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Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880.

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Die deutsche Marine 1848--1852
sich jedoch die Sache wegen verspäteten Eintreffens der in Eng-
land gefertigten Kriegsausrüstung noch länger hin und erst Ende
Mai wurde das Schiff einigermaßen seefertig. Leider stand es
mit der Kriegsbereitschaft nicht so gut. Der Commandant des
"Barbarossa" war ein alter gutmüthiger, aber sonst ziemlich un-
fähiger Engländer. Er war Kapitän eines der vom Hamburger
Comite angekauften Dampfer gewesen und mit übernommen wor-
den, weil er in früheren Zeiten einmal, wenn auch in untergeordne-
ter Stellung, in der englischen Kriegsmarine gedient hatte. Als
die amerikanischen Officiere ausblieben und ehe die Belgier ein-
trafen, hatte man ihn zum Commandanten des "Barbarossa" ge-
macht. Von dem militärischen Dienste verstand er jedoch herz-
lich wenig, die Bedienung der Geschütze war ihm gänzlich un-
bekannt und blieb es deshalb Sache der Officiere, zu denen
auch ich gehörte, sich und die Mannschaft weiter aus- und fort-
zubilden.

Auf der "Deutschland", "Hamburg" und "Lübeck" befanden
sich die gewöhnlichen glattläufigen Geschütze, welche nur Vollkugeln
schossen und deren Bedienung verhältnißmäßig wenig Schwierig-
keiten machte. Der "Barbarossa" war dagegen mit 68-Pfünder-
Bombengeschützen neuen Modells armirt, die von uns noch
Niemand kannte. Wir suchten uns natürlich so gut wie möglich
damit abzufinden und glaubten auch das Exercitium unsern
Leuten in verhältnißmäßig kurzer Zeit ganz vortrefflich bei-
gebracht zu haben, sollten aber bald die unangenehme Erfahrung
machen, daß Autodidacten trotz allen Fleißes leicht in verhängniß-
volle Fehler verfallen.

Anfang Juni meldete unser alter Kapitän, den wir trotz
seiner Unbedeutendheit doch alle gern mochten, dem inzwischen
zum Commodore ernannten Kapitän Brommy, unserem Ober-
befehlshaber, den "Barbarossa" kriegsbereit, und dieser beschloß am
4. Juni mit den drei Schiffen eine Recognoscirungsfahrt in See
zu unternehmen. Daß für einen Ernstkampf eine Schießübung,

Die deutſche Marine 1848—1852
ſich jedoch die Sache wegen verſpäteten Eintreffens der in Eng-
land gefertigten Kriegsausrüſtung noch länger hin und erſt Ende
Mai wurde das Schiff einigermaßen ſeefertig. Leider ſtand es
mit der Kriegsbereitſchaft nicht ſo gut. Der Commandant des
„Barbaroſſa“ war ein alter gutmüthiger, aber ſonſt ziemlich un-
fähiger Engländer. Er war Kapitän eines der vom Hamburger
Comité angekauften Dampfer geweſen und mit übernommen wor-
den, weil er in früheren Zeiten einmal, wenn auch in untergeordne-
ter Stellung, in der engliſchen Kriegsmarine gedient hatte. Als
die amerikaniſchen Officiere ausblieben und ehe die Belgier ein-
trafen, hatte man ihn zum Commandanten des „Barbaroſſa“ ge-
macht. Von dem militäriſchen Dienſte verſtand er jedoch herz-
lich wenig, die Bedienung der Geſchütze war ihm gänzlich un-
bekannt und blieb es deshalb Sache der Officiere, zu denen
auch ich gehörte, ſich und die Mannſchaft weiter aus- und fort-
zubilden.

Auf der „Deutſchland“, „Hamburg“ und „Lübeck“ befanden
ſich die gewöhnlichen glattläufigen Geſchütze, welche nur Vollkugeln
ſchoſſen und deren Bedienung verhältnißmäßig wenig Schwierig-
keiten machte. Der „Barbaroſſa“ war dagegen mit 68-Pfünder-
Bombengeſchützen neuen Modells armirt, die von uns noch
Niemand kannte. Wir ſuchten uns natürlich ſo gut wie möglich
damit abzufinden und glaubten auch das Exercitium unſern
Leuten in verhältnißmäßig kurzer Zeit ganz vortrefflich bei-
gebracht zu haben, ſollten aber bald die unangenehme Erfahrung
machen, daß Autodidacten trotz allen Fleißes leicht in verhängniß-
volle Fehler verfallen.

Anfang Juni meldete unſer alter Kapitän, den wir trotz
ſeiner Unbedeutendheit doch alle gern mochten, dem inzwiſchen
zum Commodore ernannten Kapitän Brommy, unſerem Ober-
befehlshaber, den „Barbaroſſa“ kriegsbereit, und dieſer beſchloß am
4. Juni mit den drei Schiffen eine Recognoscirungsfahrt in See
zu unternehmen. Daß für einen Ernſtkampf eine Schießübung,

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[189/0201] Die deutſche Marine 1848—1852 ſich jedoch die Sache wegen verſpäteten Eintreffens der in Eng- land gefertigten Kriegsausrüſtung noch länger hin und erſt Ende Mai wurde das Schiff einigermaßen ſeefertig. Leider ſtand es mit der Kriegsbereitſchaft nicht ſo gut. Der Commandant des „Barbaroſſa“ war ein alter gutmüthiger, aber ſonſt ziemlich un- fähiger Engländer. Er war Kapitän eines der vom Hamburger Comité angekauften Dampfer geweſen und mit übernommen wor- den, weil er in früheren Zeiten einmal, wenn auch in untergeordne- ter Stellung, in der engliſchen Kriegsmarine gedient hatte. Als die amerikaniſchen Officiere ausblieben und ehe die Belgier ein- trafen, hatte man ihn zum Commandanten des „Barbaroſſa“ ge- macht. Von dem militäriſchen Dienſte verſtand er jedoch herz- lich wenig, die Bedienung der Geſchütze war ihm gänzlich un- bekannt und blieb es deshalb Sache der Officiere, zu denen auch ich gehörte, ſich und die Mannſchaft weiter aus- und fort- zubilden. Auf der „Deutſchland“, „Hamburg“ und „Lübeck“ befanden ſich die gewöhnlichen glattläufigen Geſchütze, welche nur Vollkugeln ſchoſſen und deren Bedienung verhältnißmäßig wenig Schwierig- keiten machte. Der „Barbaroſſa“ war dagegen mit 68-Pfünder- Bombengeſchützen neuen Modells armirt, die von uns noch Niemand kannte. Wir ſuchten uns natürlich ſo gut wie möglich damit abzufinden und glaubten auch das Exercitium unſern Leuten in verhältnißmäßig kurzer Zeit ganz vortrefflich bei- gebracht zu haben, ſollten aber bald die unangenehme Erfahrung machen, daß Autodidacten trotz allen Fleißes leicht in verhängniß- volle Fehler verfallen. Anfang Juni meldete unſer alter Kapitän, den wir trotz ſeiner Unbedeutendheit doch alle gern mochten, dem inzwiſchen zum Commodore ernannten Kapitän Brommy, unſerem Ober- befehlshaber, den „Barbaroſſa“ kriegsbereit, und dieſer beſchloß am 4. Juni mit den drei Schiffen eine Recognoscirungsfahrt in See zu unternehmen. Daß für einen Ernſtkampf eine Schießübung,

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Zitationshilfe: Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880, S. 189. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/werner_seeleben_1880/201>, abgerufen am 21.11.2024.