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Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880.

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Eine erste Seereise
schneller als je gelang. Früher hatte ich meine Kräfte sehr an-
strengen müssen, um das ziemlich große trockene Segel allein
zu bewältigen, heute war es naß und doch war ich in wenigen
Minuten damit fertig und wieder an Deck. Ich fand die Leute
der Wache bei der Kombüse zusammenstehen und geheimnißvoll
flüstern, als ob etwas außergewöhnliches passirt sei. Als ich
zu ihnen herantrat, blickten sie mich so sonderbar an, daß es
mir auffiel. "Hast Du ihn gesehen, Reinhold?" redete mich
der Bootsmann mit gedämpfter Stimme an. Es war das erste
Mal auf der Reise, daß er mich bei meinem richtigen Namen
nannte.

"Wen?" fragte ich, erstaunt über das feierliche und unge-
wohnte Wesen des Bootsmanns.

"Heinrich!" lautete die Antwort.

"Welchen Heinrich?" Die Sache wurde mir immer un-
verständlicher, es befand sich gar kein Heinrich an Bord.

"Nun, Heinrich Petersen! Er war ja bei Dir auf der
Raa und half Dir das Segel festmachen, sonst hättest Du es
in der kurzen Zeit nicht fertig bekommen."

Ich starrte den Bootsmann an und zweifelte an seinem
Verstande. Heinrich Petersen war ja in der Nordsee ertrunken
und sollte bei mir auf der Raa gewesen sein?

"Was siehst Du mich so an? Es ist so wie ich Dir
sage, aber Du brauchst deshalb nicht besorgt zu sein. Er stand
hinter Dir und das schadet nichts. Wenn er Jemand holen
will, dann setzt er sich ihm auf die Schultern."

Ich wußte noch immer nicht, was ich davon denken sollte
und blickte fragend auf die übrigen Leute.

"Ja ja, wir alle haben ihn gesehen", sagte der Segel-
macher, "und" . . . .

"Da ist er wieder", rief halblaut in diesem Augenblicke
einer der Matrosen. Alle Blicke wandten sich nach oben und
auch die meinen folgten. Unwillkürlich erschrak ich; dort oben

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Eine erſte Seereiſe
ſchneller als je gelang. Früher hatte ich meine Kräfte ſehr an-
ſtrengen müſſen, um das ziemlich große trockene Segel allein
zu bewältigen, heute war es naß und doch war ich in wenigen
Minuten damit fertig und wieder an Deck. Ich fand die Leute
der Wache bei der Kombüſe zuſammenſtehen und geheimnißvoll
flüſtern, als ob etwas außergewöhnliches paſſirt ſei. Als ich
zu ihnen herantrat, blickten ſie mich ſo ſonderbar an, daß es
mir auffiel. „Haſt Du ihn geſehen, Reinhold?“ redete mich
der Bootsmann mit gedämpfter Stimme an. Es war das erſte
Mal auf der Reiſe, daß er mich bei meinem richtigen Namen
nannte.

„Wen?“ fragte ich, erſtaunt über das feierliche und unge-
wohnte Weſen des Bootsmanns.

„Heinrich!“ lautete die Antwort.

„Welchen Heinrich?“ Die Sache wurde mir immer un-
verſtändlicher, es befand ſich gar kein Heinrich an Bord.

„Nun, Heinrich Peterſen! Er war ja bei Dir auf der
Raa und half Dir das Segel feſtmachen, ſonſt hätteſt Du es
in der kurzen Zeit nicht fertig bekommen.“

Ich ſtarrte den Bootsmann an und zweifelte an ſeinem
Verſtande. Heinrich Peterſen war ja in der Nordſee ertrunken
und ſollte bei mir auf der Raa geweſen ſein?

„Was ſiehſt Du mich ſo an? Es iſt ſo wie ich Dir
ſage, aber Du brauchſt deshalb nicht beſorgt zu ſein. Er ſtand
hinter Dir und das ſchadet nichts. Wenn er Jemand holen
will, dann ſetzt er ſich ihm auf die Schultern.“

Ich wußte noch immer nicht, was ich davon denken ſollte
und blickte fragend auf die übrigen Leute.

„Ja ja, wir alle haben ihn geſehen“, ſagte der Segel-
macher, „und“ . . . .

„Da iſt er wieder“, rief halblaut in dieſem Augenblicke
einer der Matroſen. Alle Blicke wandten ſich nach oben und
auch die meinen folgten. Unwillkürlich erſchrak ich; dort oben

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[83/0095] Eine erſte Seereiſe ſchneller als je gelang. Früher hatte ich meine Kräfte ſehr an- ſtrengen müſſen, um das ziemlich große trockene Segel allein zu bewältigen, heute war es naß und doch war ich in wenigen Minuten damit fertig und wieder an Deck. Ich fand die Leute der Wache bei der Kombüſe zuſammenſtehen und geheimnißvoll flüſtern, als ob etwas außergewöhnliches paſſirt ſei. Als ich zu ihnen herantrat, blickten ſie mich ſo ſonderbar an, daß es mir auffiel. „Haſt Du ihn geſehen, Reinhold?“ redete mich der Bootsmann mit gedämpfter Stimme an. Es war das erſte Mal auf der Reiſe, daß er mich bei meinem richtigen Namen nannte. „Wen?“ fragte ich, erſtaunt über das feierliche und unge- wohnte Weſen des Bootsmanns. „Heinrich!“ lautete die Antwort. „Welchen Heinrich?“ Die Sache wurde mir immer un- verſtändlicher, es befand ſich gar kein Heinrich an Bord. „Nun, Heinrich Peterſen! Er war ja bei Dir auf der Raa und half Dir das Segel feſtmachen, ſonſt hätteſt Du es in der kurzen Zeit nicht fertig bekommen.“ Ich ſtarrte den Bootsmann an und zweifelte an ſeinem Verſtande. Heinrich Peterſen war ja in der Nordſee ertrunken und ſollte bei mir auf der Raa geweſen ſein? „Was ſiehſt Du mich ſo an? Es iſt ſo wie ich Dir ſage, aber Du brauchſt deshalb nicht beſorgt zu ſein. Er ſtand hinter Dir und das ſchadet nichts. Wenn er Jemand holen will, dann ſetzt er ſich ihm auf die Schultern.“ Ich wußte noch immer nicht, was ich davon denken ſollte und blickte fragend auf die übrigen Leute. „Ja ja, wir alle haben ihn geſehen“, ſagte der Segel- macher, „und“ . . . . „Da iſt er wieder“, rief halblaut in dieſem Augenblicke einer der Matroſen. Alle Blicke wandten ſich nach oben und auch die meinen folgten. Unwillkürlich erſchrak ich; dort oben 6*

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Zitationshilfe: Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880, S. 83. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/werner_seeleben_1880/95>, abgerufen am 21.11.2024.