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Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880.

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Werner

"Das war gar kein Schiff."

"Gar kein Schiff?" donnerte jetzt der Bootsmann ganz
wild. "Was in des Teufels und seines Pumpstocks Namen
war es denn?"

"Ich habe als Kutscher gefahren".

Der Bootsmann war starr über diese vermeintliche Frech-
heit und lief spornstreichs zum ersten Officier, um das uner-
hörte Verbrechen zu melden. Was war aber zu machen? Mohr
hatte durchaus keine Schuld an dem Mißverständnisse; als
Kutscher konnte er mit demselben Rechte wie die Seeleute das
Wort "fahren" mit "haben" construiren, da er wie sie activ
an der Bewegung betheiligt ist und hatte deshalb die an ihn
gerichtete Frage nach bester Ueberzeugung wahrheitsgemäß beant-
wortet. Man konnte ihm weiter nichts anhaben, als daß er
als "Unbefahrener" in die dritte Matrosenklasse versetzt wurde.
Was ihm aber damals an wirklicher Fahrzeit fehlte, das ist von
ihm inzwischen redlich nachgeholt worden. Jetzt hat er nicht
nur sieben, sondern über zwanzig Jahre sich den Wind in allen
Welttheilen um die Nase wehen lassen. Bei Auflösung der
deutschen Marine trat er mit in die preußische über und wurde
mit der Zeit ein ungemein tüchtiger Seemann. Später war er
drei Jahre lang mein Bootsmann, und man konnte sich für
diesen schwierigen Posten, der an Bord eines großen Kriegs-
schiffes so viel Erfahrung, Umsicht, Fachkenntniß und unermüd-
liche Thätigkeit erheischt, keinen besseren und zuverlässigeren
Mann wünschen.

Nicht immer schlugen jedoch die Unbefahrenen so gut ein.
Oefters waren es gar bösartige Gesellen, mit denen man zu
thun hatte, und es mußten außergewöhnliche Mittel angewendet
werden, um sie unschädlich zu machen und zu verhüten, daß ihr
Beispiel nicht nachtheilig und ansteckend auf die übrigen Mann-
schaften zurückwirkte.

So befand sich an Bord der "Hamburg" ein solches Sub-

Werner

„Das war gar kein Schiff.“

„Gar kein Schiff?“ donnerte jetzt der Bootsmann ganz
wild. „Was in des Teufels und ſeines Pumpſtocks Namen
war es denn?“

„Ich habe als Kutſcher gefahren“.

Der Bootsmann war ſtarr über dieſe vermeintliche Frech-
heit und lief ſpornſtreichs zum erſten Officier, um das uner-
hörte Verbrechen zu melden. Was war aber zu machen? Mohr
hatte durchaus keine Schuld an dem Mißverſtändniſſe; als
Kutſcher konnte er mit demſelben Rechte wie die Seeleute das
Wort „fahren“ mit „haben“ conſtruiren, da er wie ſie activ
an der Bewegung betheiligt iſt und hatte deshalb die an ihn
gerichtete Frage nach beſter Ueberzeugung wahrheitsgemäß beant-
wortet. Man konnte ihm weiter nichts anhaben, als daß er
als „Unbefahrener“ in die dritte Matroſenklaſſe verſetzt wurde.
Was ihm aber damals an wirklicher Fahrzeit fehlte, das iſt von
ihm inzwiſchen redlich nachgeholt worden. Jetzt hat er nicht
nur ſieben, ſondern über zwanzig Jahre ſich den Wind in allen
Welttheilen um die Naſe wehen laſſen. Bei Auflöſung der
deutſchen Marine trat er mit in die preußiſche über und wurde
mit der Zeit ein ungemein tüchtiger Seemann. Später war er
drei Jahre lang mein Bootsmann, und man konnte ſich für
dieſen ſchwierigen Poſten, der an Bord eines großen Kriegs-
ſchiffes ſo viel Erfahrung, Umſicht, Fachkenntniß und unermüd-
liche Thätigkeit erheiſcht, keinen beſſeren und zuverläſſigeren
Mann wünſchen.

Nicht immer ſchlugen jedoch die Unbefahrenen ſo gut ein.
Oefters waren es gar bösartige Geſellen, mit denen man zu
thun hatte, und es mußten außergewöhnliche Mittel angewendet
werden, um ſie unſchädlich zu machen und zu verhüten, daß ihr
Beiſpiel nicht nachtheilig und anſteckend auf die übrigen Mann-
ſchaften zurückwirkte.

So befand ſich an Bord der „Hamburg“ ein ſolches Sub-

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[234/0246] Werner „Das war gar kein Schiff.“ „Gar kein Schiff?“ donnerte jetzt der Bootsmann ganz wild. „Was in des Teufels und ſeines Pumpſtocks Namen war es denn?“ „Ich habe als Kutſcher gefahren“. Der Bootsmann war ſtarr über dieſe vermeintliche Frech- heit und lief ſpornſtreichs zum erſten Officier, um das uner- hörte Verbrechen zu melden. Was war aber zu machen? Mohr hatte durchaus keine Schuld an dem Mißverſtändniſſe; als Kutſcher konnte er mit demſelben Rechte wie die Seeleute das Wort „fahren“ mit „haben“ conſtruiren, da er wie ſie activ an der Bewegung betheiligt iſt und hatte deshalb die an ihn gerichtete Frage nach beſter Ueberzeugung wahrheitsgemäß beant- wortet. Man konnte ihm weiter nichts anhaben, als daß er als „Unbefahrener“ in die dritte Matroſenklaſſe verſetzt wurde. Was ihm aber damals an wirklicher Fahrzeit fehlte, das iſt von ihm inzwiſchen redlich nachgeholt worden. Jetzt hat er nicht nur ſieben, ſondern über zwanzig Jahre ſich den Wind in allen Welttheilen um die Naſe wehen laſſen. Bei Auflöſung der deutſchen Marine trat er mit in die preußiſche über und wurde mit der Zeit ein ungemein tüchtiger Seemann. Später war er drei Jahre lang mein Bootsmann, und man konnte ſich für dieſen ſchwierigen Poſten, der an Bord eines großen Kriegs- ſchiffes ſo viel Erfahrung, Umſicht, Fachkenntniß und unermüd- liche Thätigkeit erheiſcht, keinen beſſeren und zuverläſſigeren Mann wünſchen. Nicht immer ſchlugen jedoch die Unbefahrenen ſo gut ein. Oefters waren es gar bösartige Geſellen, mit denen man zu thun hatte, und es mußten außergewöhnliche Mittel angewendet werden, um ſie unſchädlich zu machen und zu verhüten, daß ihr Beiſpiel nicht nachtheilig und anſteckend auf die übrigen Mann- ſchaften zurückwirkte. So befand ſich an Bord der „Hamburg“ ein ſolches Sub-

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Zitationshilfe: Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880, S. 234. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/werner_seeleben_1880/246>, abgerufen am 21.11.2024.