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Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880.

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Nach Westindien und dem Mittelmeer
war. Im Winter ist Havannah der Sammelplatz der fremden
in Westindien stationirenden Flotten, und allerdings bietet es
Abwechselungen und Annehmlichkeiten in Fülle, um als Magnet
zu wirken. Unser Ankerplatz lag in unmittelbarer Nähe des
Bollwerkes, wenige Ruderschläge der Boote vermittelten die
Communication; großartige Hotels und das Theater, dessen
prachtvolle innere Ausstattung ihm den Anspruch giebt, zu den
ersten seiner Art zu zählen, waren unsere vis-a-vis, und somit
versprach der Aufenthalt ein sehr interessanter zu werden. In
diesen Erwartungen wurden wir auch nicht getäuscht und die
vier Wochen, auf welche sich, in Veranlassung verschiedener Um-
stände, unser Verweilen ausdehnte, verflogen sehr schnell. Die
Spanier und Creolen zeigten sich freundlich und entgegen-
kommend; wir machten Bekanntschaften mit liebenswürdigen ameri-
kanischen Familien, von denen Havannah um diese Jahreszeit
vielfach als klimatischer Kurort aufgesucht wird. Ausflüge per
Wagen und Bahn in die Umgegend und das Innere, letztere
freilich wegen der häufigen Entgleisungen ziemlich lebensgefährlich,
wurden unternommen. Bälle und Gesellschaften auf den Schiffen
und am Lande, Theater und Stierkämpfe nahmen uns auf
das Lebhafteste in Anspruch und es wurde Zeit, daß wir end-
lich fortgingen, denn Havannah drohte uns ein modernes Capua
zu werden.

Der noch jetzt nicht beendete und unter der Asche fort-
glimmende Bürgerkrieg wüthete damals stark, aber in Havannah
selbst merkte man nichts davon. Man hörte wol öfter Klagen,
daß die Geschäfte darnieder lägen, doch beeinträchtigte dies in
keiner Weise die heitere Physiognomie der Stadt und ihrer Be-
wohner. Man begegnete überall einer sehr leichtfertigen Auf-
fassung des Lebens und einer ausgeprägten Vergnügungs-
sucht. Während unserer Anwesenheit kamen zwei Bataillone
frischer Truppen aus Spanien an; ihrer Ausschiffung wohnten
viele Tausende von Zuschauern bei, obwol sich solche seit Jahren

Nach Weſtindien und dem Mittelmeer
war. Im Winter iſt Havannah der Sammelplatz der fremden
in Weſtindien ſtationirenden Flotten, und allerdings bietet es
Abwechſelungen und Annehmlichkeiten in Fülle, um als Magnet
zu wirken. Unſer Ankerplatz lag in unmittelbarer Nähe des
Bollwerkes, wenige Ruderſchläge der Boote vermittelten die
Communication; großartige Hotels und das Theater, deſſen
prachtvolle innere Ausſtattung ihm den Anſpruch giebt, zu den
erſten ſeiner Art zu zählen, waren unſere vis-à-vis, und ſomit
verſprach der Aufenthalt ein ſehr intereſſanter zu werden. In
dieſen Erwartungen wurden wir auch nicht getäuſcht und die
vier Wochen, auf welche ſich, in Veranlaſſung verſchiedener Um-
ſtände, unſer Verweilen ausdehnte, verflogen ſehr ſchnell. Die
Spanier und Creolen zeigten ſich freundlich und entgegen-
kommend; wir machten Bekanntſchaften mit liebenswürdigen ameri-
kaniſchen Familien, von denen Havannah um dieſe Jahreszeit
vielfach als klimatiſcher Kurort aufgeſucht wird. Ausflüge per
Wagen und Bahn in die Umgegend und das Innere, letztere
freilich wegen der häufigen Entgleiſungen ziemlich lebensgefährlich,
wurden unternommen. Bälle und Geſellſchaften auf den Schiffen
und am Lande, Theater und Stierkämpfe nahmen uns auf
das Lebhafteſte in Anſpruch und es wurde Zeit, daß wir end-
lich fortgingen, denn Havannah drohte uns ein modernes Capua
zu werden.

Der noch jetzt nicht beendete und unter der Aſche fort-
glimmende Bürgerkrieg wüthete damals ſtark, aber in Havannah
ſelbſt merkte man nichts davon. Man hörte wol öfter Klagen,
daß die Geſchäfte darnieder lägen, doch beeinträchtigte dies in
keiner Weiſe die heitere Phyſiognomie der Stadt und ihrer Be-
wohner. Man begegnete überall einer ſehr leichtfertigen Auf-
faſſung des Lebens und einer ausgeprägten Vergnügungs-
ſucht. Während unſerer Anweſenheit kamen zwei Bataillone
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[373/0385] Nach Weſtindien und dem Mittelmeer war. Im Winter iſt Havannah der Sammelplatz der fremden in Weſtindien ſtationirenden Flotten, und allerdings bietet es Abwechſelungen und Annehmlichkeiten in Fülle, um als Magnet zu wirken. Unſer Ankerplatz lag in unmittelbarer Nähe des Bollwerkes, wenige Ruderſchläge der Boote vermittelten die Communication; großartige Hotels und das Theater, deſſen prachtvolle innere Ausſtattung ihm den Anſpruch giebt, zu den erſten ſeiner Art zu zählen, waren unſere vis-à-vis, und ſomit verſprach der Aufenthalt ein ſehr intereſſanter zu werden. In dieſen Erwartungen wurden wir auch nicht getäuſcht und die vier Wochen, auf welche ſich, in Veranlaſſung verſchiedener Um- ſtände, unſer Verweilen ausdehnte, verflogen ſehr ſchnell. Die Spanier und Creolen zeigten ſich freundlich und entgegen- kommend; wir machten Bekanntſchaften mit liebenswürdigen ameri- kaniſchen Familien, von denen Havannah um dieſe Jahreszeit vielfach als klimatiſcher Kurort aufgeſucht wird. Ausflüge per Wagen und Bahn in die Umgegend und das Innere, letztere freilich wegen der häufigen Entgleiſungen ziemlich lebensgefährlich, wurden unternommen. Bälle und Geſellſchaften auf den Schiffen und am Lande, Theater und Stierkämpfe nahmen uns auf das Lebhafteſte in Anſpruch und es wurde Zeit, daß wir end- lich fortgingen, denn Havannah drohte uns ein modernes Capua zu werden. Der noch jetzt nicht beendete und unter der Aſche fort- glimmende Bürgerkrieg wüthete damals ſtark, aber in Havannah ſelbſt merkte man nichts davon. Man hörte wol öfter Klagen, daß die Geſchäfte darnieder lägen, doch beeinträchtigte dies in keiner Weiſe die heitere Phyſiognomie der Stadt und ihrer Be- wohner. Man begegnete überall einer ſehr leichtfertigen Auf- faſſung des Lebens und einer ausgeprägten Vergnügungs- ſucht. Während unſerer Anweſenheit kamen zwei Bataillone friſcher Truppen aus Spanien an; ihrer Ausſchiffung wohnten viele Tauſende von Zuſchauern bei, obwol ſich ſolche ſeit Jahren

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Zitationshilfe: Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880, S. 373. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/werner_seeleben_1880/385>, abgerufen am 24.11.2024.