Wetzel, Franz Xaver: Reisebegleiter für Jünglinge. Ravensburg, [1901].Mönchenstein fuhr. Einige Augenblicke vor An- Der Nachmittagszug fuhr durch die unfrucht- Mönchenstein fuhr. Einige Augenblicke vor An- Der Nachmittagszug fuhr durch die unfrucht- <TEI> <text> <body> <div n="3"> <div n="5"> <p><pb facs="#f0035" xml:id="W544R3_001_1901_pb0029_0001" n="29"/> Mönchenstein fuhr. Einige Augenblicke vor An-<lb/> kunft auf der Brücke über die Birs kam der<lb/> Schaffner und forderte die Billete. Als er die<lb/> betenden Frauen erblickte, stimmte er in das Ge-<lb/> lächter der Fahrgäste ein. In demselben Augen-<lb/> blicke ertönt ein Krachen, die Brücke bricht zu-<lb/> sammen, der Zug stürzt in die Tiefe. Unter den<lb/> Leichnamen und Verwundeten, die man aus den<lb/> Trümmern zog, befanden sich auch jene 2 Frauen:<lb/> Die Kleider waren zersetzt und mit Blut über-<lb/> ronnen, <hi rendition="#g">aber sie selber hatten nicht den<lb/> geringsten Schaden genommen</hi>. Das Blut<lb/> rührte von den übrigen Passagieren her, die ent-<lb/> weder tot oder schrecklich verstümmelt waren.<lb/> Einem Manne und einer Frau, die unmittelbar<lb/> daneben gesessen, wurden die Beine ganz zerquetscht<lb/> und zermalmt.</p> <p>Der Nachmittagszug fuhr durch die unfrucht-<lb/> bare Eifelgegend dahin. Es war vor zwei Jahren,<lb/> im Sommer. Auf einer Station stieg ein alter,<lb/> schlecht gekleideter Mann ein. Kaum saß er im<lb/> Wagen, so zog er seinen Rosenkranz hervor. Die<lb/> Mitreisenden spotteten. Bald merkten sie, daß er<lb/> nicht gut höre. Da erlaubten sich ein paar junge<lb/> Burschen einen bösen Streich. <q>„Ihr wollet nach<lb/> G.“</q>? schrie ihm einer ins Ohr. Der Alte be-<lb/> jahte es lebhaft. – <q>„So steiget schnell aus!“</q> –<lb/> Und der alte Mann verließ, so schnell er konnte,<lb/> den Wagen, obwohl es nicht die gewünschte<lb/> Station war. Der Zug fuhr weiter. Schallendes<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [29/0035]
Mönchenstein fuhr. Einige Augenblicke vor An-
kunft auf der Brücke über die Birs kam der
Schaffner und forderte die Billete. Als er die
betenden Frauen erblickte, stimmte er in das Ge-
lächter der Fahrgäste ein. In demselben Augen-
blicke ertönt ein Krachen, die Brücke bricht zu-
sammen, der Zug stürzt in die Tiefe. Unter den
Leichnamen und Verwundeten, die man aus den
Trümmern zog, befanden sich auch jene 2 Frauen:
Die Kleider waren zersetzt und mit Blut über-
ronnen, aber sie selber hatten nicht den
geringsten Schaden genommen. Das Blut
rührte von den übrigen Passagieren her, die ent-
weder tot oder schrecklich verstümmelt waren.
Einem Manne und einer Frau, die unmittelbar
daneben gesessen, wurden die Beine ganz zerquetscht
und zermalmt.
Der Nachmittagszug fuhr durch die unfrucht-
bare Eifelgegend dahin. Es war vor zwei Jahren,
im Sommer. Auf einer Station stieg ein alter,
schlecht gekleideter Mann ein. Kaum saß er im
Wagen, so zog er seinen Rosenkranz hervor. Die
Mitreisenden spotteten. Bald merkten sie, daß er
nicht gut höre. Da erlaubten sich ein paar junge
Burschen einen bösen Streich. „Ihr wollet nach
G.“? schrie ihm einer ins Ohr. Der Alte be-
jahte es lebhaft. – „So steiget schnell aus!“ –
Und der alte Mann verließ, so schnell er konnte,
den Wagen, obwohl es nicht die gewünschte
Station war. Der Zug fuhr weiter. Schallendes
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