Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Seejunker
den schlummernden Insassen mit einem höchst unangenehmen
Ruck aus der horizontalen Lage in die vertikale versetzt.

Die Unterhaltung nimmt eine andere Richtung. In Bre-
merhafen giebt ein Taschenspieler Vorstellungen, welche kürzlich
von einem Theil der Seejunker besucht worden, und es werden nun
seine Leistungen kritisirt. Auf Böhrs haben sie einen ungemein
imponirenden Eindruck hervorgebracht, während Andere weniger
davon erbaut sind und Fahrenholz, der selbst in diesem Fache
dilettirt, sie sehr abfällig beurtheilt. Böhrs ist ein ganz guter
Junge, denkt nur ein wenig langsam und muß deshalb oft als
Stichblatt für die Witze der Uebrigen dienen. Sein Enthusias-
mus für den Taschenspieler giebt Fahrenholz eine Idee ein, die
Gesellschaft auf seine Kosten zu amüsiren.

"Du bist entzückt von dem Menschen," wendet er sich an
Böhrs; "ich will Dir zeigen, daß er ein Pfuscher ist. Ich
werde alle seine Kartenkunststücke Euch vormachen und gebe eine
Bowle zum Besten, wenn ich ihn nicht in Schatten stelle."

Fahrenholz führt wirklich die Sachen elegant aus, erntet
reichen Beifall und Böhrs blickt mit wahrhafter Ehrfurcht zu
dem Künstler empor. Dieser hat inzwischen dem Steward Jean
leise einen Befehl gegeben.

"Jetzt sollt Ihr aber etwas sehen," sagte er nun, "was
Ihr noch bei keinem Taschenspieler gefunden habt. In wenigen
Minuten werde ich ein Ei in eine Champagnerflasche zaubern."

Allgemeines Erstaunen und kopfschüttelnder Unglauben.

"Ihr zweifelt, nun ich werde Euch den Beweis liefern.
Jean, eine leere Champagnerflasche und ein Ei!"

Der Spiritus familiaris erscheint mit den verlangten
Gegenständen.

"So, nun scheert Euch auf fünf Minuten hinaus, wenn
es fertig ist, werde ich Euch rufen," commandirt Fahrenholz.

Als dem Befehle Folge geleistet ist, schält Fahrenholz das
vorher nicht ganz hart gekochte Ei, gießt etwas Spiritus in die

Die Seejunker
den ſchlummernden Inſaſſen mit einem höchſt unangenehmen
Ruck aus der horizontalen Lage in die vertikale verſetzt.

Die Unterhaltung nimmt eine andere Richtung. In Bre-
merhafen giebt ein Taſchenſpieler Vorſtellungen, welche kürzlich
von einem Theil der Seejunker beſucht worden, und es werden nun
ſeine Leiſtungen kritiſirt. Auf Böhrs haben ſie einen ungemein
imponirenden Eindruck hervorgebracht, während Andere weniger
davon erbaut ſind und Fahrenholz, der ſelbſt in dieſem Fache
dilettirt, ſie ſehr abfällig beurtheilt. Böhrs iſt ein ganz guter
Junge, denkt nur ein wenig langſam und muß deshalb oft als
Stichblatt für die Witze der Uebrigen dienen. Sein Enthuſias-
mus für den Taſchenſpieler giebt Fahrenholz eine Idee ein, die
Geſellſchaft auf ſeine Koſten zu amüſiren.

„Du biſt entzückt von dem Menſchen,“ wendet er ſich an
Böhrs; „ich will Dir zeigen, daß er ein Pfuſcher iſt. Ich
werde alle ſeine Kartenkunſtſtücke Euch vormachen und gebe eine
Bowle zum Beſten, wenn ich ihn nicht in Schatten ſtelle.“

Fahrenholz führt wirklich die Sachen elegant aus, erntet
reichen Beifall und Böhrs blickt mit wahrhafter Ehrfurcht zu
dem Künſtler empor. Dieſer hat inzwiſchen dem Steward Jean
leiſe einen Befehl gegeben.

„Jetzt ſollt Ihr aber etwas ſehen,“ ſagte er nun, „was
Ihr noch bei keinem Taſchenſpieler gefunden habt. In wenigen
Minuten werde ich ein Ei in eine Champagnerflaſche zaubern.“

Allgemeines Erſtaunen und kopfſchüttelnder Unglauben.

„Ihr zweifelt, nun ich werde Euch den Beweis liefern.
Jean, eine leere Champagnerflaſche und ein Ei!“

Der Spiritus familiaris erſcheint mit den verlangten
Gegenſtänden.

„So, nun ſcheert Euch auf fünf Minuten hinaus, wenn
es fertig iſt, werde ich Euch rufen,“ commandirt Fahrenholz.

Als dem Befehle Folge geleiſtet iſt, ſchält Fahrenholz das
vorher nicht ganz hart gekochte Ei, gießt etwas Spiritus in die

