und bald schwankte unser Schiff nur noch leise auf den sich glättenden Wellen.
Augenblicklich war keinerlei Gefahr vorhanden, die "Alma" lag zwar als ein hülfloses Wrack, aber in der Nacht konnte doch nicht viel geschehen und vor allen Dingen bedurften wir der Ruhe und Erholung nach den furchtbaren Strapazen der letzten 24 Stunden. Drei Viertel der Mannschaft wurden deshalb zur Coje geschickt und bald waren im süßen Schlummer Angst und Sorgen des Tages vergessen. Der andere Morgen fand uns alle wieder frisch, und rüstig ging es an die Arbeit. Es galt vorerst Nothmasten zu errichten, um den uns nächsten Hafen erreichen zu können. Der Fockmast war ziemlich hoch abgebrochen, so daß wir ohne zu große Schwierigkeit eine Reservemarsstenge daran befestigen und eine Marsraa aufbringen konnten. Ehe wir jedoch damit fertig waren, bemerkten wir von Süden her ein Dampfschiff, das seinen Curs auf uns zu nehmen schien. Bald erkannten wir auch die Flagge; es war ein holländisches Kriegsschiff. Vom Feuerthurm aus hatte man nach Helvoetsluys unsere gefährliche Lage am Tage zuvor mit- getheilt und der Admiral des dortigen Kriegshafens den Dampfer zu unserer Hülfe entsandt, sobald die Witterung es gestattete. Der Commandant schickte einige dreißig Mann an Bord, um unsere Anker zu lichten; die Bugsirtaue wurden festgemacht, der Dampfer setzte sich in Bewegung, bei dem schönen Wetter und ruhigem Wasser ging es mit schneller Fahrt vorwärts und nach wenigen Stunden liefen wir wohlbehalten in Helvoetsluys ein.
Am Hafen hatte sich eine große Menge Zuschauer gesammelt, als wir ankamen, um staunend auf die Verwüstungen zu blicken, die Sturm und See auf unserm Schiffe angerichtet. Letzteres sah aber auch schlimm aus mit seinen gebrochenen Masten, seinen fortgeschlagenen Booten und zerschmetterten Verschanzungen und wir kamen uns als Helden des Tages ordentlich groß vor. Die angestellte Besichtigung von Sachverständigen ergab, daß
Werner
und bald ſchwankte unſer Schiff nur noch leiſe auf den ſich glättenden Wellen.
Augenblicklich war keinerlei Gefahr vorhanden, die „Alma“ lag zwar als ein hülfloſes Wrack, aber in der Nacht konnte doch nicht viel geſchehen und vor allen Dingen bedurften wir der Ruhe und Erholung nach den furchtbaren Strapazen der letzten 24 Stunden. Drei Viertel der Mannſchaft wurden deshalb zur Coje geſchickt und bald waren im ſüßen Schlummer Angſt und Sorgen des Tages vergeſſen. Der andere Morgen fand uns alle wieder friſch, und rüſtig ging es an die Arbeit. Es galt vorerſt Nothmaſten zu errichten, um den uns nächſten Hafen erreichen zu können. Der Fockmaſt war ziemlich hoch abgebrochen, ſo daß wir ohne zu große Schwierigkeit eine Reſervemarsſtenge daran befeſtigen und eine Marsraa aufbringen konnten. Ehe wir jedoch damit fertig waren, bemerkten wir von Süden her ein Dampfſchiff, das ſeinen Curs auf uns zu nehmen ſchien. Bald erkannten wir auch die Flagge; es war ein holländiſches Kriegsſchiff. Vom Feuerthurm aus hatte man nach Helvoetsluys unſere gefährliche Lage am Tage zuvor mit- getheilt und der Admiral des dortigen Kriegshafens den Dampfer zu unſerer Hülfe entſandt, ſobald die Witterung es geſtattete. Der Commandant ſchickte einige dreißig Mann an Bord, um unſere Anker zu lichten; die Bugſirtaue wurden feſtgemacht, der Dampfer ſetzte ſich in Bewegung, bei dem ſchönen Wetter und ruhigem Waſſer ging es mit ſchneller Fahrt vorwärts und nach wenigen Stunden liefen wir wohlbehalten in Helvoetsluys ein.
Am Hafen hatte ſich eine große Menge Zuſchauer geſammelt, als wir ankamen, um ſtaunend auf die Verwüſtungen zu blicken, die Sturm und See auf unſerm Schiffe angerichtet. Letzteres ſah aber auch ſchlimm aus mit ſeinen gebrochenen Maſten, ſeinen fortgeſchlagenen Booten und zerſchmetterten Verſchanzungen und wir kamen uns als Helden des Tages ordentlich groß vor. Die angeſtellte Beſichtigung von Sachverſtändigen ergab, daß
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Werner
und bald ſchwankte unſer Schiff nur noch leiſe auf den ſich
glättenden Wellen.
Augenblicklich war keinerlei Gefahr vorhanden, die „Alma“
lag zwar als ein hülfloſes Wrack, aber in der Nacht konnte
doch nicht viel geſchehen und vor allen Dingen bedurften wir
der Ruhe und Erholung nach den furchtbaren Strapazen der
letzten 24 Stunden. Drei Viertel der Mannſchaft wurden
deshalb zur Coje geſchickt und bald waren im ſüßen Schlummer
Angſt und Sorgen des Tages vergeſſen. Der andere Morgen
fand uns alle wieder friſch, und rüſtig ging es an die Arbeit.
Es galt vorerſt Nothmaſten zu errichten, um den uns nächſten
Hafen erreichen zu können. Der Fockmaſt war ziemlich hoch
abgebrochen, ſo daß wir ohne zu große Schwierigkeit eine
Reſervemarsſtenge daran befeſtigen und eine Marsraa aufbringen
konnten. Ehe wir jedoch damit fertig waren, bemerkten wir von
Süden her ein Dampfſchiff, das ſeinen Curs auf uns zu nehmen
ſchien. Bald erkannten wir auch die Flagge; es war ein
holländiſches Kriegsſchiff. Vom Feuerthurm aus hatte man
nach Helvoetsluys unſere gefährliche Lage am Tage zuvor mit-
getheilt und der Admiral des dortigen Kriegshafens den Dampfer
zu unſerer Hülfe entſandt, ſobald die Witterung es geſtattete.
Der Commandant ſchickte einige dreißig Mann an Bord, um
unſere Anker zu lichten; die Bugſirtaue wurden feſtgemacht, der
Dampfer ſetzte ſich in Bewegung, bei dem ſchönen Wetter und
ruhigem Waſſer ging es mit ſchneller Fahrt vorwärts und nach
wenigen Stunden liefen wir wohlbehalten in Helvoetsluys ein.
Am Hafen hatte ſich eine große Menge Zuſchauer geſammelt,
als wir ankamen, um ſtaunend auf die Verwüſtungen zu blicken,
die Sturm und See auf unſerm Schiffe angerichtet. Letzteres
ſah aber auch ſchlimm aus mit ſeinen gebrochenen Maſten,
ſeinen fortgeſchlagenen Booten und zerſchmetterten Verſchanzungen
und wir kamen uns als Helden des Tages ordentlich groß vor.
Die angeſtellte Beſichtigung von Sachverſtändigen ergab, daß
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Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/werner_seeleben_1880/50>, abgerufen am 21.11.2024.
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