Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 2. Leipzig, 1776.

Bild:
<< vorherige Seite




Der Bewegungsgrund, warum Belphe-
gor von seinem Patrone die Erlaub-
niß erhielt, ihn bis nach Abißinien zu be-
gleiten, war nicht der löblichste: er wagte
den Unterhalt auf der Reise an ihn, um
diese Auslage dort tausendfach durch ihn
wieder zu gewinnen. Einer von den Va-
sallen des großen Neguz, die bloß das Ceri-
moniell der Huldigung verrichteten, aber
ihm keinen Gehorsam leisteten, der König
von Niemeamaye, hatte ein Projekt un-
ter der Hand, daß das Projekt aller Pro-
jekte genennt zu werden verdient. Er konnte
es nicht erdulden, daß einer seiner Nach-
barn ein einziges Körnlein Gold außer ihm
besaß, und weil durch sein Land nur ein
einziger Fluß gieng, der Goldkörner bey sich
führte, die er doch ungemein liebte, so wollte
er es veranstalten, daß alle Goldkörner sei-
ner Nachbarn in sein Gebiet gebracht wer-
den, und sie keine bekommen sollten. Er ließ
deswegen den Fluß an der Gränze seines

Gebiets
A 3




Der Bewegungsgrund, warum Belphe-
gor von ſeinem Patrone die Erlaub-
niß erhielt, ihn bis nach Abißinien zu be-
gleiten, war nicht der loͤblichſte: er wagte
den Unterhalt auf der Reiſe an ihn, um
dieſe Auslage dort tauſendfach durch ihn
wieder zu gewinnen. Einer von den Va-
ſallen des großen Neguz, die bloß das Ceri-
moniell der Huldigung verrichteten, aber
ihm keinen Gehorſam leiſteten, der Koͤnig
von Niemeamaye, hatte ein Projekt un-
ter der Hand, daß das Projekt aller Pro-
jekte genennt zu werden verdient. Er konnte
es nicht erdulden, daß einer ſeiner Nach-
barn ein einziges Koͤrnlein Gold außer ihm
beſaß, und weil durch ſein Land nur ein
einziger Fluß gieng, der Goldkoͤrner bey ſich
fuͤhrte, die er doch ungemein liebte, ſo wollte
er es veranſtalten, daß alle Goldkoͤrner ſei-
ner Nachbarn in ſein Gebiet gebracht wer-
den, und ſie keine bekommen ſollten. Er ließ
deswegen den Fluß an der Graͤnze ſeines

Gebiets
A 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0011" n="[5]"/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <p><hi rendition="#in">D</hi>er Bewegungsgrund, warum Belphe-<lb/>
gor von &#x017F;einem Patrone die Erlaub-<lb/>
niß erhielt, ihn bis nach Abißinien zu be-<lb/>
gleiten, war nicht der lo&#x0364;blich&#x017F;te: er wagte<lb/>
den Unterhalt auf der Rei&#x017F;e an ihn, um<lb/>
die&#x017F;e Auslage dort tau&#x017F;endfach durch ihn<lb/>
wieder zu gewinnen. Einer von den Va-<lb/>
&#x017F;allen des großen Neguz, die bloß das Ceri-<lb/>
moniell der Huldigung verrichteten, aber<lb/>
ihm keinen Gehor&#x017F;am lei&#x017F;teten, der Ko&#x0364;nig<lb/>
von <hi rendition="#fr">Niemeamaye,</hi> hatte ein Projekt un-<lb/>
ter der Hand, daß das Projekt aller Pro-<lb/>
jekte genennt zu werden verdient. Er konnte<lb/>
es nicht erdulden, daß einer &#x017F;einer Nach-<lb/>
barn ein einziges Ko&#x0364;rnlein Gold außer ihm<lb/>
be&#x017F;aß, und weil durch &#x017F;ein Land nur ein<lb/>
einziger Fluß gieng, der Goldko&#x0364;rner bey &#x017F;ich<lb/>
fu&#x0364;hrte, die er doch ungemein liebte, &#x017F;o wollte<lb/>
er es veran&#x017F;talten, daß alle Goldko&#x0364;rner &#x017F;ei-<lb/>
ner Nachbarn in &#x017F;ein Gebiet gebracht wer-<lb/>
den, und &#x017F;ie keine bekommen &#x017F;ollten. Er ließ<lb/>
deswegen den Fluß an der Gra&#x0364;nze &#x017F;eines<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">A 3</fw><fw place="bottom" type="catch">Gebiets</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[[5]/0011] Der Bewegungsgrund, warum Belphe- gor von ſeinem Patrone die Erlaub- niß erhielt, ihn bis nach Abißinien zu be- gleiten, war nicht der loͤblichſte: er wagte den Unterhalt auf der Reiſe an ihn, um dieſe Auslage dort tauſendfach durch ihn wieder zu gewinnen. Einer von den Va- ſallen des großen Neguz, die bloß das Ceri- moniell der Huldigung verrichteten, aber ihm keinen Gehorſam leiſteten, der Koͤnig von Niemeamaye, hatte ein Projekt un- ter der Hand, daß das Projekt aller Pro- jekte genennt zu werden verdient. Er konnte es nicht erdulden, daß einer ſeiner Nach- barn ein einziges Koͤrnlein Gold außer ihm beſaß, und weil durch ſein Land nur ein einziger Fluß gieng, der Goldkoͤrner bey ſich fuͤhrte, die er doch ungemein liebte, ſo wollte er es veranſtalten, daß alle Goldkoͤrner ſei- ner Nachbarn in ſein Gebiet gebracht wer- den, und ſie keine bekommen ſollten. Er ließ deswegen den Fluß an der Graͤnze ſeines Gebiets A 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor02_1776
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor02_1776/11
Zitationshilfe: Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. [5]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor02_1776/11>, abgerufen am 22.11.2024.