Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880.Eine erste Seereise Schnitt des Fahrzeugs verrieth die Bauart jener Länder. Essegelte nahe hinter unserm Heck vorüber, ohne jedoch scheinbar von uns Notiz zu nehmen, und luvte dann wieder zu seinem alten Curse auf, um bei der strammen Briese sich eben so schnell zu entfernen, wie es gekommen. Der unheimliche Patron passirte uns auf kaum zweihundert Schritte und wir konnten sein ganzes Deck übersehen. Er hatte kein Großboot mittschiffs stehen, wie sonst bei Kauffahrern allgemein üblich ist, sondern nur zwei Seitenboote außenbords und ein drittes quer vor dem Heck in Krähnen hängen. Zwischen Fock- und Großmast befand sich dagegen ein anderer Gegenstand, der unsere Vermuthung über den wahren Charakter des Fremden zur Gewißheit erhob. Es war dies eine schwere Kanone, die man zwar mit einer Presenning -- einem getheerten Stück Segeltuch -- bedeckt hatte, deren Conturen sich jedoch deutlich genug abzeichneten, während wir ganz klar die metallenen Kreisschienen auf dem Deck sahen, auf denen das Geschütz sich drehte um nach beiden Seiten schießen zu können. Jedenfalls athmeten wir frei auf, als das Unterschiff Eine erſte Seereiſe Schnitt des Fahrzeugs verrieth die Bauart jener Länder. Esſegelte nahe hinter unſerm Heck vorüber, ohne jedoch ſcheinbar von uns Notiz zu nehmen, und luvte dann wieder zu ſeinem alten Curſe auf, um bei der ſtrammen Brieſe ſich eben ſo ſchnell zu entfernen, wie es gekommen. Der unheimliche Patron paſſirte uns auf kaum zweihundert Schritte und wir konnten ſein ganzes Deck überſehen. Er hatte kein Großboot mittſchiffs ſtehen, wie ſonſt bei Kauffahrern allgemein üblich iſt, ſondern nur zwei Seitenboote außenbords und ein drittes quer vor dem Heck in Krähnen hängen. Zwiſchen Fock- und Großmaſt befand ſich dagegen ein anderer Gegenſtand, der unſere Vermuthung über den wahren Charakter des Fremden zur Gewißheit erhob. Es war dies eine ſchwere Kanone, die man zwar mit einer Preſenning — einem getheerten Stück Segeltuch — bedeckt hatte, deren Conturen ſich jedoch deutlich genug abzeichneten, während wir ganz klar die metallenen Kreisſchienen auf dem Deck ſahen, auf denen das Geſchütz ſich drehte um nach beiden Seiten ſchießen zu können. Jedenfalls athmeten wir frei auf, als das Unterſchiff <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0085" n="73"/><fw place="top" type="header">Eine erſte Seereiſe</fw><lb/> Schnitt des Fahrzeugs verrieth die Bauart jener Länder. Es<lb/> ſegelte nahe hinter unſerm Heck vorüber, ohne jedoch ſcheinbar<lb/> von uns Notiz zu nehmen, und luvte dann wieder zu ſeinem<lb/> alten Curſe auf, um bei der ſtrammen Brieſe ſich eben ſo ſchnell<lb/> zu entfernen, wie es gekommen. Der unheimliche Patron paſſirte<lb/> uns auf kaum zweihundert Schritte und wir konnten ſein ganzes<lb/> Deck überſehen. Er hatte kein Großboot mittſchiffs ſtehen, wie<lb/> ſonſt bei Kauffahrern allgemein üblich iſt, ſondern nur zwei<lb/> Seitenboote außenbords und ein drittes quer vor dem Heck in<lb/> Krähnen hängen. Zwiſchen Fock- und Großmaſt befand ſich<lb/> dagegen ein anderer Gegenſtand, der unſere Vermuthung über den<lb/> wahren Charakter des Fremden zur Gewißheit erhob. Es war<lb/> dies eine ſchwere Kanone, die man zwar mit einer Preſenning —<lb/> einem getheerten Stück Segeltuch — bedeckt hatte, deren Conturen<lb/> ſich jedoch deutlich genug abzeichneten, während wir ganz klar<lb/> die metallenen Kreisſchienen auf dem Deck ſahen, auf denen das<lb/> Geſchütz ſich drehte um nach beiden Seiten ſchießen zu können.