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Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880.

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Werner
zweiten Male den Präsidentenstuhl zu besteigen oder vielmehr,
er rief sich selbst zurück, da er den Augenblick für geeignet hielt.

Es ist kaum zu bezweifeln, daß er diesmal nicht wieder
freiwillig zurücktreten wird, und dem Lande kann man es nur
wünschen. Wir dürfen zwar an ihn nicht den Maßstab legen,
wie wir es bei Regenten civilisirter Länder zu thun gewohnt
sind und er würde bei uns kaum acht Tage auf seinem Posten
bleiben, allein dort ist er -- wenigstens bis auf weiteres -- der
rechte Mann am rechten Orte. Er ist ein Despot vom reinsten
Wasser, mit nach unseren Begriffen eigenthümlichen Grundsätzen
über die Verwendung der Einkünfte, aber das Land fährt besser da-
bei, als bei irgend einem seiner Vorgänger und hebt sich. Bei den
unerschöpflichen Hülfsquellen, die es besitzt, bedarf es nur Frieden,
um dieselben auszubeuten, und diesen Frieden weiß Guzman zu
erzwingen und die verkommenen, unruhigen Elemente niederzuhalten.

Nach den Landesgesetzen herrscht vollständige Preßfrei-
heit, aber nur so weit Guzman es für gut hält. Er selbst
schreibt Zeitungsartikel über seine Person, nennt sich darin
den berühmtesten Mann des Jahrhunderts, dem Napoleon
der Erste, Kaiser Wilhelm, Bismarck und Moltke nicht das
Wasser reichen (wörtlich!) -- wenn aber ein Anderer eine
seiner Maßnahmen in der Presse kritisiren wollte, so wäre er
verloren. Ein Deutscher, der sonst mit dem Präsidenten auf
sehr gutem Fuße stand, beabsichtigte vor kurzem irgend einen
Uebelstand öffentlich zur Sprache zu bringen und schickte zu diesem
Zwecke einen Artikel an die erste Zeitung von Caracas. Der-
selbe wurde nicht gedruckt, aber Guzman ließ dem Verfasser be-
deuten, ihn überhaupt nicht zu veröffentlichen, weil er sonst ge-
zwungen sei, ihm die Freundschaft zu kündigen und ihn einzustecken.
Im Uebrigen ist er jedoch für Deutschland sehr eingenommen
und die Deutschen haben in Venezuela jedenfalls mehr Einfluß,
als die Angehörigen irgend einer anderen Nation.

Wenn man auf das prachtvolle Land blickt mit seiner un-

Werner
zweiten Male den Präſidentenſtuhl zu beſteigen oder vielmehr,
er rief ſich ſelbſt zurück, da er den Augenblick für geeignet hielt.

Es iſt kaum zu bezweifeln, daß er diesmal nicht wieder
freiwillig zurücktreten wird, und dem Lande kann man es nur
wünſchen. Wir dürfen zwar an ihn nicht den Maßſtab legen,
wie wir es bei Regenten civiliſirter Länder zu thun gewohnt
ſind und er würde bei uns kaum acht Tage auf ſeinem Poſten
bleiben, allein dort iſt er — wenigſtens bis auf weiteres — der
rechte Mann am rechten Orte. Er iſt ein Deſpot vom reinſten
Waſſer, mit nach unſeren Begriffen eigenthümlichen Grundſätzen
über die Verwendung der Einkünfte, aber das Land fährt beſſer da-
bei, als bei irgend einem ſeiner Vorgänger und hebt ſich. Bei den
unerſchöpflichen Hülfsquellen, die es beſitzt, bedarf es nur Frieden,
um dieſelben auszubeuten, und dieſen Frieden weiß Guzman zu
erzwingen und die verkommenen, unruhigen Elemente niederzuhalten.

