und deshalb an Bord gekommen waren, in den Fluthen ihren Tod fanden.
Dasselbe furchtbare Schicksal ereilte vor 25 Jahren ein russisches Linienschiff in der Ostsee. Es befand sich unter Segel, als es von einer heftigen Bö überrascht wurde und sich infolge dessen stark überlegte. Der wachehabende Officier hatte nicht nur versäumt, zeitig die Segel zu bergen, sondern auch die Unterpforten schließen zu lassen und das unglückliche Schiff verschwand mit seiner gesammten Besatzung in den Fluthen. Einige in der Nähe segelnde Kauffarteischiffe eilten so schnell wie möglich zur Unglücksstätte, konnten aber nur noch drei Mann retten.
In den Officierkammern der nicht sehr großen Schiffe herrscht im Allgemeinen nicht viel mehr Comfort, als in der Messe. Schon der beschränkte Raum schließt diesen Begriff aus. Die eingebaute Coje, ein Waschtisch, eine Kommode, ein Bücher- brett und vielleicht in einer günstigen Ecke eine Art Kleider- schrank, sowie ein Feldstuhl lassen oft nur so viel Platz, daß der Inhaber sich mit Noth bewegen kann; hat er einen Kame- raden zum Besuch, so muß Einer auf der Coje sitzen.
Und doch, trotz der Beschränktheit, des Halbdunkels und der dumpfen Luft -- wie glücklich ist der Seeofficier, nament- lich auf längeren Reisen, eine Kammer zu besitzen. Wie lieb und werth wird ihm oft das bescheidene Plätzchen, das er sein eigen nennen darf, wohin er sich in den spärlichen Freistunden, die der so viel fordernde Dienst ihm läßt, zurückziehen, wo er ein Buch lesen, einen Brief schreiben oder auch nur ungestört seinen Gedanken nachhängen kann. Bei Commandirung eines Officiercorps an Bord eines Schiffes ist es in den meisten Fällen nicht möglich, Rücksicht darauf zu nehmen, ob auch die Persönlichkeiten zu einander passen, da die dienstlichen Anforde- rungen in erster Reihe maßgebend sind. Wie leicht kann es dann aber geschehen und wie oft tritt der Fall in Wirklichkeit
Werner
und deshalb an Bord gekommen waren, in den Fluthen ihren Tod fanden.
Daſſelbe furchtbare Schickſal ereilte vor 25 Jahren ein ruſſiſches Linienſchiff in der Oſtſee. Es befand ſich unter Segel, als es von einer heftigen Bö überraſcht wurde und ſich infolge deſſen ſtark überlegte. Der wachehabende Officier hatte nicht nur verſäumt, zeitig die Segel zu bergen, ſondern auch die Unterpforten ſchließen zu laſſen und das unglückliche Schiff verſchwand mit ſeiner geſammten Beſatzung in den Fluthen. Einige in der Nähe ſegelnde Kauffarteiſchiffe eilten ſo ſchnell wie möglich zur Unglücksſtätte, konnten aber nur noch drei Mann retten.
In den Officierkammern der nicht ſehr großen Schiffe herrſcht im Allgemeinen nicht viel mehr Comfort, als in der Meſſe. Schon der beſchränkte Raum ſchließt dieſen Begriff aus. Die eingebaute Coje, ein Waſchtiſch, eine Kommode, ein Bücher- brett und vielleicht in einer günſtigen Ecke eine Art Kleider- ſchrank, ſowie ein Feldſtuhl laſſen oft nur ſo viel Platz, daß der Inhaber ſich mit Noth bewegen kann; hat er einen Kame- raden zum Beſuch, ſo muß Einer auf der Coje ſitzen.
Und doch, trotz der Beſchränktheit, des Halbdunkels und der dumpfen Luft — wie glücklich iſt der Seeofficier, nament- lich auf längeren Reiſen, eine Kammer zu beſitzen. Wie lieb und werth wird ihm oft das beſcheidene Plätzchen, das er ſein eigen nennen darf, wohin er ſich in den ſpärlichen Freiſtunden, die der ſo viel fordernde Dienſt ihm läßt, zurückziehen, wo er ein Buch leſen, einen Brief ſchreiben oder auch nur ungeſtört ſeinen Gedanken nachhängen kann. Bei Commandirung eines Officiercorps an Bord eines Schiffes iſt es in den meiſten Fällen nicht möglich, Rückſicht darauf zu nehmen, ob auch die Perſönlichkeiten zu einander paſſen, da die dienſtlichen Anforde- rungen in erſter Reihe maßgebend ſind. Wie leicht kann es dann aber geſchehen und wie oft tritt der Fall in Wirklichkeit
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Werner
und deshalb an Bord gekommen waren, in den Fluthen ihren
Tod fanden.
Daſſelbe furchtbare Schickſal ereilte vor 25 Jahren ein
ruſſiſches Linienſchiff in der Oſtſee. Es befand ſich unter
Segel, als es von einer heftigen Bö überraſcht wurde und ſich
infolge deſſen ſtark überlegte. Der wachehabende Officier hatte
nicht nur verſäumt, zeitig die Segel zu bergen, ſondern auch
die Unterpforten ſchließen zu laſſen und das unglückliche Schiff
verſchwand mit ſeiner geſammten Beſatzung in den Fluthen.
Einige in der Nähe ſegelnde Kauffarteiſchiffe eilten ſo ſchnell
wie möglich zur Unglücksſtätte, konnten aber nur noch drei
Mann retten.
In den Officierkammern der nicht ſehr großen Schiffe
herrſcht im Allgemeinen nicht viel mehr Comfort, als in der
Meſſe. Schon der beſchränkte Raum ſchließt dieſen Begriff aus.
Die eingebaute Coje, ein Waſchtiſch, eine Kommode, ein Bücher-
brett und vielleicht in einer günſtigen Ecke eine Art Kleider-
ſchrank, ſowie ein Feldſtuhl laſſen oft nur ſo viel Platz, daß
der Inhaber ſich mit Noth bewegen kann; hat er einen Kame-
raden zum Beſuch, ſo muß Einer auf der Coje ſitzen.
Und doch, trotz der Beſchränktheit, des Halbdunkels und
der dumpfen Luft — wie glücklich iſt der Seeofficier, nament-
lich auf längeren Reiſen, eine Kammer zu beſitzen. Wie lieb
und werth wird ihm oft das beſcheidene Plätzchen, das er ſein
eigen nennen darf, wohin er ſich in den ſpärlichen Freiſtunden,
die der ſo viel fordernde Dienſt ihm läßt, zurückziehen, wo er
ein Buch leſen, einen Brief ſchreiben oder auch nur ungeſtört
ſeinen Gedanken nachhängen kann. Bei Commandirung eines
Officiercorps an Bord eines Schiffes iſt es in den meiſten
Fällen nicht möglich, Rückſicht darauf zu nehmen, ob auch die
Perſönlichkeiten zu einander paſſen, da die dienſtlichen Anforde-
rungen in erſter Reihe maßgebend ſind. Wie leicht kann es
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Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880, S. 252. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/werner_seeleben_1880/264>, abgerufen am 22.11.2024.
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