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Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 1. Leipzig, 1776.

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menstürzen könnten, ehe Zufall, Schicksal,
Glück, Macht und Reichthum ihnen die min-
deste Regung des Neides oder der Grausam-
keit einflößen würden.

Fr. Nicht den leichtesten Schwur thue ich
für mein Herz. Wenn alle Menschen bisher,
so bald ihr Neid, ihre Vorzugssucht Zunder
bekam, entglommen, und wenn nicht andre
Rücksichten und Triebe sie abhielten, in Krieg,
ein jeder auf seine Art, ausbrachen, warum soll-
te ich so stolz seyn, mich für die einzige glück-
liche Ausnahme zu achten? -- Kommt, Brü-
der! wir wollen uns lieben, so lange wir
können, so lange nur Datteln uns entzweyen
müßten; -- und so standhaft wird doch we-
nigstens unsre Freundschaft seyn, daß sie sich
wider eine Dattel vertheidigen kann? -- Hier
in Wüsten, in der Einsamkeit, wo kein Neid,
kein Jnteresse, kein Vorzug uns aufwiegeln
kann, hier laßt uns unser trauriges Schick-
sal verbessern, und den Nutzen für unsre
Freundschaft daraus ziehn, den die Dürf-
tigkeit uns anbeut!

Belphegor und Fromal umarmten sich
freundschaftlich, indessen daß dieser versicher-



menſtuͤrzen koͤnnten, ehe Zufall, Schickſal,
Gluͤck, Macht und Reichthum ihnen die min-
deſte Regung des Neides oder der Grauſam-
keit einfloͤßen wuͤrden.

Fr. Nicht den leichteſten Schwur thue ich
fuͤr mein Herz. Wenn alle Menſchen bisher,
ſo bald ihr Neid, ihre Vorzugsſucht Zunder
bekam, entglommen, und wenn nicht andre
Ruͤckſichten und Triebe ſie abhielten, in Krieg,
ein jeder auf ſeine Art, ausbrachen, warum ſoll-
te ich ſo ſtolz ſeyn, mich fuͤr die einzige gluͤck-
liche Ausnahme zu achten? — Kommt, Bruͤ-
der! wir wollen uns lieben, ſo lange wir
koͤnnen, ſo lange nur Datteln uns entzweyen
muͤßten; — und ſo ſtandhaft wird doch we-
nigſtens unſre Freundſchaft ſeyn, daß ſie ſich
wider eine Dattel vertheidigen kann? — Hier
in Wuͤſten, in der Einſamkeit, wo kein Neid,
kein Jntereſſe, kein Vorzug uns aufwiegeln
kann, hier laßt uns unſer trauriges Schick-
ſal verbeſſern, und den Nutzen fuͤr unſre
Freundſchaft daraus ziehn, den die Duͤrf-
tigkeit uns anbeut!

Belphegor und Fromal umarmten ſich
freundſchaftlich, indeſſen daß dieſer verſicher-

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[221/0241] menſtuͤrzen koͤnnten, ehe Zufall, Schickſal, Gluͤck, Macht und Reichthum ihnen die min- deſte Regung des Neides oder der Grauſam- keit einfloͤßen wuͤrden. Fr. Nicht den leichteſten Schwur thue ich fuͤr mein Herz. Wenn alle Menſchen bisher, ſo bald ihr Neid, ihre Vorzugsſucht Zunder bekam, entglommen, und wenn nicht andre Ruͤckſichten und Triebe ſie abhielten, in Krieg, ein jeder auf ſeine Art, ausbrachen, warum ſoll- te ich ſo ſtolz ſeyn, mich fuͤr die einzige gluͤck- liche Ausnahme zu achten? — Kommt, Bruͤ- der! wir wollen uns lieben, ſo lange wir koͤnnen, ſo lange nur Datteln uns entzweyen muͤßten; — und ſo ſtandhaft wird doch we- nigſtens unſre Freundſchaft ſeyn, daß ſie ſich wider eine Dattel vertheidigen kann? — Hier in Wuͤſten, in der Einſamkeit, wo kein Neid, kein Jntereſſe, kein Vorzug uns aufwiegeln kann, hier laßt uns unſer trauriges Schick- ſal verbeſſern, und den Nutzen fuͤr unſre Freundſchaft daraus ziehn, den die Duͤrf- tigkeit uns anbeut! Belphegor und Fromal umarmten ſich freundſchaftlich, indeſſen daß dieſer verſicher-

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Zitationshilfe: Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 1. Leipzig, 1776, S. 221. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor01_1776/241>, abgerufen am 21.11.2024.