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Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 1. Leipzig, 1776.

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vertrieben, und vertrieb -- kurz, er spielte
das ganze langweilige Lied der politischen Ge-
schichte, das sich aber seiner Seits mit dem
vertrieben werden endigte. Der Mo-
narch von Segelmesse bekam ihn gefangen
und verurtheilte ihn kraft aller göttlichen und
menschlichen Gesetze, das heißt, kraft der her-
gebrachten Gewohnheit zum Tode.

Da er nichts gewisser als den Scharsrich-
ter erwartete, der Leib und Seele trennen
sollte, so wurde ihm seine Befreyung ange-
kündigt, die er einem von den heiligen Thie-
ren zu danken hätte: es fiel ihm ein, daß
Medardus zu der Ehre eines Platzes unter
dem heiligen Vieh gelangt seyn sollte, und
überließ sich der angenehmen Einbildung,
daß seine Rettung von ihm herrühre. Er
verlangte seinem Versprecher in eigner Per-
son zu danken; allein da kein profaner Blick
auf ein heiliges Thier fallen darf, so mußte
er seinen Dank einem Bevollmächtigten an-
vertrauen, der ihn an Ort und Stelle über-
lieferte. Demungeachtet wurde er aus dem
Reiche verbannet und ihm auf ewig unter-
sagt, sich in den Gränzen des segelmessischen
Monarchen blicken zu lassen, wenn er nicht

vertrieben, und vertrieb — kurz, er ſpielte
das ganze langweilige Lied der politiſchen Ge-
ſchichte, das ſich aber ſeiner Seits mit dem
vertrieben werden endigte. Der Mo-
narch von Segelmeſſe bekam ihn gefangen
und verurtheilte ihn kraft aller goͤttlichen und
menſchlichen Geſetze, das heißt, kraft der her-
gebrachten Gewohnheit zum Tode.

Da er nichts gewiſſer als den Scharſrich-
ter erwartete, der Leib und Seele trennen
ſollte, ſo wurde ihm ſeine Befreyung ange-
kuͤndigt, die er einem von den heiligen Thie-
ren zu danken haͤtte: es fiel ihm ein, daß
Medardus zu der Ehre eines Platzes unter
dem heiligen Vieh gelangt ſeyn ſollte, und
uͤberließ ſich der angenehmen Einbildung,
daß ſeine Rettung von ihm herruͤhre. Er
verlangte ſeinem Verſprecher in eigner Per-
ſon zu danken; allein da kein profaner Blick
auf ein heiliges Thier fallen darf, ſo mußte
er ſeinen Dank einem Bevollmaͤchtigten an-
vertrauen, der ihn an Ort und Stelle uͤber-
lieferte. Demungeachtet wurde er aus dem
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[269/0289] vertrieben, und vertrieb — kurz, er ſpielte das ganze langweilige Lied der politiſchen Ge- ſchichte, das ſich aber ſeiner Seits mit dem vertrieben werden endigte. Der Mo- narch von Segelmeſſe bekam ihn gefangen und verurtheilte ihn kraft aller goͤttlichen und menſchlichen Geſetze, das heißt, kraft der her- gebrachten Gewohnheit zum Tode. Da er nichts gewiſſer als den Scharſrich- ter erwartete, der Leib und Seele trennen ſollte, ſo wurde ihm ſeine Befreyung ange- kuͤndigt, die er einem von den heiligen Thie- ren zu danken haͤtte: es fiel ihm ein, daß Medardus zu der Ehre eines Platzes unter dem heiligen Vieh gelangt ſeyn ſollte, und uͤberließ ſich der angenehmen Einbildung, daß ſeine Rettung von ihm herruͤhre. Er verlangte ſeinem Verſprecher in eigner Per- ſon zu danken; allein da kein profaner Blick auf ein heiliges Thier fallen darf, ſo mußte er ſeinen Dank einem Bevollmaͤchtigten an- vertrauen, der ihn an Ort und Stelle uͤber- lieferte. Demungeachtet wurde er aus dem Reiche verbannet und ihm auf ewig unter- ſagt, ſich in den Graͤnzen des ſegelmeſſiſchen Monarchen blicken zu laſſen, wenn er nicht

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Zitationshilfe: Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 1. Leipzig, 1776, S. 269. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor01_1776/289>, abgerufen am 22.11.2024.