Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 1. Leipzig, 1776.die blutende Klaue, bis das Blut gestillt war: alsdann sprang er auf, lehnte sich an Fro- maln hinan, der jeden Augenblick statt des Honorariums seinen Tod erwartete, und leckte dankbar sein Gesicht mit der breiten Zunge, daß es von Geifer triefte. Diese großmüthige Gesinnung erwarb ihm das Zu- trauen der ganzen Gesellschaft so sehr, daß sie ihm ihre Hochachtung und aufrichtige Er- gebenheit durch Liebkosungen von jeder Art an den Tag legten, die er mit erhabner Ma- jestät in Gnaden anzunehmen geruhte. Da man aber befürchtete, daß bey längerer Ge- sellschaft der Hunger endlich in nahrungslo- sen Zeiten die Dankbarkeit des Monarchen ersticken, und er seine eifrigen Verehrer als- dann aufspeisen möchte, so dachte man auf eine heimliche Entfliehung von ihm. Doch jeden Schritt, den Fromal that, begleitete er; er war sein Busenfreund. Mitten unter diesen Ueberlegungen und den
die blutende Klaue, bis das Blut geſtillt war: alsdann ſprang er auf, lehnte ſich an Fro- maln hinan, der jeden Augenblick ſtatt des Honorariums ſeinen Tod erwartete, und leckte dankbar ſein Geſicht mit der breiten Zunge, daß es von Geifer triefte. Dieſe großmuͤthige Geſinnung erwarb ihm das Zu- trauen der ganzen Geſellſchaft ſo ſehr, daß ſie ihm ihre Hochachtung und aufrichtige Er- gebenheit durch Liebkoſungen von jeder Art an den Tag legten, die er mit erhabner Ma- jeſtaͤt in Gnaden anzunehmen geruhte. Da man aber befuͤrchtete, daß bey laͤngerer Ge- ſellſchaft der Hunger endlich in nahrungslo- ſen Zeiten die Dankbarkeit des Monarchen erſticken, und er ſeine eifrigen Verehrer als- dann aufſpeiſen moͤchte, ſo dachte man auf eine heimliche Entfliehung von ihm. Doch jeden Schritt, den Fromal that, begleitete er; er war ſein Buſenfreund. Mitten unter dieſen Ueberlegungen und den
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0244" n="224"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> die blutende Klaue, bis das Blut geſtillt war:<lb/> alsdann ſprang er auf, lehnte ſich an Fro-<lb/> maln hinan, der jeden Augenblick ſtatt des<lb/> Honorariums ſeinen Tod erwartete, und<lb/> leckte dankbar ſein Geſicht mit der breiten<lb/> Zunge, daß es von Geifer triefte. Dieſe<lb/> großmuͤthige Geſinnung erwarb ihm das Zu-<lb/> trauen der ganzen Geſellſchaft ſo ſehr, daß<lb/> ſie ihm ihre Hochachtung und aufrichtige Er-<lb/> gebenheit durch Liebkoſungen von jeder Art<lb/> an den Tag legten, die er mit erhabner Ma-<lb/> jeſtaͤt in Gnaden anzunehmen geruhte. Da<lb/> man aber befuͤrchtete, daß bey laͤngerer Ge-<lb/> ſellſchaft der Hunger endlich in nahrungslo-<lb/> ſen Zeiten die Dankbarkeit des Monarchen<lb/> erſticken, und er ſeine eifrigen Verehrer als-<lb/> dann aufſpeiſen moͤchte, ſo dachte man auf<lb/> eine heimliche Entfliehung von ihm. Doch<lb/> jeden Schritt, den Fromal that, begleitete<lb/> er; er war ſein Buſenfreund.</p><lb/> <p>Mitten unter dieſen Ueberlegungen und<lb/> Bemuͤhungen, ſeiner Freundſchaft zu entwi-<lb/> ſchen, kam ein Trupp von ſchwarzen Ein-<lb/> wohnern des Landes, die kaum den Loͤwen<lb/> erblickten, als ſie ſich ihm mit den ehrerbie-<lb/> tigſten Konvulſionen und feierlichſten Geber-<lb/> <fw place="bottom" type="catch">den</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [224/0244]
die blutende Klaue, bis das Blut geſtillt war:
alsdann ſprang er auf, lehnte ſich an Fro-
maln hinan, der jeden Augenblick ſtatt des
Honorariums ſeinen Tod erwartete, und
leckte dankbar ſein Geſicht mit der breiten
Zunge, daß es von Geifer triefte. Dieſe
großmuͤthige Geſinnung erwarb ihm das Zu-
trauen der ganzen Geſellſchaft ſo ſehr, daß
ſie ihm ihre Hochachtung und aufrichtige Er-
gebenheit durch Liebkoſungen von jeder Art
an den Tag legten, die er mit erhabner Ma-
jeſtaͤt in Gnaden anzunehmen geruhte. Da
man aber befuͤrchtete, daß bey laͤngerer Ge-
ſellſchaft der Hunger endlich in nahrungslo-
ſen Zeiten die Dankbarkeit des Monarchen
erſticken, und er ſeine eifrigen Verehrer als-
dann aufſpeiſen moͤchte, ſo dachte man auf
eine heimliche Entfliehung von ihm. Doch
jeden Schritt, den Fromal that, begleitete
er; er war ſein Buſenfreund.
Mitten unter dieſen Ueberlegungen und
Bemuͤhungen, ſeiner Freundſchaft zu entwi-
ſchen, kam ein Trupp von ſchwarzen Ein-
wohnern des Landes, die kaum den Loͤwen
erblickten, als ſie ſich ihm mit den ehrerbie-
tigſten Konvulſionen und feierlichſten Geber-
den
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |