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Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880.

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bratenen Hühner schmecken. Ein eigenartiges Getränk, ziemlich
trübe und von Geschmack wie säuerliche mit Rum versetzte Limo-
nade, wollte mir weniger zusagen und ich begnügte mich mit
Wasser. Bei einem Gange in den Garten, wo uns unser Gast-
freund seine Tafia-Destillationsanstalt zeigen wollte, in der er den
Schnaps für seinen Laden selbst fabricirte, hatte er uns durch die
Küche geführt. Dort hatte ich Madame beschäftigt gesehen, zwischen
ihren Händchen irgend etwas Undefinirbares in einem irdenen
Topf zu quetschen und da in demselben Topfe das zweifelhafte
Getränk servirt wurde, war mir der Appetit vergangen. Den
schwarzen Herren schien es jedoch sehr zu behagen und es machte
sie allmälig so aufgeräumt und zutraulich, daß uns ganz schwül
dabei zu Muthe wurde und wir es für angezeigt hielten, an
den Aufbruch zu denken.

Die dunkele Gesellschaft hatte uns jedoch so in ihr Herz
geschlossen, daß schwer fortzukommen war, und wir wurden auch
nicht eher losgelassen, bis in Ermangelung von Photographien
ein Austausch von Visitenkarten stattgefunden hatte, von ge-
druckten allerdings nur von unserer Seite. Für sich und seine
beiden Verwandten schnitt Herr Telletier die Karten erst aus
grauem Papier und schrieb dann mit einer gelblich braunen
Flüssigkeit die Namen darauf. Auf meine Frage nach der Natur
dieser Flüssigkeit, erklärte er mir, es sei die landesübliche Tinte
und sie werde aus Apfelsinen hergestellt, die an der Nordseite
der Gebirge wüchsen. Während die am Südabhange reifenden
ihre volle Süßigkeit hätten, seien jene so sauer, daß man ihren
Saft nur zur Bereitung von Tinte und Schuhwichse benutzen
könne.

Endlich rissen wir uns von der Gesellschaft los; jedoch war
uns die ganze Gastfreundschaft so eigenthümlich vorgekommen,
daß ich es beim Fortgange noch einmal riskirte, nach unserer
Schuld zu fragen. Diesmal erhielt ich keine Zurückweisung
wie bei dem Boote. "Sechs Dollars," lautete die prompte

Werner
bratenen Hühner ſchmecken. Ein eigenartiges Getränk, ziemlich
trübe und von Geſchmack wie ſäuerliche mit Rum verſetzte Limo-
nade, wollte mir weniger zuſagen und ich begnügte mich mit
Waſſer. Bei einem Gange in den Garten, wo uns unſer Gaſt-
freund ſeine Tafia-Deſtillationsanſtalt zeigen wollte, in der er den
Schnaps für ſeinen Laden ſelbſt fabricirte, hatte er uns durch die
Küche geführt. Dort hatte ich Madame beſchäftigt geſehen, zwiſchen
ihren Händchen irgend etwas Undefinirbares in einem irdenen
Topf zu quetſchen und da in demſelben Topfe das zweifelhafte
Getränk ſervirt wurde, war mir der Appetit vergangen. Den
ſchwarzen Herren ſchien es jedoch ſehr zu behagen und es machte
ſie allmälig ſo aufgeräumt und zutraulich, daß uns ganz ſchwül
dabei zu Muthe wurde und wir es für angezeigt hielten, an
den Aufbruch zu denken.

Die dunkele Geſellſchaft hatte uns jedoch ſo in ihr Herz
geſchloſſen, daß ſchwer fortzukommen war, und wir wurden auch
nicht eher losgelaſſen, bis in Ermangelung von Photographien
ein Austauſch von Viſitenkarten ſtattgefunden hatte, von ge-
druckten allerdings nur von unſerer Seite. Für ſich und ſeine
beiden Verwandten ſchnitt Herr Telletier die Karten erſt aus
grauem Papier und ſchrieb dann mit einer gelblich braunen
Flüſſigkeit die Namen darauf. Auf meine Frage nach der Natur
dieſer Flüſſigkeit, erklärte er mir, es ſei die landesübliche Tinte
und ſie werde aus Apfelſinen hergeſtellt, die an der Nordſeite
der Gebirge wüchſen. Während die am Südabhange reifenden
ihre volle Süßigkeit hätten, ſeien jene ſo ſauer, daß man ihren
Saft nur zur Bereitung von Tinte und Schuhwichſe benutzen
könne.

Endlich riſſen wir uns von der Geſellſchaft los; jedoch war
uns die ganze Gaſtfreundſchaft ſo eigenthümlich vorgekommen,
daß ich es beim Fortgange noch einmal riskirte, nach unſerer
Schuld zu fragen. Diesmal erhielt ich keine Zurückweiſung
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[356/0368] Werner bratenen Hühner ſchmecken. Ein eigenartiges Getränk, ziemlich trübe und von Geſchmack wie ſäuerliche mit Rum verſetzte Limo- nade, wollte mir weniger zuſagen und ich begnügte mich mit Waſſer. Bei einem Gange in den Garten, wo uns unſer Gaſt- freund ſeine Tafia-Deſtillationsanſtalt zeigen wollte, in der er den Schnaps für ſeinen Laden ſelbſt fabricirte, hatte er uns durch die Küche geführt. Dort hatte ich Madame beſchäftigt geſehen, zwiſchen ihren Händchen irgend etwas Undefinirbares in einem irdenen Topf zu quetſchen und da in demſelben Topfe das zweifelhafte Getränk ſervirt wurde, war mir der Appetit vergangen. Den ſchwarzen Herren ſchien es jedoch ſehr zu behagen und es machte ſie allmälig ſo aufgeräumt und zutraulich, daß uns ganz ſchwül dabei zu Muthe wurde und wir es für angezeigt hielten, an den Aufbruch zu denken. Die dunkele Geſellſchaft hatte uns jedoch ſo in ihr Herz geſchloſſen, daß ſchwer fortzukommen war, und wir wurden auch nicht eher losgelaſſen, bis in Ermangelung von Photographien ein Austauſch von Viſitenkarten ſtattgefunden hatte, von ge- druckten allerdings nur von unſerer Seite. Für ſich und ſeine beiden Verwandten ſchnitt Herr Telletier die Karten erſt aus grauem Papier und ſchrieb dann mit einer gelblich braunen Flüſſigkeit die Namen darauf. Auf meine Frage nach der Natur dieſer Flüſſigkeit, erklärte er mir, es ſei die landesübliche Tinte und ſie werde aus Apfelſinen hergeſtellt, die an der Nordſeite der Gebirge wüchſen. Während die am Südabhange reifenden ihre volle Süßigkeit hätten, ſeien jene ſo ſauer, daß man ihren Saft nur zur Bereitung von Tinte und Schuhwichſe benutzen könne. Endlich riſſen wir uns von der Geſellſchaft los; jedoch war uns die ganze Gaſtfreundſchaft ſo eigenthümlich vorgekommen, daß ich es beim Fortgange noch einmal riskirte, nach unſerer Schuld zu fragen. Diesmal erhielt ich keine Zurückweiſung wie bei dem Boote. „Sechs Dollars,“ lautete die prompte

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Zitationshilfe: Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880, S. 356. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/werner_seeleben_1880/368>, abgerufen am 25.11.2024.