Nach den Landesgeſetzen herrſcht vollſtändige Preßfrei-
heit, aber nur ſo weit Guzman es für gut hält. Er ſelbſt
ſchreibt Zeitungsartikel über ſeine Perſon, nennt ſich darin
den berühmteſten Mann des Jahrhunderts, dem Napoleon
der Erſte, Kaiſer Wilhelm, Bismarck und Moltke nicht das
Waſſer reichen (wörtlich!) — wenn aber ein Anderer eine
ſeiner Maßnahmen in der Preſſe kritiſiren wollte, ſo wäre er
verloren. Ein Deutſcher, der ſonſt mit dem Präſidenten auf
ſehr gutem Fuße ſtand, beabſichtigte vor kurzem irgend einen
Uebelſtand öffentlich zur Sprache zu bringen und ſchickte zu dieſem
Zwecke einen Artikel an die erſte Zeitung von Caracas. Der-
ſelbe wurde nicht gedruckt, aber Guzman ließ dem Verfaſſer be-
deuten, ihn überhaupt nicht zu veröffentlichen, weil er ſonſt ge-
zwungen ſei, ihm die Freundſchaft zu kündigen und ihn einzuſtecken.
Im Uebrigen iſt er jedoch für Deutſchland ſehr eingenommen
und die Deutſchen haben in Venezuela jedenfalls mehr Einfluß,
als die Angehörigen irgend einer anderen Nation.

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[334/0346] Werner zweiten Male den Präſidentenſtuhl zu beſteigen oder vielmehr, er rief ſich ſelbſt zurück, da er den Augenblick für geeignet hielt. Es iſt kaum zu bezweifeln, daß er diesmal nicht wieder freiwillig zurücktreten wird, und dem Lande kann man es nur wünſchen. Wir dürfen zwar an ihn nicht den Maßſtab legen, wie wir es bei Regenten civiliſirter Länder zu thun gewohnt ſind und er würde bei uns kaum acht Tage auf ſeinem Poſten bleiben, allein dort iſt er — wenigſtens bis auf weiteres — der rechte Mann am rechten Orte. Er iſt ein Deſpot vom reinſten Waſſer, mit nach unſeren Begriffen eigenthümlichen Grundſätzen über die Verwendung der Einkünfte, aber das Land fährt beſſer da- bei, als bei irgend einem ſeiner Vorgänger und hebt ſich. Bei den unerſchöpflichen Hülfsquellen, die es beſitzt, bedarf es nur Frieden, um dieſelben auszubeuten, und dieſen Frieden weiß Guzman zu erzwingen und die verkommenen, unruhigen Elemente niederzuhalten. Nach den Landesgeſetzen herrſcht vollſtändige Preßfrei- heit, aber nur ſo weit Guzman es für gut hält. Er ſelbſt ſchreibt Zeitungsartikel über ſeine Perſon, nennt ſich darin den berühmteſten Mann des Jahrhunderts, dem Napoleon der Erſte, Kaiſer Wilhelm, Bismarck und Moltke nicht das Waſſer reichen (wörtlich!) — wenn aber ein Anderer eine ſeiner Maßnahmen in der Preſſe kritiſiren wollte, ſo wäre er verloren. Ein Deutſcher, der ſonſt mit dem Präſidenten auf ſehr gutem Fuße ſtand, beabſichtigte vor kurzem irgend einen Uebelſtand öffentlich zur Sprache zu bringen und ſchickte zu dieſem Zwecke einen Artikel an die erſte Zeitung von Caracas. Der- ſelbe wurde nicht gedruckt, aber Guzman ließ dem Verfaſſer be- deuten, ihn überhaupt nicht zu veröffentlichen, weil er ſonſt ge- zwungen ſei, ihm die Freundſchaft zu kündigen und ihn einzuſtecken. Im Uebrigen iſt er jedoch für Deutſchland ſehr eingenommen und die Deutſchen haben in Venezuela jedenfalls mehr Einfluß, als die Angehörigen irgend einer anderen Nation. Wenn man auf das prachtvolle Land blickt mit ſeiner un-

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Zitationshilfe: Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880, S. 334. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/werner_seeleben_1880/346>, abgerufen am 22.11.2024.