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Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880.

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Werner
Polizei und uns als Entführer seiner Tochter arretiren lassen.
Erst als sein Blick auf unsere mit zolldickem getrocknetem Schlick
bedeckten Beinkleider fiel, glaubte er uns, und als ich ihm dann
erzählte, daß Meyer die ganze Nacht mit gezogenem Säbel
über seiner Tochter gewacht und Meyer selbst mit Pathos sprach:
"Herr Iversen, Ihre Tochter war Ehrenmännern anvertraut,
rein wie ein Engel ist sie zurückgekommen," obwol wir selbst so
teufelmäßig schmutzig aussahen, da wurde der Alte ganz gerührt
und ließ sofort den Frühstückstisch zutakeln, um uns mit einem
guten Beefsteak und Glühwein zu stärken und zu wärmen. Als
wir an Bord zurückkehrten, gab es ja, wie Ihr wißt, vierund-
zwanzig Stunden "Kabelgat", weil wir die Bootsgäste an Land
gelassen und diese sich in der Nacht umhergetrieben hatten; aber
mir war es schon recht, ich konnte gründlich ausschlafen, da der
alte Fölsch mir heimlich eine Matratze besorgte, und ich glaube,
Meyer war trotz seiner zarten Gefühle für Hannchen auch zu-
frieden, nicht noch eine Nacht Engel Gabriel auf der Boots-
ducht spielen zu müssen."

"Gut gesprochen, Rosenstock!" sagt Fahrenholz unter dem
Gelächter der Uebrigen, "die Sache ist werth, durch meinen
Griffel verewigt zu werden und es soll demnächst geschehen.
Bis dahin nehme ich aber Meyer unter meinen speciellen Schutz.
Rosenstock hat ihm versprochen, über die Sache zu schweigen
und nur auf meinen Befehl darüber Rapport abgestattet. Bis auf
Weiteres habt Ihr deshalb nichts davon zu wissen und ich bitte
mir aus, daß Ihr meinen Befehl respectirt. Wer Meyer mit
der Geschichte neckt, hat es mit mir zu thun -- verstanden?"

Die Junker erinnern sich, wie Fahrenholz Ungehorsam
gegen seine Befehle straft und nicken zustimmend. Wer nicht
gehorcht, der wird nicht nur am Tage gezwiebelt, sondern auch
Nachts. Mitten im süßesten Traume fühlt sich der Betreffende
grausam in die Wirklichkeit zurückgeführt, indem plötzlich das
Tau am untern Ende der Hängematte vom Haken losläßt und

Werner
Polizei und uns als Entführer ſeiner Tochter arretiren laſſen.
Erſt als ſein Blick auf unſere mit zolldickem getrocknetem Schlick
bedeckten Beinkleider fiel, glaubte er uns, und als ich ihm dann
erzählte, daß Meyer die ganze Nacht mit gezogenem Säbel
über ſeiner Tochter gewacht und Meyer ſelbſt mit Pathos ſprach:
„Herr Iverſen, Ihre Tochter war Ehrenmännern anvertraut,
rein wie ein Engel iſt ſie zurückgekommen,“ obwol wir ſelbſt ſo
teufelmäßig ſchmutzig ausſahen, da wurde der Alte ganz gerührt
und ließ ſofort den Frühſtückstiſch zutakeln, um uns mit einem
guten Beefſteak und Glühwein zu ſtärken und zu wärmen. Als
wir an Bord zurückkehrten, gab es ja, wie Ihr wißt, vierund-
zwanzig Stunden „Kabelgat“, weil wir die Bootsgäſte an Land
gelaſſen und dieſe ſich in der Nacht umhergetrieben hatten; aber
mir war es ſchon recht, ich konnte gründlich ausſchlafen, da der
alte Fölſch mir heimlich eine Matratze beſorgte, und ich glaube,
Meyer war trotz ſeiner zarten Gefühle für Hannchen auch zu-
frieden, nicht noch eine Nacht Engel Gabriel auf der Boots-
ducht ſpielen zu müſſen.“

