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Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880.

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Eine erste Seereise
und bitterer Kälte bis zur Höhe von Cap Finisterre gequält
hatten, fühlte der grimme Poseidon Mitleid mit uns und schickte
uns einen strammen portugiesischen Norder, mit dem wir unter
einem Preß von Segeln südwärts flogen. Anfänglich trauten
wir dem Frieden nicht recht und wagten kaum ein Reff aus-
zustecken, doch die Barometer stiegen langsam und der Zimmer-
mann träumte nicht länger von Pferden und Frauenzimmern.
Da glaubte man denn hinter wie vor dem Maste, in der Kajüte
wie im Logis allmälig an den Bestand, und es wurde der
"Alma" an Segeln aufgepackt, was darauf hängen wollte.

Nach einigen Tagen ließ zwar die Stärke des Windes
bedeutend nach und wir machten nur wenige Meilen durch's Wasser,
allein uns kam das ganz recht, denn wir waren ununterbrochen
so lange von Wind und Wetter unsanft umhergestoßen worden,
daß wir es uns gern gefallen ließen, nicht bei jedem Schritte
nach einem Gegenstande zum Festhalten zu suchen, die Regen-
jacke aus geölter Leinwand, den Südwester und die schweren
Seestiefel bei Seite legen zu können und bei Tisch unsere Blech-
schüsseln nicht mehr in der Luft balancirend halten zu müssen.

Wir befanden uns auf der Höhe der Straße von Gibraltar
und es war schon bedeutend wärmer geworden. Mit welchem
Behagen genossen wir die uns so wohlthuende Aenderung! Die
hohen Wellenberge, welche der atlantische Ocean in die Biscayische
Bucht wälzt, hatten sich allmälig geglättet, die dunkelgrüne
Färbung des Wassers war tiefem Blau gewichen und statt der
gewaltsam und mit donnerndem Tosen überbrechenden Sturzseen,
die bisher fast stets unsere drohenden Begleiter gewesen, waren
es jetzt nur leichte, durchsichtige Wellen, auf denen unser Schiff
sich wiegte, die tändelnd an Bug und Seiten emporschnellten,
oder leise nebenher rauschten und in deren silbernem Schaume
die Sonnenstrahlen sich badeten. Bis dahin hatten alle Luken
verschlossen gehalten werden müssen und die Luft unten im
Schiffe war dumpf und schlecht. Regen und überdampfende

Eine erſte Seereiſe
und bitterer Kälte bis zur Höhe von Cap Finisterre gequält
hatten, fühlte der grimme Poſeidon Mitleid mit uns und ſchickte
uns einen ſtrammen portugieſiſchen Norder, mit dem wir unter
einem Preß von Segeln ſüdwärts flogen. Anfänglich trauten
wir dem Frieden nicht recht und wagten kaum ein Reff aus-
zuſtecken, doch die Barometer ſtiegen langſam und der Zimmer-
mann träumte nicht länger von Pferden und Frauenzimmern.
Da glaubte man denn hinter wie vor dem Maſte, in der Kajüte
wie im Logis allmälig an den Beſtand, und es wurde der
„Alma“ an Segeln aufgepackt, was darauf hängen wollte.

Nach einigen Tagen ließ zwar die Stärke des Windes
bedeutend nach und wir machten nur wenige Meilen durch’s Waſſer,
allein uns kam das ganz recht, denn wir waren ununterbrochen
ſo lange von Wind und Wetter unſanft umhergeſtoßen worden,
daß wir es uns gern gefallen ließen, nicht bei jedem Schritte
nach einem Gegenſtande zum Feſthalten zu ſuchen, die Regen-
jacke aus geölter Leinwand, den Südweſter und die ſchweren
Seeſtiefel bei Seite legen zu können und bei Tiſch unſere Blech-
ſchüſſeln nicht mehr in der Luft balancirend halten zu müſſen.

Wir befanden uns auf der Höhe der Straße von Gibraltar
und es war ſchon bedeutend wärmer geworden. Mit welchem
Behagen genoſſen wir die uns ſo wohlthuende Aenderung! Die
hohen Wellenberge, welche der atlantiſche Ocean in die Biscayiſche
Bucht wälzt, hatten ſich allmälig geglättet, die dunkelgrüne
Färbung des Waſſers war tiefem Blau gewichen und ſtatt der
gewaltſam und mit donnerndem Toſen überbrechenden Sturzſeen,
die bisher faſt ſtets unſere drohenden Begleiter geweſen, waren
es jetzt nur leichte, durchſichtige Wellen, auf denen unſer Schiff
ſich wiegte, die tändelnd an Bug und Seiten emporſchnellten,
oder leiſe nebenher rauſchten und in deren ſilbernem Schaume
die Sonnenſtrahlen ſich badeten. Bis dahin hatten alle Luken
verſchloſſen gehalten werden müſſen und die Luft unten im
Schiffe war dumpf und ſchlecht. Regen und überdampfende

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[47/0059] Eine erſte Seereiſe und bitterer Kälte bis zur Höhe von Cap Finisterre gequält hatten, fühlte der grimme Poſeidon Mitleid mit uns und ſchickte uns einen ſtrammen portugieſiſchen Norder, mit dem wir unter einem Preß von Segeln ſüdwärts flogen. Anfänglich trauten wir dem Frieden nicht recht und wagten kaum ein Reff aus- zuſtecken, doch die Barometer ſtiegen langſam und der Zimmer- mann träumte nicht länger von Pferden und Frauenzimmern. Da glaubte man denn hinter wie vor dem Maſte, in der Kajüte wie im Logis allmälig an den Beſtand, und es wurde der „Alma“ an Segeln aufgepackt, was darauf hängen wollte. Nach einigen Tagen ließ zwar die Stärke des Windes bedeutend nach und wir machten nur wenige Meilen durch’s Waſſer, allein uns kam das ganz recht, denn wir waren ununterbrochen ſo lange von Wind und Wetter unſanft umhergeſtoßen worden, daß wir es uns gern gefallen ließen, nicht bei jedem Schritte nach einem Gegenſtande zum Feſthalten zu ſuchen, die Regen- jacke aus geölter Leinwand, den Südweſter und die ſchweren Seeſtiefel bei Seite legen zu können und bei Tiſch unſere Blech- ſchüſſeln nicht mehr in der Luft balancirend halten zu müſſen. Wir befanden uns auf der Höhe der Straße von Gibraltar und es war ſchon bedeutend wärmer geworden. Mit welchem Behagen genoſſen wir die uns ſo wohlthuende Aenderung! Die hohen Wellenberge, welche der atlantiſche Ocean in die Biscayiſche Bucht wälzt, hatten ſich allmälig geglättet, die dunkelgrüne Färbung des Waſſers war tiefem Blau gewichen und ſtatt der gewaltſam und mit donnerndem Toſen überbrechenden Sturzſeen, die bisher faſt ſtets unſere drohenden Begleiter geweſen, waren es jetzt nur leichte, durchſichtige Wellen, auf denen unſer Schiff ſich wiegte, die tändelnd an Bug und Seiten emporſchnellten, oder leiſe nebenher rauſchten und in deren ſilbernem Schaume die Sonnenſtrahlen ſich badeten. Bis dahin hatten alle Luken verſchloſſen gehalten werden müſſen und die Luft unten im Schiffe war dumpf und ſchlecht. Regen und überdampfende

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Zitationshilfe: Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/werner_seeleben_1880/59>, abgerufen am 21.11.2024.