Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 1. Leipzig, 1776.

Bild:
<< vorherige Seite

vertrauter Freund geworden: doch izt wurde
er über die schnelle Genesung seines Freundes
neidisch, und biß ihn des Nachts in den kaum
geheilten Arm; die Wunde wurde so gefährlich,
daß der Arm beinahe abgelöst werden mußte.

Nach einem langen Kampfe mit Schmer-
zen und dem Neide seines Freundes wurde
er wiederhergestellt und der Willkühr des
Schicksals übergeben.

Seine erste Auswanderung machte ihn
schon wieder zum Märtyrer seines guten Her-
zens. Er langte in einem Dorfe an, wo
eben das gräßlichste Weiberscharmützel das
Publikum belustigte. Ein Mädchen, das der
ganzr weibliche Theil der Kirchfahrt ärger
als den Teufel haßte, weil es von Jugend
an sich durch seine Kleidung unterschieden
hatte, war in einem saubern Anzuge, einem
ehrbaren Geschenke von der Regentinn des
Dorfs, in der Kirche erschienen. Jedermann
empfand, wie billig, den lebhaftesten Abscheu
und Aerger über eine solche Hoffart: man
murmelte die ganze Kirche hindurch, man
schimpfte bey dem Herausgehn, und auf ein-
mal stürzte die anwesende weibliche Christen-
heit mit geschloßnen Gliedern auf die schön-

vertrauter Freund geworden: doch izt wurde
er uͤber die ſchnelle Geneſung ſeines Freundes
neidiſch, und biß ihn des Nachts in den kaum
geheilten Arm; die Wunde wurde ſo gefaͤhrlich,
daß der Arm beinahe abgeloͤſt werden mußte.

Nach einem langen Kampfe mit Schmer-
zen und dem Neide ſeines Freundes wurde
er wiederhergeſtellt und der Willkuͤhr des
Schickſals uͤbergeben.

Seine erſte Auswanderung machte ihn
ſchon wieder zum Maͤrtyrer ſeines guten Her-
zens. Er langte in einem Dorfe an, wo
eben das graͤßlichſte Weiberſcharmuͤtzel das
Publikum beluſtigte. Ein Maͤdchen, das der
ganzꝛ weibliche Theil der Kirchfahrt aͤrger
als den Teufel haßte, weil es von Jugend
an ſich durch ſeine Kleidung unterſchieden
hatte, war in einem ſaubern Anzuge, einem
ehrbaren Geſchenke von der Regentinn des
Dorfs, in der Kirche erſchienen. Jedermann
empfand, wie billig, den lebhafteſten Abſcheu
und Aerger uͤber eine ſolche Hoffart: man
murmelte die ganze Kirche hindurch, man
ſchimpfte bey dem Herausgehn, und auf ein-
mal ſtuͤrzte die anweſende weibliche Chriſten-
heit mit geſchloßnen Gliedern auf die ſchoͤn-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0046" n="26"/>
vertrauter Freund geworden: doch izt wurde<lb/>
er u&#x0364;ber die &#x017F;chnelle Gene&#x017F;ung &#x017F;eines Freundes<lb/>
neidi&#x017F;ch, und biß ihn des Nachts in den kaum<lb/>
geheilten Arm; die Wunde wurde &#x017F;o gefa&#x0364;hrlich,<lb/>
daß der Arm beinahe abgelo&#x0364;&#x017F;t werden mußte.</p><lb/>
        <p>Nach einem langen Kampfe mit Schmer-<lb/>
zen und dem Neide &#x017F;eines Freundes wurde<lb/>
er wiederherge&#x017F;tellt und der Willku&#x0364;hr des<lb/>
Schick&#x017F;als u&#x0364;bergeben.</p><lb/>
        <p>Seine er&#x017F;te Auswanderung machte ihn<lb/>
&#x017F;chon wieder zum Ma&#x0364;rtyrer &#x017F;eines guten Her-<lb/>
zens. Er langte in einem Dorfe an, wo<lb/>
eben das gra&#x0364;ßlich&#x017F;te Weiber&#x017F;charmu&#x0364;tzel das<lb/>
Publikum belu&#x017F;tigte. Ein Ma&#x0364;dchen, das der<lb/>
ganz&#xA75B; weibliche Theil der Kirchfahrt a&#x0364;rger<lb/>
als den Teufel haßte, weil es von Jugend<lb/>
an &#x017F;ich durch &#x017F;eine Kleidung unter&#x017F;chieden<lb/>
hatte, war in einem &#x017F;aubern Anzuge, einem<lb/>
ehrbaren Ge&#x017F;chenke von der Regentinn des<lb/>
Dorfs, in der Kirche er&#x017F;chienen. Jedermann<lb/>
empfand, wie billig, den lebhafte&#x017F;ten Ab&#x017F;cheu<lb/>
und Aerger u&#x0364;ber eine &#x017F;olche Hoffart: man<lb/>
murmelte die ganze Kirche hindurch, man<lb/>
&#x017F;chimpfte bey dem Herausgehn, und auf ein-<lb/>
mal &#x017F;tu&#x0364;rzte die anwe&#x017F;ende weibliche Chri&#x017F;ten-<lb/>
heit mit ge&#x017F;chloßnen Gliedern auf die &#x017F;cho&#x0364;n-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[26/0046] vertrauter Freund geworden: doch izt wurde er uͤber die ſchnelle Geneſung ſeines Freundes neidiſch, und biß ihn des Nachts in den kaum geheilten Arm; die Wunde wurde ſo gefaͤhrlich, daß der Arm beinahe abgeloͤſt werden mußte. Nach einem langen Kampfe mit Schmer- zen und dem Neide ſeines Freundes wurde er wiederhergeſtellt und der Willkuͤhr des Schickſals uͤbergeben. Seine erſte Auswanderung machte ihn ſchon wieder zum Maͤrtyrer ſeines guten Her- zens. Er langte in einem Dorfe an, wo eben das graͤßlichſte Weiberſcharmuͤtzel das Publikum beluſtigte. Ein Maͤdchen, das der ganzꝛ weibliche Theil der Kirchfahrt aͤrger als den Teufel haßte, weil es von Jugend an ſich durch ſeine Kleidung unterſchieden hatte, war in einem ſaubern Anzuge, einem ehrbaren Geſchenke von der Regentinn des Dorfs, in der Kirche erſchienen. Jedermann empfand, wie billig, den lebhafteſten Abſcheu und Aerger uͤber eine ſolche Hoffart: man murmelte die ganze Kirche hindurch, man ſchimpfte bey dem Herausgehn, und auf ein- mal ſtuͤrzte die anweſende weibliche Chriſten- heit mit geſchloßnen Gliedern auf die ſchoͤn-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor01_1776
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor01_1776/46
Zitationshilfe: Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 1. Leipzig, 1776, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor01_1776/46>, abgerufen am 03.12.2024.