</p><lb/> <p>Jedenfalls athmeten wir frei auf, als das Unterſchiff<lb/> der Brigg ſich wieder unter den Horizont zu ſenken begann<lb/> und wir unbehelligt davon gekommen waren. Von Vertheidi-<lb/> gung hätte bei einem Angriff des Sclavenfahrers keine Rede<lb/> ſein können. Wir führten zwar zwei kleine ſechspfündige<lb/> Karronaden und es befand ſich auch ein Dutzend alter verroſteter<lb/> Gewehre an Bord, aber was wollte das gegen den langen<lb/> 24-Pfünder der Brigg ſagen, hinter dem wahrſcheinlich auch<lb/> eine waffengeübte Beſatzung von 40—50 rabiater Kerle ſtand?<lb/> Unſere Beklemmung war uns deshalb nicht zu verdenken, um-<lb/> ſomehr, als nach allem, was man über ſolche Räuber hörte,<lb/> ſie, um die Spuren ihrer Verbrechen gänzlich zu verwiſchen, das<lb/> beraubte Schiff anbohrten und es entweder in ihrer Gegenwart<lb/> mit der vorher gefeſſelten Mannſchaft ſinken oder aber letztere<lb/> „über die Planken marſchiren“ ließen. Dazu wurde eine<lb/> Planke über die Verſchanzung hinausgelegt und die unglücklichen<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [73/0085]
Eine erſte Seereiſe
Schnitt des Fahrzeugs verrieth die Bauart jener Länder. Es
ſegelte nahe hinter unſerm Heck vorüber, ohne jedoch ſcheinbar
von uns Notiz zu nehmen, und luvte dann wieder zu ſeinem
alten Curſe auf, um bei der ſtrammen Brieſe ſich eben ſo ſchnell
zu entfernen, wie es gekommen. Der unheimliche Patron paſſirte
uns auf kaum zweihundert Schritte und wir konnten ſein ganzes
Deck überſehen. Er hatte kein Großboot mittſchiffs ſtehen, wie
ſonſt bei Kauffahrern allgemein üblich iſt, ſondern nur zwei
Seitenboote außenbords und ein drittes quer vor dem Heck in
Krähnen hängen. Zwiſchen Fock- und Großmaſt befand ſich
dagegen ein anderer Gegenſtand, der unſere Vermuthung über den
wahren Charakter des Fremden zur Gewißheit erhob. Es war
dies eine ſchwere Kanone, die man zwar mit einer Preſenning —
einem getheerten Stück Segeltuch — bedeckt hatte, deren Conturen
ſich jedoch deutlich genug abzeichneten, während wir ganz klar
die metallenen Kreisſchienen auf dem Deck ſahen, auf denen das
Geſchütz ſich drehte um nach beiden Seiten ſchießen zu können.
Jedenfalls athmeten wir frei auf, als das Unterſchiff
der Brigg ſich wieder unter den Horizont zu ſenken begann
und wir unbehelligt davon gekommen waren. Von Vertheidi-
gung hätte bei einem Angriff des Sclavenfahrers keine Rede
ſein können. Wir führten zwar zwei kleine ſechspfündige
Karronaden und es befand ſich auch ein Dutzend alter verroſteter
Gewehre an Bord, aber was wollte das gegen den langen
24-Pfünder der Brigg ſagen, hinter dem wahrſcheinlich auch
eine waffengeübte Beſatzung von 40—50 rabiater Kerle ſtand?
Unſere Beklemmung war uns deshalb nicht zu verdenken, um-
ſomehr, als nach allem, was man über ſolche Räuber hörte,
ſie, um die Spuren ihrer Verbrechen gänzlich zu verwiſchen, das
beraubte Schiff anbohrten und es entweder in ihrer Gegenwart
mit der vorher gefeſſelten Mannſchaft ſinken oder aber letztere
„über die Planken marſchiren“ ließen. Dazu wurde eine
Planke über die Verſchanzung hinausgelegt und die unglücklichen
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