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0311" n="299"/><fw place="top" type="header">Die Seejunker</fw><lb/>
den &#x017F;chlummernden In&#x017F;a&#x017F;&#x017F;en mit einem höch&#x017F;t unangenehmen<lb/>
Ruck aus der horizontalen Lage in die vertikale ver&#x017F;etzt.</p><lb/>
        <p>Die Unterhaltung nimmt eine andere Richtung. In Bre-<lb/>
merhafen giebt ein Ta&#x017F;chen&#x017F;pieler Vor&#x017F;tellungen, welche kürzlich<lb/>
von einem Theil der Seejunker be&#x017F;ucht worden, und es werden nun<lb/>
&#x017F;eine Lei&#x017F;tungen kriti&#x017F;irt. Auf Böhrs haben &#x017F;ie einen ungemein<lb/>
imponirenden Eindruck hervorgebracht, während Andere weniger<lb/>
davon erbaut &#x017F;ind und Fahrenholz, der &#x017F;elb&#x017F;t in die&#x017F;em Fache<lb/>
dilettirt, &#x017F;ie &#x017F;ehr abfällig beurtheilt. Böhrs i&#x017F;t ein ganz guter<lb/>
Junge, denkt nur ein wenig lang&#x017F;am und muß deshalb oft als<lb/>
Stichblatt für die Witze der Uebrigen dienen. Sein Enthu&#x017F;ias-<lb/>
mus für den Ta&#x017F;chen&#x017F;pieler giebt Fahrenholz eine Idee ein, die<lb/>
Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft auf &#x017F;eine Ko&#x017F;ten zu amü&#x017F;iren.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Du bi&#x017F;t entzückt von dem Men&#x017F;chen,&#x201C; wendet er &#x017F;ich an<lb/>
Böhrs; &#x201E;ich will Dir zeigen, daß er ein Pfu&#x017F;cher i&#x017F;t. Ich<lb/>
werde alle &#x017F;eine Kartenkun&#x017F;t&#x017F;tücke Euch vormachen und gebe eine<lb/>
Bowle zum Be&#x017F;ten, wenn ich ihn nicht in Schatten &#x017F;telle.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Fahrenholz führt wirklich die Sachen elegant aus, erntet<lb/>
reichen Beifall und Böhrs blickt mit wahrhafter Ehrfurcht zu<lb/>
dem Kün&#x017F;tler empor. Die&#x017F;er hat inzwi&#x017F;chen dem Steward Jean<lb/>
lei&#x017F;e einen Befehl gegeben.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Jetzt &#x017F;ollt Ihr aber etwas &#x017F;ehen,&#x201C; &#x017F;agte er nun, &#x201E;was<lb/>
Ihr noch bei keinem Ta&#x017F;chen&#x017F;pieler gefunden habt. In wenigen<lb/>
Minuten werde ich ein Ei in eine Champagnerfla&#x017F;che zaubern.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Allgemeines Er&#x017F;taunen und kopf&#x017F;chüttelnder Unglauben.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ihr zweifelt, nun ich werde Euch den Beweis liefern.<lb/>
Jean, eine leere Champagnerfla&#x017F;che und ein Ei!&#x201C;</p><lb/>
        <p>Der Spiritus familiaris er&#x017F;cheint mit den verlangten<lb/>
Gegen&#x017F;tänden.</p><lb/>
        <p>&#x201E;So, nun &#x017F;cheert Euch auf fünf Minuten hinaus, wenn<lb/>
es fertig i&#x017F;t, werde ich Euch rufen,&#x201C; commandirt Fahrenholz.</p><lb/>
        <p>Als dem Befehle Folge gelei&#x017F;tet i&#x017F;t, &#x017F;chält Fahrenholz das<lb/>
vorher nicht ganz hart gekochte Ei, gießt etwas Spiritus in die<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[299/0311] Die Seejunker den ſchlummernden Inſaſſen mit einem höchſt unangenehmen Ruck aus der horizontalen Lage in die vertikale verſetzt. Die Unterhaltung nimmt eine andere Richtung. In Bre- merhafen giebt ein Taſchenſpieler Vorſtellungen, welche kürzlich von einem Theil der Seejunker beſucht worden, und es werden nun ſeine Leiſtungen kritiſirt. Auf Böhrs haben ſie einen ungemein imponirenden Eindruck hervorgebracht, während Andere weniger davon erbaut ſind und Fahrenholz, der ſelbſt in dieſem Fache dilettirt, ſie ſehr abfällig beurtheilt. Böhrs iſt ein ganz guter Junge, denkt nur ein wenig langſam und muß deshalb oft als Stichblatt für die Witze der Uebrigen dienen. Sein Enthuſias- mus für den Taſchenſpieler giebt Fahrenholz eine Idee ein, die Geſellſchaft auf ſeine Koſten zu amüſiren. „Du biſt entzückt von dem Menſchen,“ wendet er ſich an Böhrs; „ich will Dir zeigen, daß er ein Pfuſcher iſt. Ich werde alle ſeine Kartenkunſtſtücke Euch vormachen und gebe eine Bowle zum Beſten, wenn ich ihn nicht in Schatten ſtelle.“ Fahrenholz führt wirklich die Sachen elegant aus, erntet reichen Beifall und Böhrs blickt mit wahrhafter Ehrfurcht zu dem Künſtler empor. Dieſer hat inzwiſchen dem Steward Jean leiſe einen Befehl gegeben. „Jetzt ſollt Ihr aber etwas ſehen,“ ſagte er nun, „was Ihr noch bei keinem Taſchenſpieler gefunden habt. In wenigen Minuten werde ich ein Ei in eine Champagnerflaſche zaubern.“ Allgemeines Erſtaunen und kopfſchüttelnder Unglauben. „Ihr zweifelt, nun ich werde Euch den Beweis liefern. Jean, eine leere Champagnerflaſche und ein Ei!“ Der Spiritus familiaris erſcheint mit den verlangten Gegenſtänden. „So, nun ſcheert Euch auf fünf Minuten hinaus, wenn es fertig iſt, werde ich Euch rufen,“ commandirt Fahrenholz. Als dem Befehle Folge geleiſtet iſt, ſchält Fahrenholz das vorher nicht ganz hart gekochte Ei, gießt etwas Spiritus in die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/werner_seeleben_1880
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/werner_seeleben_1880/311
Zitationshilfe: Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880, S. 299. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/werner_seeleben_1880/311>, abgerufen am 20.05.2024.