barschaft, das sogleich in hellen Flammen aufloderte, das Feuer verbreitete sich von Haus zu Haus, von Gasse zu Gasse, und ver- heerte fast die halbe Stadt. Während des Tumultes, da alles winselte, schrie, lärmte, lief und rennte, erwachte Belphegor, an dem der Scharfrichter sein Amt überhaupt schlecht verwaltet hatte, von seiner bisherigen Be- täubung, da Blut und Lebensgeister wieder ihren ungehinderteu Lauf bekommen hatten; er erblickte nicht so bald den Aufruhr und das allgemeine Schrecken, als er ohne Anstand die Entschließung nahm, die Gelegenheit zur Flucht zu nützen. Jn Eile arbeitete er sich los, so gut er konnte, und floh zur Stadt hinaus: niemand bemerkte ihn, und niemand wollte ihn bemerken.
Die ganze Nacht hindurch lief er, ohne ein einzigesmal auszuruhen, und kam in der Mor- gendämmerung mit der Angst eines Gehäng- ten, der nicht gern eine zweite Erfahrung ma- chen möchte, wie es sich zwischen Himmel und Erde wohnt, an eine Priesterwohnung, wo er mit so großer Verwunderung als Bereit-
D 3
barſchaft, das ſogleich in hellen Flammen aufloderte, das Feuer verbreitete ſich von Haus zu Haus, von Gaſſe zu Gaſſe, und ver- heerte faſt die halbe Stadt. Waͤhrend des Tumultes, da alles winſelte, ſchrie, laͤrmte, lief und rennte, erwachte Belphegor, an dem der Scharfrichter ſein Amt uͤberhaupt ſchlecht verwaltet hatte, von ſeiner bisherigen Be- taͤubung, da Blut und Lebensgeiſter wieder ihren ungehinderteu Lauf bekommen hatten; er erblickte nicht ſo bald den Aufruhr und das allgemeine Schrecken, als er ohne Anſtand die Entſchließung nahm, die Gelegenheit zur Flucht zu nuͤtzen. Jn Eile arbeitete er ſich los, ſo gut er konnte, und floh zur Stadt hinaus: niemand bemerkte ihn, und niemand wollte ihn bemerken.
Die ganze Nacht hindurch lief er, ohne ein einzigesmal auszuruhen, und kam in der Mor- gendaͤmmerung mit der Angſt eines Gehaͤng- ten, der nicht gern eine zweite Erfahrung ma- chen moͤchte, wie es ſich zwiſchen Himmel und Erde wohnt, an eine Prieſterwohnung, wo er mit ſo großer Verwunderung als Bereit-
D 3
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0073"n="53"/>
barſchaft, das ſogleich in hellen Flammen<lb/>
aufloderte, das Feuer verbreitete ſich von<lb/>
Haus zu Haus, von Gaſſe zu Gaſſe, und ver-<lb/>
heerte faſt die halbe Stadt. Waͤhrend des<lb/>
Tumultes, da alles winſelte, ſchrie, laͤrmte,<lb/>
lief und rennte, erwachte Belphegor, an dem<lb/>
der Scharfrichter ſein Amt uͤberhaupt ſchlecht<lb/>
verwaltet hatte, von ſeiner bisherigen Be-<lb/>
taͤubung, da Blut und Lebensgeiſter wieder<lb/>
ihren ungehinderteu Lauf bekommen hatten;<lb/>
er erblickte nicht ſo bald den Aufruhr und<lb/>
das allgemeine Schrecken, als er ohne Anſtand<lb/>
die Entſchließung nahm, die Gelegenheit zur<lb/>
Flucht zu nuͤtzen. Jn Eile arbeitete er ſich<lb/>
los, ſo gut er konnte, und floh zur Stadt<lb/>
hinaus: niemand bemerkte ihn, und niemand<lb/>
wollte ihn bemerken.</p><lb/><p>Die ganze Nacht hindurch lief er, ohne ein<lb/>
einzigesmal auszuruhen, und kam in der Mor-<lb/>
gendaͤmmerung mit der Angſt eines Gehaͤng-<lb/>
ten, der nicht gern eine zweite Erfahrung ma-<lb/>
chen moͤchte, wie es ſich zwiſchen Himmel und<lb/>
Erde wohnt, an eine Prieſterwohnung, wo<lb/>
er mit ſo großer Verwunderung als Bereit-<lb/><fwplace="bottom"type="sig">D 3</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[53/0073]
barſchaft, das ſogleich in hellen Flammen
aufloderte, das Feuer verbreitete ſich von
Haus zu Haus, von Gaſſe zu Gaſſe, und ver-
heerte faſt die halbe Stadt. Waͤhrend des
Tumultes, da alles winſelte, ſchrie, laͤrmte,
lief und rennte, erwachte Belphegor, an dem
der Scharfrichter ſein Amt uͤberhaupt ſchlecht
verwaltet hatte, von ſeiner bisherigen Be-
taͤubung, da Blut und Lebensgeiſter wieder
ihren ungehinderteu Lauf bekommen hatten;
er erblickte nicht ſo bald den Aufruhr und
das allgemeine Schrecken, als er ohne Anſtand
die Entſchließung nahm, die Gelegenheit zur
Flucht zu nuͤtzen. Jn Eile arbeitete er ſich
los, ſo gut er konnte, und floh zur Stadt
hinaus: niemand bemerkte ihn, und niemand
wollte ihn bemerken.
Die ganze Nacht hindurch lief er, ohne ein
einzigesmal auszuruhen, und kam in der Mor-
gendaͤmmerung mit der Angſt eines Gehaͤng-
ten, der nicht gern eine zweite Erfahrung ma-
chen moͤchte, wie es ſich zwiſchen Himmel und
Erde wohnt, an eine Prieſterwohnung, wo
er mit ſo großer Verwunderung als Bereit-
D 3
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 1. Leipzig, 1776, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor01_1776/73>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.