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Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880.

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Die Seejunker

Der kleine Meyer wird bei diesen Worten feuerroth und
sieht aus, als wolle er Koppen in das Gesicht springen, wäh-
rend die Uebrigen laut lachen.

"Na, kleiner Ehrenritter, sei nur gut," höhnt Koppen;
"ich werde es auch Deiner zukünftigen Braut nicht erzählen,
aber in des Commandanten Album mußt Du nothwendig hinein."

Meyer sieht sich vergebens nach Hülfe um, findet aber
überall nur lachende Gesichter; er erwählt deshalb dem klüge-
ren Theil und entzieht sich weiteren Neckereien durch die Flucht
auf das Deck.

"Wie war eigentlich die Geschichte?" fragt Fahrenholz.
"Wenn ich sie zeichnen soll, muß ich auch die genaueren Um-
stände kennen. Rosenstock, Du warst ja dabei, statte einmal
Rapport ab."

"Nun," beginnt der Angeredete, "Ihr wißt doch, daß
Meyer in der letzten Zeit, als wir vor der Reise bei Glückstadt
lagen, so fromm geworden war und jeden Sonntag Urlaub
nahm, um in die Kirche zu gehen, wie er sagte. Der Alte
freute sich über den guten Jungen, der so gern Predigten hörte,
aber ich kannte meine Pappenheimer und machte seine Frömmig-
keit ausfindig. Als ich eines Sonntags mit Briefen an Land
geschickt wurde, nahm ich die Gelegenheit wahr und guckte im
"Blauen Anker" beim alten Iversen vor. Ich ging gleich durch
das Gastzimmer in die Nebenstube, und richtig! es war wie
ich gedacht: da saß unser Kleiner bei Schön Hannchen und
raspelte nach Kräften Süßholz. Er wurde schrecklich verlegen,
dann aber bat er mich dringend, ihn nicht zu verrathen und
lud mich zur Belohnung zu einer Bootfahrt nach Krautsand
ein, die er für den Nachmittag mit Hannchen verabredet und
zu der auch wirklich der alte Iversen unter der Bedingung
seine Zustimmung gegeben hatte, daß man vor Abend wieder
zurück sein sollte.

Ich nahm die Einladung natürlich an; wir erbaten vom

Die Seejunker

Der kleine Meyer wird bei dieſen Worten feuerroth und
ſieht aus, als wolle er Koppen in das Geſicht ſpringen, wäh-
rend die Uebrigen laut lachen.

„Na, kleiner Ehrenritter, ſei nur gut,“ höhnt Koppen;
„ich werde es auch Deiner zukünftigen Braut nicht erzählen,
aber in des Commandanten Album mußt Du nothwendig hinein.“

Meyer ſieht ſich vergebens nach Hülfe um, findet aber
überall nur lachende Geſichter; er erwählt deshalb dem klüge-
ren Theil und entzieht ſich weiteren Neckereien durch die Flucht
auf das Deck.

„Wie war eigentlich die Geſchichte?“ fragt Fahrenholz.
„Wenn ich ſie zeichnen ſoll, muß ich auch die genaueren Um-
ſtände kennen. Roſenſtock, Du warſt ja dabei, ſtatte einmal
Rapport ab.“

„Nun,“ beginnt der Angeredete, „Ihr wißt doch, daß
Meyer in der letzten Zeit, als wir vor der Reiſe bei Glückſtadt
lagen, ſo fromm geworden war und jeden Sonntag Urlaub
nahm, um in die Kirche zu gehen, wie er ſagte. Der Alte
freute ſich über den guten Jungen, der ſo gern Predigten hörte,
aber ich kannte meine Pappenheimer und machte ſeine Frömmig-
keit ausfindig. Als ich eines Sonntags mit Briefen an Land
geſchickt wurde, nahm ich die Gelegenheit wahr und guckte im
„Blauen Anker“ beim alten Iverſen vor. Ich ging gleich durch
das Gaſtzimmer in die Nebenſtube, und richtig! es war wie
ich gedacht: da ſaß unſer Kleiner bei Schön Hannchen und
raspelte nach Kräften Süßholz. Er wurde ſchrecklich verlegen,
dann aber bat er mich dringend, ihn nicht zu verrathen und
lud mich zur Belohnung zu einer Bootfahrt nach Krautſand
ein, die er für den Nachmittag mit Hannchen verabredet und
zu der auch wirklich der alte Iverſen unter der Bedingung
ſeine Zuſtimmung gegeben hatte, daß man vor Abend wieder
zurück ſein ſollte.

Ich nahm die Einladung natürlich an; wir erbaten vom

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[295/0307] Die Seejunker Der kleine Meyer wird bei dieſen Worten feuerroth und ſieht aus, als wolle er Koppen in das Geſicht ſpringen, wäh- rend die Uebrigen laut lachen. „Na, kleiner Ehrenritter, ſei nur gut,“ höhnt Koppen; „ich werde es auch Deiner zukünftigen Braut nicht erzählen, aber in des Commandanten Album mußt Du nothwendig hinein.“ Meyer ſieht ſich vergebens nach Hülfe um, findet aber überall nur lachende Geſichter; er erwählt deshalb dem klüge- ren Theil und entzieht ſich weiteren Neckereien durch die Flucht auf das Deck. „Wie war eigentlich die Geſchichte?“ fragt Fahrenholz. „Wenn ich ſie zeichnen ſoll, muß ich auch die genaueren Um- ſtände kennen. Roſenſtock, Du warſt ja dabei, ſtatte einmal Rapport ab.“ „Nun,“ beginnt der Angeredete, „Ihr wißt doch, daß Meyer in der letzten Zeit, als wir vor der Reiſe bei Glückſtadt lagen, ſo fromm geworden war und jeden Sonntag Urlaub nahm, um in die Kirche zu gehen, wie er ſagte. Der Alte freute ſich über den guten Jungen, der ſo gern Predigten hörte, aber ich kannte meine Pappenheimer und machte ſeine Frömmig- keit ausfindig. Als ich eines Sonntags mit Briefen an Land geſchickt wurde, nahm ich die Gelegenheit wahr und guckte im „Blauen Anker“ beim alten Iverſen vor. Ich ging gleich durch das Gaſtzimmer in die Nebenſtube, und richtig! es war wie ich gedacht: da ſaß unſer Kleiner bei Schön Hannchen und raspelte nach Kräften Süßholz. Er wurde ſchrecklich verlegen, dann aber bat er mich dringend, ihn nicht zu verrathen und lud mich zur Belohnung zu einer Bootfahrt nach Krautſand ein, die er für den Nachmittag mit Hannchen verabredet und zu der auch wirklich der alte Iverſen unter der Bedingung ſeine Zuſtimmung gegeben hatte, daß man vor Abend wieder zurück ſein ſollte. Ich nahm die Einladung natürlich an; wir erbaten vom

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Zitationshilfe: Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880, S. 295. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/werner_seeleben_1880/307>, abgerufen am 22.11.2024.