Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880.Werner Mahagoni und andere werthvolle Holzarten zu Gelde zu machen,weil mit einer solchen Industrie die wenigste Arbeit verknüpft ist. An Wiederpflanzen denkt natürlich Niemand und so geht die prachtvolle Insel langsam aber sicher der Verödung durch Sonnenbrand entgegen. Gedanken an die Zukunft hat der Neger nicht, er lebt nur der Gegenwart -- apres nous le deluge. Dagegen laufen Herzöge, Grafen und Fürsten mit goldstrotzenden Uniformen dutzendweise umher, wenn sie auch zerrissene Stiefel haben oder barfuß sind. Ich machte mit einigen Officieren in der Vorstadt von Seine Behausung war für einen General ziemlich beschei- Werner Mahagoni und andere werthvolle Holzarten zu Gelde zu machen,weil mit einer ſolchen Induſtrie die wenigſte Arbeit verknüpft iſt. An Wiederpflanzen denkt natürlich Niemand und ſo geht die prachtvolle Inſel langſam aber ſicher der Verödung durch Sonnenbrand entgegen. Gedanken an die Zukunft hat der Neger nicht, er lebt nur der Gegenwart — après nous le déluge. Dagegen laufen Herzöge, Grafen und Fürſten mit goldſtrotzenden Uniformen dutzendweiſe umher, wenn ſie auch zerriſſene Stiefel haben oder barfuß ſind. Ich machte mit einigen Officieren in der Vorſtadt von Seine Behauſung war für einen General ziemlich beſchei- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0366" n="354"/><fw place="top" type="header">Werner</fw><lb/> Mahagoni und andere werthvolle Holzarten zu Gelde zu machen,<lb/> weil mit einer ſolchen Induſtrie die wenigſte Arbeit verknüpft<lb/> iſt. An Wiederpflanzen denkt natürlich Niemand und ſo geht<lb/> die prachtvolle Inſel langſam aber ſicher der Verödung durch<lb/> Sonnenbrand entgegen. Gedanken an die Zukunft hat der<lb/> Neger nicht, er lebt nur der Gegenwart — <hi rendition="#aq">après nous le<lb/> déluge.</hi> Dagegen laufen Herzöge, Grafen und Fürſten mit<lb/> goldſtrotzenden Uniformen dutzendweiſe umher, wenn ſie auch<lb/> zerriſſene Stiefel haben oder barfuß ſind.</p><lb/> <p>Ich machte mit einigen Officieren in der Vorſtadt von<lb/> Port au Prince, dort wo das Flüßchen mündet, aus dem wir<lb/> Waſſer holten, einen Spaziergang. Das Ufer war ſo flach,<lb/> daß wir mit dem eigenen Boote nicht landen konnten und wir<lb/> riefen deshalb einen Neger an, der mit einer Stange einen flach-<lb/> bodigen Kahn ſchob, um uns an das Ufer zu ſetzen. Er kam<lb/> auch ſofort unſerem Rufe nach und in der Meinung, er ſei ein<lb/> Bootsführer, machten wir wenig Umſtände mit ihm. Wie er-<lb/> ſtaunten wir jedoch, als er, nachdem er beim Landen einen<lb/> Vierteldollar für ſeine Bemühungen zurückgewieſen, ſich als<lb/> General z. D. Telletier vorſtellte und das mit einer Grandezza,<lb/> die uns imponirte, wenngleich ſeine Kleidung etwas defect, ſein<lb/> ſchwarzer Cylinderhut voller Beulen war und er keine Strümpfe<lb/> in den Schuhen trug. Nachdem auch wir uns ihm genannt,<lb/> lud er uns auf die verbindlichſte Weiſe ein, ihm die Ehre<lb/> unſeres Beſuchs zu ſchenken. Um unſeren unbewußten Mißgriff<lb/> gut zu machen, nahmen wir die Einladung an und folgten dem<lb/> neuen Gaſtfreunde. Er war ein junger Mann von dreißig<lb/> Jahren, für einen Neger von recht einnehmendem Aeußeren und<lb/> gutem Wuchs. Nur die wadenloſen Beine und die Plattfüße<lb/> ſtörten etwas.</p><lb/> <p>Seine Behauſung war für einen General ziemlich beſchei-<lb/> den und hatte etwas hüttenartiges. In den Zimmern drückten<lb/> die Decken den Kopf und das vordere, durch welches wir paſſir-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [354/0366]
Werner
Mahagoni und andere werthvolle Holzarten zu Gelde zu machen,
weil mit einer ſolchen Induſtrie die wenigſte Arbeit verknüpft
iſt. An Wiederpflanzen denkt natürlich Niemand und ſo geht
die prachtvolle Inſel langſam aber ſicher der Verödung durch
Sonnenbrand entgegen. Gedanken an die Zukunft hat der
Neger nicht, er lebt nur der Gegenwart — après nous le
déluge. Dagegen laufen Herzöge, Grafen und Fürſten mit
goldſtrotzenden Uniformen dutzendweiſe umher, wenn ſie auch
zerriſſene Stiefel haben oder barfuß ſind.
Ich machte mit einigen Officieren in der Vorſtadt von
Port au Prince, dort wo das Flüßchen mündet, aus dem wir
Waſſer holten, einen Spaziergang. Das Ufer war ſo flach,
daß wir mit dem eigenen Boote nicht landen konnten und wir
riefen deshalb einen Neger an, der mit einer Stange einen flach-
bodigen Kahn ſchob, um uns an das Ufer zu ſetzen. Er kam
auch ſofort unſerem Rufe nach und in der Meinung, er ſei ein
Bootsführer, machten wir wenig Umſtände mit ihm. Wie er-
ſtaunten wir jedoch, als er, nachdem er beim Landen einen
Vierteldollar für ſeine Bemühungen zurückgewieſen, ſich als
General z. D. Telletier vorſtellte und das mit einer Grandezza,
die uns imponirte, wenngleich ſeine Kleidung etwas defect, ſein
ſchwarzer Cylinderhut voller Beulen war und er keine Strümpfe
in den Schuhen trug. Nachdem auch wir uns ihm genannt,
lud er uns auf die verbindlichſte Weiſe ein, ihm die Ehre
unſeres Beſuchs zu ſchenken. Um unſeren unbewußten Mißgriff
gut zu machen, nahmen wir die Einladung an und folgten dem
neuen Gaſtfreunde. Er war ein junger Mann von dreißig
Jahren, für einen Neger von recht einnehmendem Aeußeren und
gutem Wuchs. Nur die wadenloſen Beine und die Plattfüße
ſtörten etwas.
Seine Behauſung war für einen General ziemlich beſchei-
den und hatte etwas hüttenartiges. In den Zimmern drückten
die Decken den Kopf und das vordere, durch welches wir paſſir-
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