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Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880.

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Werner
und weiches Herz, und es ist ein charakteristischer Zug von ihm,
daß er für seine Mitmenschen bereitwillig sich selbst entblößt,
um ihnen zu helfen, und ohne weiteres sein Leben in die Schanze
schlägt, um das Anderer zu retten. Das zeigt sich so recht in
schönstem Lichte, wenn ein Mann über Bord fällt. Mag das
Wetter noch so schlecht, die Nacht finster, Sturm und See noch
so wüthend sein -- Alle drängen sich herbei, um als Freiwillige
in das Boot zu gehen und den Kameraden den zürnenden
Elementen wieder zu entreißen, obwohl der die Verhältnisse be-
sonnener überschauende Vorgesetzte, wenn auch mit schwerem Herzen,
oft entschieden dagegen auftreten und die Rettung verweigern
muß, weil die ganze Bootsbesatzung dabei zu Grunde gehen würde.

Und nun erst beim Rettungswerk an den Seeküsten, wenn
es sich darum handelt, durch die wüthende Brandung den Schiff-
brüchigen zu Hülfe zu kommen und sie vor dem nassen Grabe
zu bewahren! Welcher Heroismus, welche Hingabe, welche be-
wundernswerthe Selbstverleugnung wird da von den Rettungs-
mannschaften gezeigt! Da gilt es oft viele Stunden lang mit
fast übermenschlichen Kräften gegen Sturm und Wogen in einem
gebrechlichen Boote zu kämpfen, jeden Augenblick gewärtig, von
einer heranbrausenden Sturzsee erfaßt und in die dunkle Tiefe
geschleudert zu werden. Wie viele büßen bei diesem humanen
Werke ihr Leben ein, ohne daß die Anderen sich dadurch schrecken
lassen! Kein äußerer, irgendwie verlockender Lohn harrt ihrer,
keine laute Anerkennung schmeichelt ihrem Ehrgeiz; -- am öden
Strande abgelegener Inseln und Küsten vollziehen sich solche
heroische Acte, von denen öfter nicht einmal die nächste Umgebung
Kunde erhält. Nein, die Motive sind nur reine Menschenliebe
und ein gutes Herz, die sich willig in Thaten äußern, aber es
verschmähen, Worte darüber zu verlieren.

Im Gegentheil sucht der Matrose etwas darin, äußerlich
hart zu erscheinen, namentlich an Bord eines Schiffes. Das
Leben an Bord fordert vom Einzelnen, daß er sich nach allen

Werner
und weiches Herz, und es iſt ein charakteriſtiſcher Zug von ihm,
daß er für ſeine Mitmenſchen bereitwillig ſich ſelbſt entblößt,
um ihnen zu helfen, und ohne weiteres ſein Leben in die Schanze
ſchlägt, um das Anderer zu retten. Das zeigt ſich ſo recht in
ſchönſtem Lichte, wenn ein Mann über Bord fällt. Mag das
Wetter noch ſo ſchlecht, die Nacht finſter, Sturm und See noch
ſo wüthend ſein — Alle drängen ſich herbei, um als Freiwillige
in das Boot zu gehen und den Kameraden den zürnenden
Elementen wieder zu entreißen, obwohl der die Verhältniſſe be-
ſonnener überſchauende Vorgeſetzte, wenn auch mit ſchwerem Herzen,
oft entſchieden dagegen auftreten und die Rettung verweigern
muß, weil die ganze Bootsbeſatzung dabei zu Grunde gehen würde.

