Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 1. Leipzig, 1776.

Bild:
<< vorherige Seite



zu verachten, zu verfolgen. -- Was sind
Städte anders als Fechtplätze, wo man mit
Verläumdungen streitet? -- Alles, alles
nüzten die Menschen, um den Naturkrieg fort-
zusetzen, von dem unsre Kultur nichts als
eine veränderte gemilderte Form ist, wie ich
vorhin sagte.

Es wurden Monarchen; man kämpfte um
ihre Gunst. Es wurden Ehren, Titel und
Würden; man kämpfte darum. Doch unter
den vielen possierlichen Kriegen hat mir kei-
ner mehr Laune gegeben, als der Kampf um
öffentlichen Beifall. Wenn ein Dichter
über alle seine werthen Zunftgenossen sich bit-
ter satirisch lustig macht, ist das etwas anders
als zu dem Publikum sagen: ihr lieben Leute,
ich will euch zwingen, daß ihr mich alle für
den größten Geist erkennen sollt; und hat er
sich in den Besiz seines gesuchten Ruhms hin-
eingedrängt, so hat er nichts gethan, als die
Leute beredet daß sie ihm den Gefallen er-
zeigt und ihn für etwas Großes gehalten ha-
ben. -- Was sind Spiele, gesellschaftliche
Ergötzungen anders als Kriege im Grunde?
Auch wenn er sich die Zeit verkürzen soll, muß
der Mensch streiten, mit der Karte, dem



zu verachten, zu verfolgen. — Was ſind
Staͤdte anders als Fechtplaͤtze, wo man mit
Verlaͤumdungen ſtreitet? — Alles, alles
nuͤzten die Menſchen, um den Naturkrieg fort-
zuſetzen, von dem unſre Kultur nichts als
eine veraͤnderte gemilderte Form iſt, wie ich
vorhin ſagte.

Es wurden Monarchen; man kaͤmpfte um
ihre Gunſt. Es wurden Ehren, Titel und
Wuͤrden; man kaͤmpfte darum. Doch unter
den vielen poſſierlichen Kriegen hat mir kei-
ner mehr Laune gegeben, als der Kampf um
oͤffentlichen Beifall. Wenn ein Dichter
uͤber alle ſeine werthen Zunftgenoſſen ſich bit-
ter ſatiriſch luſtig macht, iſt das etwas anders
als zu dem Publikum ſagen: ihr lieben Leute,
ich will euch zwingen, daß ihr mich alle fuͤr
den groͤßten Geiſt erkennen ſollt; und hat er
ſich in den Beſiz ſeines geſuchten Ruhms hin-
eingedraͤngt, ſo hat er nichts gethan, als die
Leute beredet daß ſie ihm den Gefallen er-
zeigt und ihn fuͤr etwas Großes gehalten ha-
ben. — Was ſind Spiele, geſellſchaftliche
Ergoͤtzungen anders als Kriege im Grunde?
Auch wenn er ſich die Zeit verkuͤrzen ſoll, muß
der Menſch ſtreiten, mit der Karte, dem

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0236" n="216"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
zu verachten, zu verfolgen. &#x2014; Was &#x017F;ind<lb/>
Sta&#x0364;dte anders als Fechtpla&#x0364;tze, wo man mit<lb/>
Verla&#x0364;umdungen &#x017F;treitet? &#x2014; Alles, alles<lb/>
nu&#x0364;zten die Men&#x017F;chen, um den Naturkrieg fort-<lb/>
zu&#x017F;etzen, von dem un&#x017F;re Kultur nichts als<lb/>
eine vera&#x0364;nderte gemilderte Form i&#x017F;t, wie ich<lb/>
vorhin &#x017F;agte.</p><lb/>
        <p>Es wurden Monarchen; man ka&#x0364;mpfte um<lb/>
ihre Gun&#x017F;t. Es wurden Ehren, Titel und<lb/>
Wu&#x0364;rden; man ka&#x0364;mpfte darum. Doch unter<lb/>
den vielen po&#x017F;&#x017F;ierlichen Kriegen hat mir kei-<lb/>
ner mehr Laune gegeben, als der Kampf um<lb/>
o&#x0364;ffentlichen Beifall. Wenn ein Dichter<lb/>
u&#x0364;ber alle &#x017F;eine werthen Zunftgeno&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ich bit-<lb/>
ter &#x017F;atiri&#x017F;ch lu&#x017F;tig macht, i&#x017F;t das etwas anders<lb/>
als zu dem Publikum &#x017F;agen: ihr lieben Leute,<lb/>
ich will euch zwingen, daß ihr <hi rendition="#fr">mich</hi> alle fu&#x0364;r<lb/>
den gro&#x0364;ßten Gei&#x017F;t erkennen &#x017F;ollt; und hat er<lb/>
&#x017F;ich in den Be&#x017F;iz &#x017F;eines ge&#x017F;uchten Ruhms hin-<lb/>
eingedra&#x0364;ngt, &#x017F;o hat er nichts gethan, als die<lb/>
Leute <hi rendition="#fr">beredet</hi> daß &#x017F;ie ihm den Gefallen er-<lb/>
zeigt und ihn fu&#x0364;r etwas Großes gehalten ha-<lb/>
ben. &#x2014; Was &#x017F;ind Spiele, ge&#x017F;ell&#x017F;chaftliche<lb/>
Ergo&#x0364;tzungen anders als Kriege im Grunde?<lb/>
Auch wenn er &#x017F;ich die Zeit verku&#x0364;rzen &#x017F;oll, muß<lb/>
der Men&#x017F;ch &#x017F;treiten, mit der Karte, dem<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[216/0236] zu verachten, zu verfolgen. — Was ſind Staͤdte anders als Fechtplaͤtze, wo man mit Verlaͤumdungen ſtreitet? — Alles, alles nuͤzten die Menſchen, um den Naturkrieg fort- zuſetzen, von dem unſre Kultur nichts als eine veraͤnderte gemilderte Form iſt, wie ich vorhin ſagte. Es wurden Monarchen; man kaͤmpfte um ihre Gunſt. Es wurden Ehren, Titel und Wuͤrden; man kaͤmpfte darum. Doch unter den vielen poſſierlichen Kriegen hat mir kei- ner mehr Laune gegeben, als der Kampf um oͤffentlichen Beifall. Wenn ein Dichter uͤber alle ſeine werthen Zunftgenoſſen ſich bit- ter ſatiriſch luſtig macht, iſt das etwas anders als zu dem Publikum ſagen: ihr lieben Leute, ich will euch zwingen, daß ihr mich alle fuͤr den groͤßten Geiſt erkennen ſollt; und hat er ſich in den Beſiz ſeines geſuchten Ruhms hin- eingedraͤngt, ſo hat er nichts gethan, als die Leute beredet daß ſie ihm den Gefallen er- zeigt und ihn fuͤr etwas Großes gehalten ha- ben. — Was ſind Spiele, geſellſchaftliche Ergoͤtzungen anders als Kriege im Grunde? Auch wenn er ſich die Zeit verkuͤrzen ſoll, muß der Menſch ſtreiten, mit der Karte, dem

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor01_1776
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor01_1776/236
Zitationshilfe: Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 1. Leipzig, 1776, S. 216. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor01_1776/236>, abgerufen am 21.11.2024.