/>
Stolz flatterte der Dannebrog im Winde und drohend blickten<lb/>
die Ge&#x017F;chützrohre aus den Pforten. Näher und näher kamen<lb/>
die beiden Schiffe, bange Stille herr&#x017F;chte in der Stadt, auf<lb/>
den Gemüthern lagerte es wie Gewitter&#x017F;chwüle; in den Schan-<lb/>
zen jedoch erwartete man muthigen Herzens und fe&#x017F;ten Auges<lb/>
den Feind, der unter vollen Segeln heran&#x017F;teuerte.</p><lb/>
          <p>Gegen &#x017F;ieben Uhr hatte die&#x017F;er &#x017F;ein Ziel erreicht und war<lb/>
nur noch wenige Hundert Schritte von der Nord&#x017F;chanze ent-<lb/>
fernt. Da erkrachte es auf einmal, als ob die Erde &#x017F;ich &#x017F;palten<lb/>
&#x017F;ollte. Die zweiundvierzig Feuer&#x017F;chlünde der Steuerbord&#x017F;eite<lb/>
des Linien&#x017F;chiffes entluden &#x017F;ich gleichzeitig, ein Hagel von Ge-<lb/>
&#x017F;cho&#x017F;&#x017F;en &#x017F;au&#x017F;te pfeifend und zi&#x017F;chend gegen die Schanze und einige<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">12*</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[179/0191] Die deutſche Marine 1848—1852 wohner größtentheils gar nicht zur Ruhe gegangen waren. Es ward Generalmarſch geſchlagen, die Infanterie eilte zu ihren Sammelplätzen, die Kanoniere beſetzten ihre Schanzen. Die nördliche wurde vom Hauptmann Jungmann, einem früheren preußiſchen Artillerieofficier, die ſüdliche von dem Unterofficier von Preußer, einem Schleswig-Holſteiner, befehligt; die Bedie- nungsmannſchaften waren Schleswig-Holſteiner, deren größter Theil erſt ſeit wenigen Monaten diente. Der Tag verſprach ſchön zu werden. Der Himmel war unbewölkt, die Sonne ent- ſtieg ſtrahlend dem Meere, der Oſtwind blies in die Bucht und die lichtgrünen Wellen tanzten luſtig und von weißem Schaum gekrönt in der friſchen Brieſe. Es war ein Bild des Friedens, das ſich dem Blicke bot — doch wie bald ſollte es ſich wandeln in wildes Kampfgewühl, wie bald ſollten die klaren Wogen ſich röthen vom Blut und das goldne Antlitz der Sonne in ſchwar- zem Pulverdampf ſich trauernd verhüllen! Gegen ſechs Uhr Morgens ſah man die vier feindlichen Schiffe am fernen Horizonte aus dem leichten Morgennebel emportauchen. Die beiden Dampfer blieben im Eingange der Bucht zurück; die Segler nahmen Curs auf die Stadt, „Chri- ſtian VIII.“ leitete, „die Gefion“ folgte in ſeinem Kielwaſſer. Stolz flatterte der Dannebrog im Winde und drohend blickten die Geſchützrohre aus den Pforten. Näher und näher kamen die beiden Schiffe, bange Stille herrſchte in der Stadt, auf den Gemüthern lagerte es wie Gewitterſchwüle; in den Schan- zen jedoch erwartete man muthigen Herzens und feſten Auges den Feind, der unter vollen Segeln heranſteuerte. Gegen ſieben Uhr hatte dieſer ſein Ziel erreicht und war nur noch wenige Hundert Schritte von der Nordſchanze ent- fernt. Da erkrachte es auf einmal, als ob die Erde ſich ſpalten ſollte. Die zweiundvierzig Feuerſchlünde der Steuerbordſeite des Linienſchiffes entluden ſich gleichzeitig, ein Hagel von Ge- ſchoſſen ſauſte pfeifend und ziſchend gegen die Schanze und einige 12*

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/werner_seeleben_1880
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/werner_seeleben_1880/191
Zitationshilfe: Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880, S. 179. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/werner_seeleben_1880/191>, abgerufen am 21.11.2024.