„Gut geſprochen, Roſenſtock!“ ſagt Fahrenholz unter dem
Gelächter der Uebrigen, „die Sache iſt werth, durch meinen
Griffel verewigt zu werden und es ſoll demnächſt geſchehen.
Bis dahin nehme ich aber Meyer unter meinen ſpeciellen Schutz.
Roſenſtock hat ihm verſprochen, über die Sache zu ſchweigen
und nur auf meinen Befehl darüber Rapport abgeſtattet. Bis auf
Weiteres habt Ihr deshalb nichts davon zu wiſſen und ich bitte
mir aus, daß Ihr meinen Befehl reſpectirt. Wer Meyer mit
der Geſchichte neckt, hat es mit mir zu thun — verſtanden?“

Die Junker erinnern ſich, wie Fahrenholz Ungehorſam
gegen ſeine Befehle ſtraft und nicken zuſtimmend. Wer nicht
gehorcht, der wird nicht nur am Tage gezwiebelt, ſondern auch
Nachts. Mitten im ſüßeſten Traume fühlt ſich der Betreffende
grauſam in die Wirklichkeit zurückgeführt, indem plötzlich das
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[298/0310] Werner Polizei und uns als Entführer ſeiner Tochter arretiren laſſen. Erſt als ſein Blick auf unſere mit zolldickem getrocknetem Schlick bedeckten Beinkleider fiel, glaubte er uns, und als ich ihm dann erzählte, daß Meyer die ganze Nacht mit gezogenem Säbel über ſeiner Tochter gewacht und Meyer ſelbſt mit Pathos ſprach: „Herr Iverſen, Ihre Tochter war Ehrenmännern anvertraut, rein wie ein Engel iſt ſie zurückgekommen,“ obwol wir ſelbſt ſo teufelmäßig ſchmutzig ausſahen, da wurde der Alte ganz gerührt und ließ ſofort den Frühſtückstiſch zutakeln, um uns mit einem guten Beefſteak und Glühwein zu ſtärken und zu wärmen. Als wir an Bord zurückkehrten, gab es ja, wie Ihr wißt, vierund- zwanzig Stunden „Kabelgat“, weil wir die Bootsgäſte an Land gelaſſen und dieſe ſich in der Nacht umhergetrieben hatten; aber mir war es ſchon recht, ich konnte gründlich ausſchlafen, da der alte Fölſch mir heimlich eine Matratze beſorgte, und ich glaube, Meyer war trotz ſeiner zarten Gefühle für Hannchen auch zu- frieden, nicht noch eine Nacht Engel Gabriel auf der Boots- ducht ſpielen zu müſſen.“ „Gut geſprochen, Roſenſtock!“ ſagt Fahrenholz unter dem Gelächter der Uebrigen, „die Sache iſt werth, durch meinen Griffel verewigt zu werden und es ſoll demnächſt geſchehen. Bis dahin nehme ich aber Meyer unter meinen ſpeciellen Schutz. Roſenſtock hat ihm verſprochen, über die Sache zu ſchweigen und nur auf meinen Befehl darüber Rapport abgeſtattet. Bis auf Weiteres habt Ihr deshalb nichts davon zu wiſſen und ich bitte mir aus, daß Ihr meinen Befehl reſpectirt. Wer Meyer mit der Geſchichte neckt, hat es mit mir zu thun — verſtanden?“ Die Junker erinnern ſich, wie Fahrenholz Ungehorſam gegen ſeine Befehle ſtraft und nicken zuſtimmend. Wer nicht gehorcht, der wird nicht nur am Tage gezwiebelt, ſondern auch Nachts. Mitten im ſüßeſten Traume fühlt ſich der Betreffende grauſam in die Wirklichkeit zurückgeführt, indem plötzlich das Tau am untern Ende der Hängematte vom Haken losläßt und

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Zitationshilfe: Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880, S. 298. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/werner_seeleben_1880/310>, abgerufen am 22.11.2024.