Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880.Eine erste Seereise dieses Abhubs zeigte sich auf den Straßen und in den Kneipenin widerwärtigster Gestalt. Um eine solche kaum den Namen von Menschen verdienende Bande in Ordnung zu halten, be- durfte es natürlich auch besonderer Zuchtmittel, aber wie noth- wendig sie auch waren, machten sie auf uns doch den pein- lichsten Eindruck. Wir lagen in unmittelbarer Nähe des Linien- schiffes "Kortenaar" mit 800 Mann Besatzung, das sich fertig machte, um nach Java zu gehen und waren oft Augen- und Ohrenzeugen der körperlichen Strafen, die fast täglich ver- hängt wurden, aber durch ihre Härte mir krampfhaft das Herz zusammenzogen. Ein Mann z. B., der schon zum zweiten Male desertirt und wieder ergriffen war, wurde an einem Tau hängend an der Groß-Raa bis zu einer Höhe von 50 Fuß emporgezogen, dann ließ man ihn in das eisige Wasser fallen -- wir waren im November -- holte ihn auf das Deck und wir hörten, trotz des Trommelwirbels, bei der Execution das Klatschen des Tauendes auf die nassen Kleider und das Geschrei des Delinquenten. Ein anständig denkender Mensch, kann sich frei- lich kaum einen Begriff davon machen, zu welchem Grade von Bestialität einzelne solcher Individuen herabsinken und man weiß nicht, was einen mehr schaudern macht, diese oder die Strafe. Solche traurigen Eindrücke, die man täglich erhielt, waren nicht geeignet, den Landgang für mich verlockend zu machen und ich wäre deshalb für die übrige Dauer unseres Aufenthaltes an Bord verblieben, wenn ich nicht nach einiger Zeit auf das freudigste durch eine Einladung in das Haus unseres Consuls überrascht worden wäre, die ich meinem neugewonnenen Freunde, dem Kadetten, verdankte. Wie wohlthuend berührte es mich, nach Monaten wieder Eine erſte Seereiſe dieſes Abhubs zeigte ſich auf den Straßen und in den Kneipenin widerwärtigſter Geſtalt. Um eine ſolche kaum den Namen von Menſchen verdienende Bande in Ordnung zu halten, be- durfte es natürlich auch beſonderer Zuchtmittel, aber wie noth- wendig ſie auch waren, machten ſie auf uns doch den pein- lichſten Eindruck. Wir lagen in unmittelbarer Nähe des Linien- ſchiffes „Kortenaar“ mit 800 Mann Beſatzung, das ſich fertig machte, um nach Java zu gehen und waren oft Augen- und Ohrenzeugen der körperlichen Strafen, die faſt täglich ver- hängt wurden, aber durch ihre Härte mir krampfhaft das Herz zuſammenzogen. Ein Mann z. B., der ſchon zum zweiten Male deſertirt und wieder ergriffen war, wurde an einem Tau hängend an der Groß-Raa bis zu einer Höhe von 50 Fuß emporgezogen, dann ließ man ihn in das eiſige Waſſer fallen — wir waren im November — holte ihn auf das Deck und wir hörten, trotz des Trommelwirbels, bei der Execution das Klatſchen des Tauendes auf die naſſen Kleider und das Geſchrei des Delinquenten. Ein anſtändig denkender Menſch, kann ſich frei- lich kaum einen Begriff davon machen, zu welchem Grade von Beſtialität einzelne ſolcher Individuen herabſinken und man weiß nicht, was einen mehr ſchaudern macht, dieſe oder die Strafe. Solche traurigen Eindrücke, die man täglich erhielt, waren nicht geeignet, den Landgang für mich verlockend zu machen und ich wäre deshalb für die übrige Dauer unſeres Aufenthaltes an Bord verblieben, wenn ich nicht nach einiger Zeit auf das freudigſte durch eine Einladung in das Haus unſeres Conſuls überraſcht worden wäre, die ich meinem neugewonnenen Freunde, dem Kadetten, verdankte. Wie wohlthuend berührte es mich, nach Monaten wieder <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0057" n="45"/><fw place="top" type="header">Eine erſte Seereiſe</fw><lb/> dieſes Abhubs zeigte ſich auf den Straßen und in den Kneipen<lb/> in widerwärtigſter Geſtalt. Um eine ſolche kaum den Namen<lb/> von Menſchen verdienende Bande in Ordnung zu halten, be-<lb/> durfte es natürlich auch beſonderer Zuchtmittel, aber wie noth-<lb/> wendig ſie auch waren, machten ſie auf uns doch den pein-<lb/> lichſten Eindruck. 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Eine erſte Seereiſe
dieſes Abhubs zeigte ſich auf den Straßen und in den Kneipen
in widerwärtigſter Geſtalt. Um eine ſolche kaum den Namen
von Menſchen verdienende Bande in Ordnung zu halten, be-
durfte es natürlich auch beſonderer Zuchtmittel, aber wie noth-
wendig ſie auch waren, machten ſie auf uns doch den pein-
lichſten Eindruck. Wir lagen in unmittelbarer Nähe des Linien-
ſchiffes „Kortenaar“ mit 800 Mann Beſatzung, das ſich fertig
machte, um nach Java zu gehen und waren oft Augen-
und Ohrenzeugen der körperlichen Strafen, die faſt täglich ver-
hängt wurden, aber durch ihre Härte mir krampfhaft das Herz
zuſammenzogen. Ein Mann z. B., der ſchon zum zweiten
Male deſertirt und wieder ergriffen war, wurde an einem Tau
hängend an der Groß-Raa bis zu einer Höhe von 50 Fuß
emporgezogen, dann ließ man ihn in das eiſige Waſſer fallen —
wir waren im November — holte ihn auf das Deck und wir
hörten, trotz des Trommelwirbels, bei der Execution das Klatſchen
des Tauendes auf die naſſen Kleider und das Geſchrei des
Delinquenten. Ein anſtändig denkender Menſch, kann ſich frei-
lich kaum einen Begriff davon machen, zu welchem Grade von
Beſtialität einzelne ſolcher Individuen herabſinken und man
weiß nicht, was einen mehr ſchaudern macht, dieſe oder die
Strafe. Solche traurigen Eindrücke, die man täglich erhielt,
waren nicht geeignet, den Landgang für mich verlockend zu machen
und ich wäre deshalb für die übrige Dauer unſeres Aufenthaltes
an Bord verblieben, wenn ich nicht nach einiger Zeit auf das
freudigſte durch eine Einladung in das Haus unſeres Conſuls
überraſcht worden wäre, die ich meinem neugewonnenen Freunde,
dem Kadetten, verdankte.
Wie wohlthuend berührte es mich, nach Monaten wieder
einmal in einem angenehmen Familienkreiſe verkehren zu dürfen,
wo man mich mit Freundlichkeit wie einen Gleichgeſtellten
empfing und ich mich wie zu Hauſe fühlte. Wie vergaß ich
ſo bald alles Trübe und Bittere der letzten Zeit und mit welchem
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