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Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880.

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schaffen werden; nur stete Beschäftigung der Besatzung kann
dieselbe vor unnützen Gedanken bewahren.

Nicht mit Unrecht sagt man von einem Schiffe, es sei
wie eine Damenuhr stets reparaturbedürftig; das ist wirklich
der Fall; es kommt nie völlig in Ordnung. Durch die stete
Bewegung, denen Segel und Taue ausgesetzt sind, scheuern sie
aneinander und leiden. Um dem vorzubeugen, die ganze
Takelage darauf hin zu revidiren, sie mit Schonungsmaterial
zu bewickeln u. s. w. wird allein schon täglich eine mehrstündige
Arbeit von einigen Menschen beansprucht. Sodann geht vieles
durch den Gebrauch entzwei und muß ersetzt werden. Regen
und See waschen den Theer vom stehenden Gut, die Farbe
von den Masten, Raaen und Planken; die Hitze schmilzt das
Pech aus den Näthen und reckt die Haltetaue der Masten und
Stengen, so daß sie straffer angesetzt werden müssen -- genug
Arbeit vollauf und ohne Ende. Aber sie ist, wie gesagt, nicht
schwer, sie fordert keine große Anstrengung, es ist keine Eile
nöthig und so befindet sich der Matrose wohl dabei, genießt nach
Herzenslust die schöne ruhige Zeit und sammelt neue Kräfte
für die kommenden Strapazen, die seiner außerhalb der Tropen
wieder harren.

Gegensegler hat man im Passat kaum zu fürchten; sie
nehmen eine andere Route und mit dem Ausguck wird es des-
halb nicht scharf gehalten. Da bleibt dann Nachts nur eine
Stunde Dienst am Ruder und Zeit genug zum Schlafen. Die
Freiwachen am Tage wurden deshalb nicht mehr wie bisher
angewandt, um womöglich Vorrath zu schlafen, sondern zu
allerlei Beschäftigungen, nützlichen und unnützen verwerthet.
Unter den nützlichen spielte die Instandhaltung der Kleider und
ihre eventuelle Neuanfertigung die Hauptrolle. Ich lernte nicht
nur stopfen und nähen, sondern auch Maß nehmen und zu-
schneiden, wenn die Erstlinge der Kunst auch wunderliche Modelle
abgaben. Segeltuch war gesuchtes Material; sowohl Beinkleider

Werner
ſchaffen werden; nur ſtete Beſchäftigung der Beſatzung kann
dieſelbe vor unnützen Gedanken bewahren.

Nicht mit Unrecht ſagt man von einem Schiffe, es ſei
wie eine Damenuhr ſtets reparaturbedürftig; das iſt wirklich
der Fall; es kommt nie völlig in Ordnung. Durch die ſtete
Bewegung, denen Segel und Taue ausgeſetzt ſind, ſcheuern ſie
aneinander und leiden. Um dem vorzubeugen, die ganze
Takelage darauf hin zu revidiren, ſie mit Schonungsmaterial
zu bewickeln u. ſ. w. wird allein ſchon täglich eine mehrſtündige
Arbeit von einigen Menſchen beanſprucht. Sodann geht vieles
durch den Gebrauch entzwei und muß erſetzt werden. Regen
und See waſchen den Theer vom ſtehenden Gut, die Farbe
von den Maſten, Raaen und Planken; die Hitze ſchmilzt das
Pech aus den Näthen und reckt die Haltetaue der Maſten und
Stengen, ſo daß ſie ſtraffer angeſetzt werden müſſen — genug
Arbeit vollauf und ohne Ende. Aber ſie iſt, wie geſagt, nicht
ſchwer, ſie fordert keine große Anſtrengung, es iſt keine Eile
nöthig und ſo befindet ſich der Matroſe wohl dabei, genießt nach
Herzensluſt die ſchöne ruhige Zeit und ſammelt neue Kräfte
für die kommenden Strapazen, die ſeiner außerhalb der Tropen
wieder harren.

Gegenſegler hat man im Paſſat kaum zu fürchten; ſie
nehmen eine andere Route und mit dem Ausguck wird es des-
halb nicht ſcharf gehalten. Da bleibt dann Nachts nur eine
Stunde Dienſt am Ruder und Zeit genug zum Schlafen. Die
Freiwachen am Tage wurden deshalb nicht mehr wie bisher
angewandt, um womöglich Vorrath zu ſchlafen, ſondern zu
allerlei Beſchäftigungen, nützlichen und unnützen verwerthet.
Unter den nützlichen ſpielte die Inſtandhaltung der Kleider und
ihre eventuelle Neuanfertigung die Hauptrolle. Ich lernte nicht
nur ſtopfen und nähen, ſondern auch Maß nehmen und zu-
ſchneiden, wenn die Erſtlinge der Kunſt auch wunderliche Modelle
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[52/0064] Werner ſchaffen werden; nur ſtete Beſchäftigung der Beſatzung kann dieſelbe vor unnützen Gedanken bewahren. Nicht mit Unrecht ſagt man von einem Schiffe, es ſei wie eine Damenuhr ſtets reparaturbedürftig; das iſt wirklich der Fall; es kommt nie völlig in Ordnung. Durch die ſtete Bewegung, denen Segel und Taue ausgeſetzt ſind, ſcheuern ſie aneinander und leiden. Um dem vorzubeugen, die ganze Takelage darauf hin zu revidiren, ſie mit Schonungsmaterial zu bewickeln u. ſ. w. wird allein ſchon täglich eine mehrſtündige Arbeit von einigen Menſchen beanſprucht. Sodann geht vieles durch den Gebrauch entzwei und muß erſetzt werden. Regen und See waſchen den Theer vom ſtehenden Gut, die Farbe von den Maſten, Raaen und Planken; die Hitze ſchmilzt das Pech aus den Näthen und reckt die Haltetaue der Maſten und Stengen, ſo daß ſie ſtraffer angeſetzt werden müſſen — genug Arbeit vollauf und ohne Ende. Aber ſie iſt, wie geſagt, nicht ſchwer, ſie fordert keine große Anſtrengung, es iſt keine Eile nöthig und ſo befindet ſich der Matroſe wohl dabei, genießt nach Herzensluſt die ſchöne ruhige Zeit und ſammelt neue Kräfte für die kommenden Strapazen, die ſeiner außerhalb der Tropen wieder harren. Gegenſegler hat man im Paſſat kaum zu fürchten; ſie nehmen eine andere Route und mit dem Ausguck wird es des- halb nicht ſcharf gehalten. Da bleibt dann Nachts nur eine Stunde Dienſt am Ruder und Zeit genug zum Schlafen. Die Freiwachen am Tage wurden deshalb nicht mehr wie bisher angewandt, um womöglich Vorrath zu ſchlafen, ſondern zu allerlei Beſchäftigungen, nützlichen und unnützen verwerthet. Unter den nützlichen ſpielte die Inſtandhaltung der Kleider und ihre eventuelle Neuanfertigung die Hauptrolle. Ich lernte nicht nur ſtopfen und nähen, ſondern auch Maß nehmen und zu- ſchneiden, wenn die Erſtlinge der Kunſt auch wunderliche Modelle abgaben. Segeltuch war geſuchtes Material; ſowohl Beinkleider

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Zitationshilfe: Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/werner_seeleben_1880/64>, abgerufen am 21.11.2024.