Menschheit zu halten und dadurch glücklicher zu werden. -- Meinst du nicht, Freund? redte er den Medardus an. --
Ja, Brüderchen, war seine Antwort, ich dächte selber, daß in einem freyen Lande ein Krug Apfelwein tausendmal schöner schmecken müßte, weil er über eine freye Zunge geht: aber wenn nicht solche Weiberchen zu haben sind, wie meine verstorbne, -- ey! Schade für die Freiheit! --
Fromal lächelte und fuhr in seiner Erzäh- lung fort. -- Jn London machte ich die Be- kanntschaft einer ziemlich reichen Kaufmanns- wittwe, die wegen einer empfindlichen Be- schimpfung, die sie erlitten hatte, den festen Entschluß faßte, ihr Vaterland zu verlassen: ich bot ihr meine Begleitung und meine Per- son an; wir heiratheten einander und zogen zusammen in die Türkey, wo sie einen Vetter beerbte: ich theilte den Genuß ihres Vermö- gens und dünkte mir glücklich. Das Schick- sal kollerte mich aufwärts, izt wieder unter- wärts; wer kann sich dem Schicksale wider-
Menſchheit zu halten und dadurch gluͤcklicher zu werden. — Meinſt du nicht, Freund? redte er den Medardus an. —
Ja, Bruͤderchen, war ſeine Antwort, ich daͤchte ſelber, daß in einem freyen Lande ein Krug Apfelwein tauſendmal ſchoͤner ſchmecken muͤßte, weil er uͤber eine freye Zunge geht: aber wenn nicht ſolche Weiberchen zu haben ſind, wie meine verſtorbne, — ey! Schade fuͤr die Freiheit! —
Fromal laͤchelte und fuhr in ſeiner Erzaͤh- lung fort. — Jn London machte ich die Be- kanntſchaft einer ziemlich reichen Kaufmanns- wittwe, die wegen einer empfindlichen Be- ſchimpfung, die ſie erlitten hatte, den feſten Entſchluß faßte, ihr Vaterland zu verlaſſen: ich bot ihr meine Begleitung und meine Per- ſon an; wir heiratheten einander und zogen zuſammen in die Tuͤrkey, wo ſie einen Vetter beerbte: ich theilte den Genuß ihres Vermoͤ- gens und duͤnkte mir gluͤcklich. Das Schick- ſal kollerte mich aufwaͤrts, izt wieder unter- waͤrts; wer kann ſich dem Schickſale wider-
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Menſchheit zu halten und dadurch gluͤcklicher
zu werden. — Meinſt du nicht, Freund?
redte er den Medardus an. —
Ja, Bruͤderchen, war ſeine Antwort, ich
daͤchte ſelber, daß in einem freyen Lande ein
Krug Apfelwein tauſendmal ſchoͤner ſchmecken
muͤßte, weil er uͤber eine freye Zunge geht:
aber wenn nicht ſolche Weiberchen zu haben
ſind, wie meine verſtorbne, — ey! Schade
fuͤr die Freiheit! —
Fromal laͤchelte und fuhr in ſeiner Erzaͤh-
lung fort. — Jn London machte ich die Be-
kanntſchaft einer ziemlich reichen Kaufmanns-
wittwe, die wegen einer empfindlichen Be-
ſchimpfung, die ſie erlitten hatte, den feſten
Entſchluß faßte, ihr Vaterland zu verlaſſen:
ich bot ihr meine Begleitung und meine Per-
ſon an; wir heiratheten einander und zogen
zuſammen in die Tuͤrkey, wo ſie einen Vetter
beerbte: ich theilte den Genuß ihres Vermoͤ-
gens und duͤnkte mir gluͤcklich. Das Schick-
ſal kollerte mich aufwaͤrts, izt wieder unter-
waͤrts; wer kann ſich dem Schickſale wider-
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Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 1. Leipzig, 1776, S. 171. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor01_1776/191>, abgerufen am 20.07.2024.
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