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Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880.

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Nach Westindien und dem Mittelmeer
Antwort des Generals, und er nahm die 1 1/2 £ mit eleganter
Verbeugung entgegen. Wir waren unserer drei, hatten jeder ein
halbes Küken mit Bratkartoffeln, etwas Gemüse und ein Stück-
chen Käse nebst dem zweifelhaften Getränke gehabt. Dafür
waren drei Thaler pro Person immerhin ein ganz anständiger
Preis, aber die mehrstündige Unterhaltung mit zwei Generälen
und einem Oberrichter, der auch der Senatskammer angehörte,
hatte jedenfalls einen höheren Werth für uns gehabt. Sie be-
stätigte meine anderwärts und in den verschiedensten Ländern
gewonnenen Ansichten über die Civilisation der Neger und hatte
uns einen klaren Blick in die heillose Mißwirthschaft auf Hayti
thun lassen. Man kann darauf wetten, daß die Insel inner-
halb weniger Jahrzehnte irgend einen Protector gefunden haben
wird, der aller Wahrscheinlichkeit Nordamerika heißt. Schade,
daß Deutschland wieder leer dabei ausgehen wird.

Als wir gegen Abend an Bord zurückfuhren, herrschte
auf der ungefähr tausend Schritte von unseren Schiffen zu Anker
liegenden haytischen "Flotte" reges Leben. Wir sahen, daß
sämmtliche Kanonen auf dem Oberdeck der Corvetten nach hinten
zu zusammengefahren und auf den "Friedrich Karl" gerichtet
wurden. Man schien offenbar einen neuen Handstreich von
deutscher Seite zu fürchten und sich dagegen vorzubereiten. Wir
bedauerten, den Herren auf den Schiffen durch unsere An-
wesenheit eine schlaflose Nacht bereitet zu haben, ließen uns selbst
aber durch die auf uns gerichteten Geschütze in unserer Nacht-
ruhe nicht stören.

Am andern Tage verließen wir Port au Prince, um uns
in die nahe gelegene Samana Bay zu begeben und dort acht
Tage lang Uebungen in der Dampftaktik und mit Torpedos
vorzunehmen, wozu sich in dem ruhigen Wasser der geschützten
Bucht vortreffliche Gelegenheit bot, die auf der Weiterreise vor-
aussichtlich nicht wiederkehrte und deshalb ausgenutzt werden
mußte. Diese Taktik umfaßt die verschiedenen Evolutionen eines

Nach Weſtindien und dem Mittelmeer
Antwort des Generals, und er nahm die 1 ½ £ mit eleganter
Verbeugung entgegen. Wir waren unſerer drei, hatten jeder ein
halbes Küken mit Bratkartoffeln, etwas Gemüſe und ein Stück-
chen Käſe nebſt dem zweifelhaften Getränke gehabt. Dafür
waren drei Thaler pro Perſon immerhin ein ganz anſtändiger
Preis, aber die mehrſtündige Unterhaltung mit zwei Generälen
und einem Oberrichter, der auch der Senatskammer angehörte,
hatte jedenfalls einen höheren Werth für uns gehabt. Sie be-
ſtätigte meine anderwärts und in den verſchiedenſten Ländern
gewonnenen Anſichten über die Civiliſation der Neger und hatte
uns einen klaren Blick in die heilloſe Mißwirthſchaft auf Hayti
thun laſſen. Man kann darauf wetten, daß die Inſel inner-
halb weniger Jahrzehnte irgend einen Protector gefunden haben
wird, der aller Wahrſcheinlichkeit Nordamerika heißt. Schade,
daß Deutſchland wieder leer dabei ausgehen wird.

Als wir gegen Abend an Bord zurückfuhren, herrſchte
auf der ungefähr tauſend Schritte von unſeren Schiffen zu Anker
liegenden haytiſchen „Flotte“ reges Leben. Wir ſahen, daß
ſämmtliche Kanonen auf dem Oberdeck der Corvetten nach hinten
zu zuſammengefahren und auf den „Friedrich Karl“ gerichtet
wurden. Man ſchien offenbar einen neuen Handſtreich von
deutſcher Seite zu fürchten und ſich dagegen vorzubereiten. Wir
bedauerten, den Herren auf den Schiffen durch unſere An-
weſenheit eine ſchlafloſe Nacht bereitet zu haben, ließen uns ſelbſt
aber durch die auf uns gerichteten Geſchütze in unſerer Nacht-
ruhe nicht ſtören.

Am andern Tage verließen wir Port au Prince, um uns
in die nahe gelegene Samana Bay zu begeben und dort acht
Tage lang Uebungen in der Dampftaktik und mit Torpedos
vorzunehmen, wozu ſich in dem ruhigen Waſſer der geſchützten
Bucht vortreffliche Gelegenheit bot, die auf der Weiterreiſe vor-
ausſichtlich nicht wiederkehrte und deshalb ausgenutzt werden
mußte. Dieſe Taktik umfaßt die verſchiedenen Evolutionen eines

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[357/0369] Nach Weſtindien und dem Mittelmeer Antwort des Generals, und er nahm die 1 ½ £ mit eleganter Verbeugung entgegen. Wir waren unſerer drei, hatten jeder ein halbes Küken mit Bratkartoffeln, etwas Gemüſe und ein Stück- chen Käſe nebſt dem zweifelhaften Getränke gehabt. Dafür waren drei Thaler pro Perſon immerhin ein ganz anſtändiger Preis, aber die mehrſtündige Unterhaltung mit zwei Generälen und einem Oberrichter, der auch der Senatskammer angehörte, hatte jedenfalls einen höheren Werth für uns gehabt. Sie be- ſtätigte meine anderwärts und in den verſchiedenſten Ländern gewonnenen Anſichten über die Civiliſation der Neger und hatte uns einen klaren Blick in die heilloſe Mißwirthſchaft auf Hayti thun laſſen. Man kann darauf wetten, daß die Inſel inner- halb weniger Jahrzehnte irgend einen Protector gefunden haben wird, der aller Wahrſcheinlichkeit Nordamerika heißt. Schade, daß Deutſchland wieder leer dabei ausgehen wird. Als wir gegen Abend an Bord zurückfuhren, herrſchte auf der ungefähr tauſend Schritte von unſeren Schiffen zu Anker liegenden haytiſchen „Flotte“ reges Leben. Wir ſahen, daß ſämmtliche Kanonen auf dem Oberdeck der Corvetten nach hinten zu zuſammengefahren und auf den „Friedrich Karl“ gerichtet wurden. Man ſchien offenbar einen neuen Handſtreich von deutſcher Seite zu fürchten und ſich dagegen vorzubereiten. Wir bedauerten, den Herren auf den Schiffen durch unſere An- weſenheit eine ſchlafloſe Nacht bereitet zu haben, ließen uns ſelbſt aber durch die auf uns gerichteten Geſchütze in unſerer Nacht- ruhe nicht ſtören. Am andern Tage verließen wir Port au Prince, um uns in die nahe gelegene Samana Bay zu begeben und dort acht Tage lang Uebungen in der Dampftaktik und mit Torpedos vorzunehmen, wozu ſich in dem ruhigen Waſſer der geſchützten Bucht vortreffliche Gelegenheit bot, die auf der Weiterreiſe vor- ausſichtlich nicht wiederkehrte und deshalb ausgenutzt werden mußte. Dieſe Taktik umfaßt die verſchiedenen Evolutionen eines

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Zitationshilfe: Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880, S. 357. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/werner_seeleben_1880/369>, abgerufen am 25.11.2024.