Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880.Nach Westindien und dem Mittelmeer widerlicher Anblick. Das eine Auge ist ihnen mit einem Tucheverbunden und diese Seite halten die Reiter stets dem angreifen- den Stiere zugewandt, weil sonst die Pferde nicht Stand halten würden. Wenn dann fünf bis sechs von den armen Thieren von einem Stiere der Bauch aufgerissen worden, daß die Eingeweide auf der Erde nachschleppen, und man sie hinausführt, dann ertönt frenetischer Jubel von Seiten der Zuschauer, als ob die größten Heldenthaten verrichtet wären, und die danach erfolgende Tödtung des Stieres durch den Matador wird kaum mit mehr Beifall begrüßt. Nimmt der Stier jedoch das Pferd nicht an, dann erschallt von Seiten des Publicums der tausendstimmige Ruf: "los perros, los perros! Die Hunde!" Acht bis zehn Bull- doggen werden in die Bahn gelassen, stürzen sich mit wüthen- dem Geheul auf ihren Gegner und verbeißen sich in seiner Nase, im Bauch und im Schwanz. Es hilft ihm nicht, daß er ver- schiedene auf die Hörner nimmt und hoch in die Luft wirft; in dem weichen Sande thut ihnen der Fall wenig Schaden. Immer wieder greifen die grimmen Bestien ihn an, bis fünf oder sechs an seinem Kopfe hängen und das dadurch wehrlos gemachte Thier dem Degen des Matador überliefern, der ihm den Gnadenstoß giebt. Der rauschende Beifall der Zuschauer zeigt ihre innere Roheit und auf die Nachkommen des römischen Plebs, der seine Schaulust in den nicht weniger blutigen und grausamen Gladiatorenkämpfen sättigte, haben zwei Tausend Jahre, wenn auch langsam fortschreitender Cultur, und das Christenthum wenig veredelnden Einfluß zu üben vermocht. Fünf bis sechs Stunden lang dauern die Kämpfe, die nur in steten Wiederholungen bestehen, aber schon nach der ersten Scene wandten wir uns mit Ekel davon ab. Bis jetzt herrscht auf Cuba noch Sclaverei; von den Nach Weſtindien und dem Mittelmeer widerlicher Anblick. Das eine Auge iſt ihnen mit einem Tucheverbunden und dieſe Seite halten die Reiter ſtets dem angreifen- den Stiere zugewandt, weil ſonſt die Pferde nicht Stand halten würden. Wenn dann fünf bis ſechs von den armen Thieren von einem Stiere der Bauch aufgeriſſen worden, daß die Eingeweide auf der Erde nachſchleppen, und man ſie hinausführt, dann ertönt frenetiſcher Jubel von Seiten der Zuſchauer, als ob die größten Heldenthaten verrichtet wären, und die danach erfolgende Tödtung des Stieres durch den Matador wird kaum mit mehr Beifall begrüßt. Nimmt der Stier jedoch das Pferd nicht an, dann erſchallt von Seiten des Publicums der tauſendſtimmige Ruf: „los perros, los perros! Die Hunde!“ Acht bis zehn Bull- doggen werden in die Bahn gelaſſen, ſtürzen ſich mit wüthen- dem Geheul auf ihren Gegner und verbeißen ſich in ſeiner Naſe, im Bauch und im Schwanz. Es hilft ihm nicht, daß er ver- ſchiedene auf die Hörner nimmt und hoch in die Luft wirft; in dem weichen Sande thut ihnen der Fall wenig Schaden. Immer wieder greifen die grimmen Beſtien ihn an, bis fünf oder ſechs an ſeinem Kopfe hängen und das dadurch wehrlos gemachte Thier dem Degen des Matador überliefern, der ihm den Gnadenſtoß giebt. Der rauſchende Beifall der Zuſchauer zeigt ihre innere Roheit und auf die Nachkommen des römiſchen Plebs, der ſeine Schauluſt in den nicht weniger blutigen und grauſamen Gladiatorenkämpfen ſättigte, haben zwei Tauſend Jahre, wenn auch langſam fortſchreitender Cultur, und das Chriſtenthum wenig veredelnden Einfluß zu üben vermocht. Fünf bis ſechs Stunden lang dauern die Kämpfe, die nur in ſteten Wiederholungen beſtehen, aber ſchon nach der erſten Scene wandten wir uns mit Ekel davon ab. 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Nach Weſtindien und dem Mittelmeer
widerlicher Anblick. Das eine Auge iſt ihnen mit einem Tuche
verbunden und dieſe Seite halten die Reiter ſtets dem angreifen-
den Stiere zugewandt, weil ſonſt die Pferde nicht Stand halten
würden. Wenn dann fünf bis ſechs von den armen Thieren von
einem Stiere der Bauch aufgeriſſen worden, daß die Eingeweide
auf der Erde nachſchleppen, und man ſie hinausführt, dann ertönt
frenetiſcher Jubel von Seiten der Zuſchauer, als ob die größten
Heldenthaten verrichtet wären, und die danach erfolgende Tödtung
des Stieres durch den Matador wird kaum mit mehr Beifall
begrüßt. Nimmt der Stier jedoch das Pferd nicht an, dann
erſchallt von Seiten des Publicums der tauſendſtimmige Ruf:
„los perros, los perros! Die Hunde!“ Acht bis zehn Bull-
doggen werden in die Bahn gelaſſen, ſtürzen ſich mit wüthen-
dem Geheul auf ihren Gegner und verbeißen ſich in ſeiner Naſe,
im Bauch und im Schwanz. Es hilft ihm nicht, daß er ver-
ſchiedene auf die Hörner nimmt und hoch in die Luft wirft; in
dem weichen Sande thut ihnen der Fall wenig Schaden. Immer
wieder greifen die grimmen Beſtien ihn an, bis fünf oder ſechs
an ſeinem Kopfe hängen und das dadurch wehrlos gemachte
Thier dem Degen des Matador überliefern, der ihm den
Gnadenſtoß giebt. Der rauſchende Beifall der Zuſchauer zeigt
ihre innere Roheit und auf die Nachkommen des römiſchen
Plebs, der ſeine Schauluſt in den nicht weniger blutigen und
grauſamen Gladiatorenkämpfen ſättigte, haben zwei Tauſend
Jahre, wenn auch langſam fortſchreitender Cultur, und das
Chriſtenthum wenig veredelnden Einfluß zu üben vermocht. Fünf
bis ſechs Stunden lang dauern die Kämpfe, die nur in ſteten
Wiederholungen beſtehen, aber ſchon nach der erſten Scene
wandten wir uns mit Ekel davon ab.
Bis jetzt herrſcht auf Cuba noch Sclaverei; von den
1,300,000 Einwohnern ſollen 600,000, alſo faſt die Hälfte
Sclaven ſein. Seit 1870 ſind Geſetze erlaſſen, welche die all-
mälige Aufhebung der Sclaverei anzubahnen die Beſtimmung
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