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Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880.

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Die Seejunker
ziehung der jungen Leute anvertraut hatte, war ein Belgier,
ein Mann in bereits vorgeschrittenem Alter. Er that sein
Bestes, um die ihm gewordene Aufgabe zu erfüllen, aber diese
war nicht leicht und die übermüthigen Zöglinge schlugen oft
über die Stränge, um so mehr, als bei ihrer Einstellung und
Auswahl nicht mit derjenigen Sorgfalt verfahren war, wie dies
später bei geordneteren Zuständen der Flotte geschehen wäre.
Es erklärte sich daher, wenn sich unter dem Corps einzelne
Individuen befanden, die ihm nicht zur Zierde gereichten, dem
Commandanten das Leben sehr sauer machten und auf ihre
Kameraden keinen guten Einfluß übten, bis sie sich mit der
Zeit abstießen. Den Rest jedoch bildeten im Allgemeinen gut
erzogene Jünglinge, die gewiß zu tüchtigen Officieren herange-
bildet wären, wenn das Schicksal der deutschen Flotte Dauer
verliehen hätte; ein großer Theil von ihnen hat sich später einen
ehrenvollen Lebensweg gebahnt.

Dem Alter nach schwankten die Junker zwischen 15 und
18 Jahren, jedoch war auch ein Zwanzigjähriger von entspre-
chender geistiger und körperlicher Entwickelung dabei, und es
konnte nicht fehlen, daß er sich in jeder Beziehung die Herrschaft
über seine Kameraden anmaßte. Sein Name war Fahrenholz;
er besaß großes Zeichentalent, das er hauptsächlich zu Carri-
caturen verwerthete. In den meisten Fällen war deren Gegen-
stand der Kapitän, dessen Eigenheiten und stark mit Flämisch
gemischtes Deutsch reichen Stoff zu solchen Zeichnungen liefer-
ten. Hatten sich die Seejunker über letztere genügend amü-
sirt, dann wurden sie zu wirklichen "fliegenden Blättern",
denn, von irgend einem geheimnißvollen Winde getrieben, flogen
sie so lange im Schiffe umher, bis sie in die Hände des ersten
Officiers oder in die des Commandanten selbst fielen. Dieser
war von Natur äußerst gutmüthig, schien auch außerdem
seine eigene Jugend noch nicht vergessen zu haben, denn weit
entfernt zu zürnen, amüsirte er sich vielmehr über die allerdings

Die Seejunker
ziehung der jungen Leute anvertraut hatte, war ein Belgier,
ein Mann in bereits vorgeſchrittenem Alter. Er that ſein
Beſtes, um die ihm gewordene Aufgabe zu erfüllen, aber dieſe
war nicht leicht und die übermüthigen Zöglinge ſchlugen oft
über die Stränge, um ſo mehr, als bei ihrer Einſtellung und
Auswahl nicht mit derjenigen Sorgfalt verfahren war, wie dies
ſpäter bei geordneteren Zuſtänden der Flotte geſchehen wäre.
Es erklärte ſich daher, wenn ſich unter dem Corps einzelne
Individuen befanden, die ihm nicht zur Zierde gereichten, dem
Commandanten das Leben ſehr ſauer machten und auf ihre
Kameraden keinen guten Einfluß übten, bis ſie ſich mit der
Zeit abſtießen. Den Reſt jedoch bildeten im Allgemeinen gut
erzogene Jünglinge, die gewiß zu tüchtigen Officieren herange-
bildet wären, wenn das Schickſal der deutſchen Flotte Dauer
verliehen hätte; ein großer Theil von ihnen hat ſich ſpäter einen
ehrenvollen Lebensweg gebahnt.

Dem Alter nach ſchwankten die Junker zwiſchen 15 und
18 Jahren, jedoch war auch ein Zwanzigjähriger von entſpre-
chender geiſtiger und körperlicher Entwickelung dabei, und es
konnte nicht fehlen, daß er ſich in jeder Beziehung die Herrſchaft
über ſeine Kameraden anmaßte. Sein Name war Fahrenholz;
er beſaß großes Zeichentalent, das er hauptſächlich zu Carri-
caturen verwerthete. In den meiſten Fällen war deren Gegen-
ſtand der Kapitän, deſſen Eigenheiten und ſtark mit Flämiſch
gemiſchtes Deutſch reichen Stoff zu ſolchen Zeichnungen liefer-
ten. Hatten ſich die Seejunker über letztere genügend amü-
ſirt, dann wurden ſie zu wirklichen „fliegenden Blättern“,
denn, von irgend einem geheimnißvollen Winde getrieben, flogen
ſie ſo lange im Schiffe umher, bis ſie in die Hände des erſten
Officiers oder in die des Commandanten ſelbſt fielen. Dieſer
war von Natur äußerſt gutmüthig, ſchien auch außerdem
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[287/0299] Die Seejunker ziehung der jungen Leute anvertraut hatte, war ein Belgier, ein Mann in bereits vorgeſchrittenem Alter. Er that ſein Beſtes, um die ihm gewordene Aufgabe zu erfüllen, aber dieſe war nicht leicht und die übermüthigen Zöglinge ſchlugen oft über die Stränge, um ſo mehr, als bei ihrer Einſtellung und Auswahl nicht mit derjenigen Sorgfalt verfahren war, wie dies ſpäter bei geordneteren Zuſtänden der Flotte geſchehen wäre. Es erklärte ſich daher, wenn ſich unter dem Corps einzelne Individuen befanden, die ihm nicht zur Zierde gereichten, dem Commandanten das Leben ſehr ſauer machten und auf ihre Kameraden keinen guten Einfluß übten, bis ſie ſich mit der Zeit abſtießen. Den Reſt jedoch bildeten im Allgemeinen gut erzogene Jünglinge, die gewiß zu tüchtigen Officieren herange- bildet wären, wenn das Schickſal der deutſchen Flotte Dauer verliehen hätte; ein großer Theil von ihnen hat ſich ſpäter einen ehrenvollen Lebensweg gebahnt. Dem Alter nach ſchwankten die Junker zwiſchen 15 und 18 Jahren, jedoch war auch ein Zwanzigjähriger von entſpre- chender geiſtiger und körperlicher Entwickelung dabei, und es konnte nicht fehlen, daß er ſich in jeder Beziehung die Herrſchaft über ſeine Kameraden anmaßte. Sein Name war Fahrenholz; er beſaß großes Zeichentalent, das er hauptſächlich zu Carri- caturen verwerthete. In den meiſten Fällen war deren Gegen- ſtand der Kapitän, deſſen Eigenheiten und ſtark mit Flämiſch gemiſchtes Deutſch reichen Stoff zu ſolchen Zeichnungen liefer- ten. Hatten ſich die Seejunker über letztere genügend amü- ſirt, dann wurden ſie zu wirklichen „fliegenden Blättern“, denn, von irgend einem geheimnißvollen Winde getrieben, flogen ſie ſo lange im Schiffe umher, bis ſie in die Hände des erſten Officiers oder in die des Commandanten ſelbſt fielen. Dieſer war von Natur äußerſt gutmüthig, ſchien auch außerdem ſeine eigene Jugend noch nicht vergeſſen zu haben, denn weit entfernt zu zürnen, amüſirte er ſich vielmehr über die allerdings

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Zitationshilfe: Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880, S. 287. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/werner_seeleben_1880/299>, abgerufen am 22.11.2024.