desselben schloß, daß er keines lettomanischen Ursprungs seyn könnte, so wurde beschlossen, ihm, als einem Ausländer, die schuldige Ehre anzuthun, und ihn eine Viertelelle höher zu hängen, als den Lettomanier, der neben ihm seine Stelle finden sollte, und dieser mußte ihm aus Höflichkeit die rechte Hand lassen. Der Lettomanier, der dies als eine Beleidi- gung gegen seine einheimische Abstammung und gute Geburt ansah, wurde neidisch auf Belphegorn: er bestach den Scharfrichter, diesen Nebenbuhler der Ehre so schwach zu be- festigen, daß ein mäßiger Sturm ihn entwe- der in gleiche Linie mit ihm bringen oder ganz unter ihn daniederwerfen könnte. Es geschah. Kurz darauf entstund ein Erdbe- ben, der Himmel überzog sich mit fürchterli- chen Wolken, es donnerte und blizte, regnete und stürmte -- welches alles die Lettomanier nunmehr, da sie durch den Ausgang belehrt waren, wer Recht hatte, als einen Beitrag der göttlichen Rache zur Bestrafung der um- gebrachten Rebellen betrachteten. Der Sturm warf den schlecht befestigten Belphegor her- inter, der Blitz traf ein Haus in der Nach-
deſſelben ſchloß, daß er keines lettomaniſchen Urſprungs ſeyn koͤnnte, ſo wurde beſchloſſen, ihm, als einem Auslaͤnder, die ſchuldige Ehre anzuthun, und ihn eine Viertelelle hoͤher zu haͤngen, als den Lettomanier, der neben ihm ſeine Stelle finden ſollte, und dieſer mußte ihm aus Hoͤflichkeit die rechte Hand laſſen. Der Lettomanier, der dies als eine Beleidi- gung gegen ſeine einheimiſche Abſtammung und gute Geburt anſah, wurde neidiſch auf Belphegorn: er beſtach den Scharfrichter, dieſen Nebenbuhler der Ehre ſo ſchwach zu be- feſtigen, daß ein maͤßiger Sturm ihn entwe- der in gleiche Linie mit ihm bringen oder ganz unter ihn daniederwerfen koͤnnte. Es geſchah. Kurz darauf entſtund ein Erdbe- ben, der Himmel uͤberzog ſich mit fuͤrchterli- chen Wolken, es donnerte und blizte, regnete und ſtuͤrmte — welches alles die Lettomanier nunmehr, da ſie durch den Ausgang belehrt waren, wer Recht hatte, als einen Beitrag der goͤttlichen Rache zur Beſtrafung der um- gebrachten Rebellen betrachteten. Der Sturm warf den ſchlecht befeſtigten Belphegor her- inter, der Blitz traf ein Haus in der Nach-
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[52/0072]
deſſelben ſchloß, daß er keines lettomaniſchen
Urſprungs ſeyn koͤnnte, ſo wurde beſchloſſen,
ihm, als einem Auslaͤnder, die ſchuldige Ehre
anzuthun, und ihn eine Viertelelle hoͤher zu
haͤngen, als den Lettomanier, der neben ihm
ſeine Stelle finden ſollte, und dieſer mußte
ihm aus Hoͤflichkeit die rechte Hand laſſen.
Der Lettomanier, der dies als eine Beleidi-
gung gegen ſeine einheimiſche Abſtammung
und gute Geburt anſah, wurde neidiſch auf
Belphegorn: er beſtach den Scharfrichter,
dieſen Nebenbuhler der Ehre ſo ſchwach zu be-
feſtigen, daß ein maͤßiger Sturm ihn entwe-
der in gleiche Linie mit ihm bringen oder
ganz unter ihn daniederwerfen koͤnnte. Es
geſchah. Kurz darauf entſtund ein Erdbe-
ben, der Himmel uͤberzog ſich mit fuͤrchterli-
chen Wolken, es donnerte und blizte, regnete
und ſtuͤrmte — welches alles die Lettomanier
nunmehr, da ſie durch den Ausgang belehrt
waren, wer Recht hatte, als einen Beitrag
der goͤttlichen Rache zur Beſtrafung der um-
gebrachten Rebellen betrachteten. Der Sturm
warf den ſchlecht befeſtigten Belphegor her-
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Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 1. Leipzig, 1776, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor01_1776/72>, abgerufen am 23.11.2024.
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