"Elisabeth" und "Albatroß" bestanden die Schlechtwetter- Probe ebenfalls auf das Beste. Mit ersterer fanden wir uns acht Tage später mitten auf dem großen Ocean wieder zu- sammen, letzterer, der nach dem Sturme nicht, wie wir, allein gesegelt, sondern auch gedampft hatte, war einen Tag vor uns in Madeira eingetroffen.
Was für ein herrliches Stück Erde hat doch der liebe Gott in Madeira geschaffen! Wie eine kostbare Perle schwimmt die Insel auf den Fluthen des Meeres, dessen tiefes Blau mit dem Azur des Himmels wetteifert, der sich sonnig und heiter über ihm wölbt. Auf der Grenze der gemäßigten und heißen Zone gelegen, ist Madeira mit dem schönsten gleichmäßigen Klima gesegnet. Weder Eis und Schnee, noch sengende Gluth der Tropensonne sind seinen Bewohnern bekannt, und neben der Weinrebe gedeiht in üppiger Fülle die Palme, die Banane, der Mais und das Zuckerrohr. Ein kostbarer Blumenflor ziert Gärten und Feld, ein ewiger Frühling lacht und ein zufriedenes arbeitsames Volk genießt den Segen, den der Schöpfer mit vollen Händen gespendet. Aus allen Ländern kommen Kranke, um in der milden Luft für die wunde Brust Heilung zu suchen und gar viele, die am Rande des Grabes standen, sind dem Leben und ihrer Familie wiedergegeben worden.
Drei Tage weilten wir an dem paradiesischen Orte und genossen in vollen Zügen seine Schönheiten, die ein Ritt nach dem Rio-Frio vor unseren Blicken in vollster Pracht entrollte. Es ist das ein Sturzbach, der vom höchsten Gipfel der Insel, dem Pico-Ruivo, herabkommend, bald in rauschenden schäumen- den Caskaden über wilde zerrissene Felsen stürzt, bald im ebenen Thalbett leise murmelnd und friedlich dahinfließt.
Ueber 4000 Fuß hoch hat man zu steigen, zuerst durch dichte Waldungen von Edeltannen und Lorbeerbäumen, dann geht es durch baumartige Ericeen, bis auch sie verschwinden und nur Heidelbeersträucher an ihre Stelle treten. Der Weg schmiegt
Werner
„Eliſabeth“ und „Albatroß“ beſtanden die Schlechtwetter- Probe ebenfalls auf das Beſte. Mit erſterer fanden wir uns acht Tage ſpäter mitten auf dem großen Ocean wieder zu- ſammen, letzterer, der nach dem Sturme nicht, wie wir, allein geſegelt, ſondern auch gedampft hatte, war einen Tag vor uns in Madeira eingetroffen.
Was für ein herrliches Stück Erde hat doch der liebe Gott in Madeira geſchaffen! Wie eine koſtbare Perle ſchwimmt die Inſel auf den Fluthen des Meeres, deſſen tiefes Blau mit dem Azur des Himmels wetteifert, der ſich ſonnig und heiter über ihm wölbt. Auf der Grenze der gemäßigten und heißen Zone gelegen, iſt Madeira mit dem ſchönſten gleichmäßigen Klima geſegnet. Weder Eis und Schnee, noch ſengende Gluth der Tropenſonne ſind ſeinen Bewohnern bekannt, und neben der Weinrebe gedeiht in üppiger Fülle die Palme, die Banane, der Mais und das Zuckerrohr. Ein koſtbarer Blumenflor ziert Gärten und Feld, ein ewiger Frühling lacht und ein zufriedenes arbeitſames Volk genießt den Segen, den der Schöpfer mit vollen Händen geſpendet. Aus allen Ländern kommen Kranke, um in der milden Luft für die wunde Bruſt Heilung zu ſuchen und gar viele, die am Rande des Grabes ſtanden, ſind dem Leben und ihrer Familie wiedergegeben worden.
Drei Tage weilten wir an dem paradieſiſchen Orte und genoſſen in vollen Zügen ſeine Schönheiten, die ein Ritt nach dem Rio-Frio vor unſeren Blicken in vollſter Pracht entrollte. Es iſt das ein Sturzbach, der vom höchſten Gipfel der Inſel, dem Pico-Ruivo, herabkommend, bald in rauſchenden ſchäumen- den Caskaden über wilde zerriſſene Felſen ſtürzt, bald im ebenen Thalbett leiſe murmelnd und friedlich dahinfließt.
Ueber 4000 Fuß hoch hat man zu ſteigen, zuerſt durch dichte Waldungen von Edeltannen und Lorbeerbäumen, dann geht es durch baumartige Ericeen, bis auch ſie verſchwinden und nur Heidelbeerſträucher an ihre Stelle treten. Der Weg ſchmiegt
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Werner
„Eliſabeth“ und „Albatroß“ beſtanden die Schlechtwetter-
Probe ebenfalls auf das Beſte. Mit erſterer fanden wir uns
acht Tage ſpäter mitten auf dem großen Ocean wieder zu-
ſammen, letzterer, der nach dem Sturme nicht, wie wir, allein
geſegelt, ſondern auch gedampft hatte, war einen Tag vor uns
in Madeira eingetroffen.
Was für ein herrliches Stück Erde hat doch der liebe Gott
in Madeira geſchaffen! Wie eine koſtbare Perle ſchwimmt die
Inſel auf den Fluthen des Meeres, deſſen tiefes Blau mit dem
Azur des Himmels wetteifert, der ſich ſonnig und heiter über ihm
wölbt. Auf der Grenze der gemäßigten und heißen Zone gelegen,
iſt Madeira mit dem ſchönſten gleichmäßigen Klima geſegnet.
Weder Eis und Schnee, noch ſengende Gluth der Tropenſonne
ſind ſeinen Bewohnern bekannt, und neben der Weinrebe gedeiht
in üppiger Fülle die Palme, die Banane, der Mais und das
Zuckerrohr. Ein koſtbarer Blumenflor ziert Gärten und Feld,
ein ewiger Frühling lacht und ein zufriedenes arbeitſames
Volk genießt den Segen, den der Schöpfer mit vollen
Händen geſpendet. Aus allen Ländern kommen Kranke, um in
der milden Luft für die wunde Bruſt Heilung zu ſuchen und
gar viele, die am Rande des Grabes ſtanden, ſind dem Leben
und ihrer Familie wiedergegeben worden.
Drei Tage weilten wir an dem paradieſiſchen Orte und
genoſſen in vollen Zügen ſeine Schönheiten, die ein Ritt nach
dem Rio-Frio vor unſeren Blicken in vollſter Pracht entrollte.
Es iſt das ein Sturzbach, der vom höchſten Gipfel der Inſel,
dem Pico-Ruivo, herabkommend, bald in rauſchenden ſchäumen-
den Caskaden über wilde zerriſſene Felſen ſtürzt, bald im ebenen
Thalbett leiſe murmelnd und friedlich dahinfließt.
Ueber 4000 Fuß hoch hat man zu ſteigen, zuerſt durch
dichte Waldungen von Edeltannen und Lorbeerbäumen, dann
geht es durch baumartige Ericeen, bis auch ſie verſchwinden und
nur Heidelbeerſträucher an ihre Stelle treten. Der Weg ſchmiegt
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Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880, S. 312. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/werner_seeleben_1880/324>, abgerufen am 22.11.2024.
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