Und nun erſt beim Rettungswerk an den Seeküſten, wenn
es ſich darum handelt, durch die wüthende Brandung den Schiff-
brüchigen zu Hülfe zu kommen und ſie vor dem naſſen Grabe
zu bewahren! Welcher Heroismus, welche Hingabe, welche be-
wundernswerthe Selbſtverleugnung wird da von den Rettungs-
mannſchaften gezeigt! Da gilt es oft viele Stunden lang mit
faſt übermenſchlichen Kräften gegen Sturm und Wogen in einem
gebrechlichen Boote zu kämpfen, jeden Augenblick gewärtig, von
einer heranbrauſenden Sturzſee erfaßt und in die dunkle Tiefe
geſchleudert zu werden. Wie viele büßen bei dieſem humanen
Werke ihr Leben ein, ohne daß die Anderen ſich dadurch ſchrecken
laſſen! Kein äußerer, irgendwie verlockender Lohn harrt ihrer,
keine laute Anerkennung ſchmeichelt ihrem Ehrgeiz; — am öden
Strande abgelegener Inſeln und Küſten vollziehen ſich ſolche
heroiſche Acte, von denen öfter nicht einmal die nächſte Umgebung
Kunde erhält. Nein, die Motive ſind nur reine Menſchenliebe
und ein gutes Herz, die ſich willig in Thaten äußern, aber es
verſchmähen, Worte darüber zu verlieren.

Im Gegentheil ſucht der Matroſe etwas darin, äußerlich
hart zu erſcheinen, namentlich an Bord eines Schiffes. Das
Leben an Bord fordert vom Einzelnen, daß er ſich nach allen

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[78/0090] Werner und weiches Herz, und es iſt ein charakteriſtiſcher Zug von ihm, daß er für ſeine Mitmenſchen bereitwillig ſich ſelbſt entblößt, um ihnen zu helfen, und ohne weiteres ſein Leben in die Schanze ſchlägt, um das Anderer zu retten. Das zeigt ſich ſo recht in ſchönſtem Lichte, wenn ein Mann über Bord fällt. Mag das Wetter noch ſo ſchlecht, die Nacht finſter, Sturm und See noch ſo wüthend ſein — Alle drängen ſich herbei, um als Freiwillige in das Boot zu gehen und den Kameraden den zürnenden Elementen wieder zu entreißen, obwohl der die Verhältniſſe be- ſonnener überſchauende Vorgeſetzte, wenn auch mit ſchwerem Herzen, oft entſchieden dagegen auftreten und die Rettung verweigern muß, weil die ganze Bootsbeſatzung dabei zu Grunde gehen würde. Und nun erſt beim Rettungswerk an den Seeküſten, wenn es ſich darum handelt, durch die wüthende Brandung den Schiff- brüchigen zu Hülfe zu kommen und ſie vor dem naſſen Grabe zu bewahren! Welcher Heroismus, welche Hingabe, welche be- wundernswerthe Selbſtverleugnung wird da von den Rettungs- mannſchaften gezeigt! Da gilt es oft viele Stunden lang mit faſt übermenſchlichen Kräften gegen Sturm und Wogen in einem gebrechlichen Boote zu kämpfen, jeden Augenblick gewärtig, von einer heranbrauſenden Sturzſee erfaßt und in die dunkle Tiefe geſchleudert zu werden. Wie viele büßen bei dieſem humanen Werke ihr Leben ein, ohne daß die Anderen ſich dadurch ſchrecken laſſen! Kein äußerer, irgendwie verlockender Lohn harrt ihrer, keine laute Anerkennung ſchmeichelt ihrem Ehrgeiz; — am öden Strande abgelegener Inſeln und Küſten vollziehen ſich ſolche heroiſche Acte, von denen öfter nicht einmal die nächſte Umgebung Kunde erhält. Nein, die Motive ſind nur reine Menſchenliebe und ein gutes Herz, die ſich willig in Thaten äußern, aber es verſchmähen, Worte darüber zu verlieren. Im Gegentheil ſucht der Matroſe etwas darin, äußerlich hart zu erſcheinen, namentlich an Bord eines Schiffes. Das Leben an Bord fordert vom Einzelnen, daß er ſich nach allen

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Zitationshilfe: Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880, S. 78. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/werner_seeleben_1880/90>, abgerufen am 21.11.2024.