Die Betheiligung an der Tour war eine sehr rege und nicht weniger als fünf Wagen mit zwanzig Personen, sowie verschiedene Reiter bildeten eine stattliche Cavalcade. Leider war der Beginn nicht sehr günstig. Um der Sonnenhitze zu entgehen, sollte schon um fünf Uhr Morgens aufgebrochen werden; wir waren auch zeitig genug zur Stelle, aber bei der herrschenden Dunkelheit war die Landung sehr schwierig, und wenn wir auch selbst trocken an Land kamen, schlug unmittelbar nach unserem Aussteigen die See die Boote voll und unsere Bagage wurde gründlich eingeweicht, was für Epauletten, Hüte u. s. w. sich nicht sehr vortheilhaft erwies. Sodann waren wir zwar reisefertig, aber die Herren Kutscher nicht. Sie ließen uns ohne irgend welche Entschuldigung oder auch nur Bemer- kung 1 1/2 Stunden warten, und so kamen wir erst lange nach Sonnenaufgang fort. Wir hatten eben mit Republikanern zu thun. Der Weg führte zunächst längs der Küste und durch die Vorstadt Maiquetia, wo die Fremden ihre Wohnhäuser haben, während sich die Geschäftslocale in der Stadt befinden. Mai- quetia ist zwar auch ein höchst unschöner, langweiliger Ort mit schrecklichem Straßenpflaster, auf dem man sich Hals und Beine brechen kann, aber es bietet den dort Wohnenden wenigstens Schatten und die Häuser liegen hinter Palmen, Bananen und anderen üppig belaubten Tropenbäumen versteckt.
Nach etwa einer Meile geht es dann aufwärts in das Gebirge. Die Tour hatte große Aehnlichkeit mit unserem Ritt auf Madeira. Hier wie dort stiegen wir allmälig zu der- selben Höhe empor, hier wie dort beschlich uns zuerst ein ängst- liches unbehagliches Gefühl, wenn sich zu unserer Seite jähe Abgründe von immer wachsender Tiefe öffneten. Allmälig ließen wir die mächtigen Baumgruppen der Ebene hinter uns, Aloe, Cactus und niedriges Gestrüpp bildete die Bewaldung der Höhen und nur ab und zu erhob sich aus letzterem die seltsame Gestalt eines Indio nudo -- eines nackten Indianers, wie die
Nach Weſtindien und dem Mittelmeer
Die Betheiligung an der Tour war eine ſehr rege und nicht weniger als fünf Wagen mit zwanzig Perſonen, ſowie verſchiedene Reiter bildeten eine ſtattliche Cavalcade. Leider war der Beginn nicht ſehr günſtig. Um der Sonnenhitze zu entgehen, ſollte ſchon um fünf Uhr Morgens aufgebrochen werden; wir waren auch zeitig genug zur Stelle, aber bei der herrſchenden Dunkelheit war die Landung ſehr ſchwierig, und wenn wir auch ſelbſt trocken an Land kamen, ſchlug unmittelbar nach unſerem Ausſteigen die See die Boote voll und unſere Bagage wurde gründlich eingeweicht, was für Epauletten, Hüte u. ſ. w. ſich nicht ſehr vortheilhaft erwies. Sodann waren wir zwar reiſefertig, aber die Herren Kutſcher nicht. Sie ließen uns ohne irgend welche Entſchuldigung oder auch nur Bemer- kung 1 ½ Stunden warten, und ſo kamen wir erſt lange nach Sonnenaufgang fort. Wir hatten eben mit Republikanern zu thun. Der Weg führte zunächſt längs der Küſte und durch die Vorſtadt Maiquetia, wo die Fremden ihre Wohnhäuſer haben, während ſich die Geſchäftslocale in der Stadt befinden. Mai- quetia iſt zwar auch ein höchſt unſchöner, langweiliger Ort mit ſchrecklichem Straßenpflaſter, auf dem man ſich Hals und Beine brechen kann, aber es bietet den dort Wohnenden wenigſtens Schatten und die Häuſer liegen hinter Palmen, Bananen und anderen üppig belaubten Tropenbäumen verſteckt.
Nach etwa einer Meile geht es dann aufwärts in das Gebirge. Die Tour hatte große Aehnlichkeit mit unſerem Ritt auf Madeira. Hier wie dort ſtiegen wir allmälig zu der- ſelben Höhe empor, hier wie dort beſchlich uns zuerſt ein ängſt- liches unbehagliches Gefühl, wenn ſich zu unſerer Seite jähe Abgründe von immer wachſender Tiefe öffneten. Allmälig ließen wir die mächtigen Baumgruppen der Ebene hinter uns, Aloe, Cactus und niedriges Geſtrüpp bildete die Bewaldung der Höhen und nur ab und zu erhob ſich aus letzterem die ſeltſame Geſtalt eines Indio nudo — eines nackten Indianers, wie die
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Nach Weſtindien und dem Mittelmeer
Die Betheiligung an der Tour war eine ſehr rege und
nicht weniger als fünf Wagen mit zwanzig Perſonen, ſowie
verſchiedene Reiter bildeten eine ſtattliche Cavalcade. Leider
war der Beginn nicht ſehr günſtig. Um der Sonnenhitze zu
entgehen, ſollte ſchon um fünf Uhr Morgens aufgebrochen
werden; wir waren auch zeitig genug zur Stelle, aber bei der
herrſchenden Dunkelheit war die Landung ſehr ſchwierig, und
wenn wir auch ſelbſt trocken an Land kamen, ſchlug unmittelbar
nach unſerem Ausſteigen die See die Boote voll und unſere
Bagage wurde gründlich eingeweicht, was für Epauletten,
Hüte u. ſ. w. ſich nicht ſehr vortheilhaft erwies. Sodann waren
wir zwar reiſefertig, aber die Herren Kutſcher nicht. Sie ließen
uns ohne irgend welche Entſchuldigung oder auch nur Bemer-
kung 1 ½ Stunden warten, und ſo kamen wir erſt lange nach
Sonnenaufgang fort. Wir hatten eben mit Republikanern zu
thun. Der Weg führte zunächſt längs der Küſte und durch die
Vorſtadt Maiquetia, wo die Fremden ihre Wohnhäuſer haben,
während ſich die Geſchäftslocale in der Stadt befinden. Mai-
quetia iſt zwar auch ein höchſt unſchöner, langweiliger Ort mit
ſchrecklichem Straßenpflaſter, auf dem man ſich Hals und Beine
brechen kann, aber es bietet den dort Wohnenden wenigſtens
Schatten und die Häuſer liegen hinter Palmen, Bananen und
anderen üppig belaubten Tropenbäumen verſteckt.
Nach etwa einer Meile geht es dann aufwärts in das
Gebirge. Die Tour hatte große Aehnlichkeit mit unſerem
Ritt auf Madeira. Hier wie dort ſtiegen wir allmälig zu der-
ſelben Höhe empor, hier wie dort beſchlich uns zuerſt ein ängſt-
liches unbehagliches Gefühl, wenn ſich zu unſerer Seite jähe
Abgründe von immer wachſender Tiefe öffneten. Allmälig ließen
wir die mächtigen Baumgruppen der Ebene hinter uns, Aloe,
Cactus und niedriges Geſtrüpp bildete die Bewaldung der
Höhen und nur ab und zu erhob ſich aus letzterem die ſeltſame
Geſtalt eines Indio nudo — eines nackten Indianers, wie die
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Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880, S. 329. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/werner_seeleben_1880/341>, abgerufen am 22.11.2024.
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