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Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880.

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Nach Westindien und dem Mittelmeer
den kleinen runden Kieseln, mit denen der Weg gepflastert war.
Anfänglich standen uns bei der wilden Jagd die Haare zu
Berge, aber bald gefiel uns die originelle Fahrt so, daß es nicht
schnell genug gehen konnte. In fünfzehn Minuten waren wir
unten und hatten in der Zeit vier deutsche Meilen zurückgelegt.

Für die deutschen Seeofficiere hat Madeira fast etwas
heimisches; keines unserer Schiffe, das auf längere Expeditionen
ausgeht, läßt es unbesucht und manche der Herren sind schon
sechs bis acht Mal dort gewesen. Sie begrüßen deshalb die
liebliche Insel wie eine alte Bekannte, und es ist nicht nur ihre
prachtvolle Natur mit allen tropischen Schönheiten, ohne deren
unangenehme Zugaben, die sie stets von neuem anzieht und
fesselt, sondern es hat sich auch im Laufe der Zeit zwischen
ihnen und den Bewohnern ein freundschaftliches Band geknüpft,
das nicht wenig dazu beiträgt, den Aufenthalt zu verschönern
und mit besonderen Reizen zu schmücken. Die herzliche und
liebenswürdige Gastfreundschaft der ansässigen Deutschen steht
dabei in erster Reihe, doch auch die Madeirenser selbst erweisen
sich außergewöhnlich entgegenkommend. Der meistens nur kurz
bemessene Aufenthalt schwindet deshalb stets zu schnell und gar
oft werden an Bord und an Land Gründe und Vorwände ge-
sucht und erfunden, um das Bleiben zu verlängern. Leider
werden dieselben von den maßgebenden Persönlichkeiten selten
als stichhaltig anerkannt und meines Wissens ist es vor längeren
Jahren nur einmal gelungen, einen Commandanten dazu zu
bewegen.

Der Cadett Vogel, der listige, brachte das Kunststück zu
Wege und zwar mit Hülfe von Fräulein Rosa. Welcher
Marineofficier kennt nicht Rosa, die privilegirte Wäscherin
sämmtlicher Kriegsschiffe, welche Madeira berühren -- Rosa, die
dreimal verheirathet war, eine Schaar Enkel besitzt und trotzdem
stets "Fräulein" betitelt wird, wie vor vierzig Jahren, als die
aufblühende Jungfrau ihre Carriere begann und für die Cadetten

Nach Weſtindien und dem Mittelmeer
den kleinen runden Kieſeln, mit denen der Weg gepflaſtert war.
Anfänglich ſtanden uns bei der wilden Jagd die Haare zu
Berge, aber bald gefiel uns die originelle Fahrt ſo, daß es nicht
ſchnell genug gehen konnte. In fünfzehn Minuten waren wir
unten und hatten in der Zeit vier deutſche Meilen zurückgelegt.

Für die deutſchen Seeofficiere hat Madeira faſt etwas
heimiſches; keines unſerer Schiffe, das auf längere Expeditionen
ausgeht, läßt es unbeſucht und manche der Herren ſind ſchon
ſechs bis acht Mal dort geweſen. Sie begrüßen deshalb die
liebliche Inſel wie eine alte Bekannte, und es iſt nicht nur ihre
prachtvolle Natur mit allen tropiſchen Schönheiten, ohne deren
unangenehme Zugaben, die ſie ſtets von neuem anzieht und
feſſelt, ſondern es hat ſich auch im Laufe der Zeit zwiſchen
ihnen und den Bewohnern ein freundſchaftliches Band geknüpft,
das nicht wenig dazu beiträgt, den Aufenthalt zu verſchönern
und mit beſonderen Reizen zu ſchmücken. Die herzliche und
liebenswürdige Gaſtfreundſchaft der anſäſſigen Deutſchen ſteht
dabei in erſter Reihe, doch auch die Madeirenſer ſelbſt erweiſen
ſich außergewöhnlich entgegenkommend. Der meiſtens nur kurz
bemeſſene Aufenthalt ſchwindet deshalb ſtets zu ſchnell und gar
oft werden an Bord und an Land Gründe und Vorwände ge-
ſucht und erfunden, um das Bleiben zu verlängern. Leider
werden dieſelben von den maßgebenden Perſönlichkeiten ſelten
als ſtichhaltig anerkannt und meines Wiſſens iſt es vor längeren
Jahren nur einmal gelungen, einen Commandanten dazu zu
bewegen.

Der Cadett Vogel, der liſtige, brachte das Kunſtſtück zu
Wege und zwar mit Hülfe von Fräulein Roſa. Welcher
Marineofficier kennt nicht Roſa, die privilegirte Wäſcherin
ſämmtlicher Kriegsſchiffe, welche Madeira berühren — Roſa, die
dreimal verheirathet war, eine Schaar Enkel beſitzt und trotzdem
ſtets „Fräulein“ betitelt wird, wie vor vierzig Jahren, als die
aufblühende Jungfrau ihre Carriere begann und für die Cadetten

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[315/0327] Nach Weſtindien und dem Mittelmeer den kleinen runden Kieſeln, mit denen der Weg gepflaſtert war. Anfänglich ſtanden uns bei der wilden Jagd die Haare zu Berge, aber bald gefiel uns die originelle Fahrt ſo, daß es nicht ſchnell genug gehen konnte. In fünfzehn Minuten waren wir unten und hatten in der Zeit vier deutſche Meilen zurückgelegt. Für die deutſchen Seeofficiere hat Madeira faſt etwas heimiſches; keines unſerer Schiffe, das auf längere Expeditionen ausgeht, läßt es unbeſucht und manche der Herren ſind ſchon ſechs bis acht Mal dort geweſen. Sie begrüßen deshalb die liebliche Inſel wie eine alte Bekannte, und es iſt nicht nur ihre prachtvolle Natur mit allen tropiſchen Schönheiten, ohne deren unangenehme Zugaben, die ſie ſtets von neuem anzieht und feſſelt, ſondern es hat ſich auch im Laufe der Zeit zwiſchen ihnen und den Bewohnern ein freundſchaftliches Band geknüpft, das nicht wenig dazu beiträgt, den Aufenthalt zu verſchönern und mit beſonderen Reizen zu ſchmücken. Die herzliche und liebenswürdige Gaſtfreundſchaft der anſäſſigen Deutſchen ſteht dabei in erſter Reihe, doch auch die Madeirenſer ſelbſt erweiſen ſich außergewöhnlich entgegenkommend. Der meiſtens nur kurz bemeſſene Aufenthalt ſchwindet deshalb ſtets zu ſchnell und gar oft werden an Bord und an Land Gründe und Vorwände ge- ſucht und erfunden, um das Bleiben zu verlängern. Leider werden dieſelben von den maßgebenden Perſönlichkeiten ſelten als ſtichhaltig anerkannt und meines Wiſſens iſt es vor längeren Jahren nur einmal gelungen, einen Commandanten dazu zu bewegen. Der Cadett Vogel, der liſtige, brachte das Kunſtſtück zu Wege und zwar mit Hülfe von Fräulein Roſa. Welcher Marineofficier kennt nicht Roſa, die privilegirte Wäſcherin ſämmtlicher Kriegsſchiffe, welche Madeira berühren — Roſa, die dreimal verheirathet war, eine Schaar Enkel beſitzt und trotzdem ſtets „Fräulein“ betitelt wird, wie vor vierzig Jahren, als die aufblühende Jungfrau ihre Carriere begann und für die Cadetten

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Zitationshilfe: Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880, S. 315. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/werner_seeleben_1880/327>, abgerufen am 22.11.2024.