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Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 2. Leipzig, 1776.

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sah, als seinen Weg und sein Bettlergewerbe
fortzusetzen, stund er unwillig auf und hinkte
längst des Flusses hin.

Nach einer kleinen Strecke stieß er an ein
Frauenzimmer, das an einem Scheidewege
auf einem Steine saß und ihn schon in der
Ferne mit den wollüstigen Geberden bewill-
kommte: er merkte also leicht, daß es eine
von den orientalischen Schönheiten war, die
ihre Reize auf den öffentlichen Straßen
selbst verhandeln. Sein Muth war zu sehr
gesunken, um an ihren Einladungen Theil
zu nehmen: er gieng also ungerührt vor-
über und würdigte sie kaum eines Seiten-
blickes. Sie folgte ihm und beunruhigte
ihn mit den Bemühungen, sein Felsenherz
zu erweichen, so lange bis er unwillig sie
zurückwies: sie verfolgte ihn unaufhörlich.
Um wenigstens die Qual ihrer Zudringlich-
keit zu mindern, bat er sie, ihm den Weg
zur nächsten Hauptstadt zu zeigen, welches
sie gern that, weil der nämliche Platz für
ihre Geschäfte der vortheilhafteste war, und
unterwegs, da sie durch seine Offenheit
gleichfalls offen geworden war, unter-

hielt

ſah, als ſeinen Weg und ſein Bettlergewerbe
fortzuſetzen, ſtund er unwillig auf und hinkte
laͤngſt des Fluſſes hin.

Nach einer kleinen Strecke ſtieß er an ein
Frauenzimmer, das an einem Scheidewege
auf einem Steine ſaß und ihn ſchon in der
Ferne mit den wolluͤſtigen Geberden bewill-
kommte: er merkte alſo leicht, daß es eine
von den orientaliſchen Schoͤnheiten war, die
ihre Reize auf den oͤffentlichen Straßen
ſelbſt verhandeln. Sein Muth war zu ſehr
geſunken, um an ihren Einladungen Theil
zu nehmen: er gieng alſo ungeruͤhrt vor-
uͤber und wuͤrdigte ſie kaum eines Seiten-
blickes. Sie folgte ihm und beunruhigte
ihn mit den Bemuͤhungen, ſein Felſenherz
zu erweichen, ſo lange bis er unwillig ſie
zuruͤckwies: ſie verfolgte ihn unaufhoͤrlich.
Um wenigſtens die Qual ihrer Zudringlich-
keit zu mindern, bat er ſie, ihm den Weg
zur naͤchſten Hauptſtadt zu zeigen, welches
ſie gern that, weil der naͤmliche Platz fuͤr
ihre Geſchaͤfte der vortheilhafteſte war, und
unterwegs, da ſie durch ſeine Offenheit
gleichfalls offen geworden war, unter-

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[125/0131] ſah, als ſeinen Weg und ſein Bettlergewerbe fortzuſetzen, ſtund er unwillig auf und hinkte laͤngſt des Fluſſes hin. Nach einer kleinen Strecke ſtieß er an ein Frauenzimmer, das an einem Scheidewege auf einem Steine ſaß und ihn ſchon in der Ferne mit den wolluͤſtigen Geberden bewill- kommte: er merkte alſo leicht, daß es eine von den orientaliſchen Schoͤnheiten war, die ihre Reize auf den oͤffentlichen Straßen ſelbſt verhandeln. Sein Muth war zu ſehr geſunken, um an ihren Einladungen Theil zu nehmen: er gieng alſo ungeruͤhrt vor- uͤber und wuͤrdigte ſie kaum eines Seiten- blickes. Sie folgte ihm und beunruhigte ihn mit den Bemuͤhungen, ſein Felſenherz zu erweichen, ſo lange bis er unwillig ſie zuruͤckwies: ſie verfolgte ihn unaufhoͤrlich. Um wenigſtens die Qual ihrer Zudringlich- keit zu mindern, bat er ſie, ihm den Weg zur naͤchſten Hauptſtadt zu zeigen, welches ſie gern that, weil der naͤmliche Platz fuͤr ihre Geſchaͤfte der vortheilhafteſte war, und unterwegs, da ſie durch ſeine Offenheit gleichfalls offen geworden war, unter- hielt

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Zitationshilfe: Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 125. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor02_1776/131>, abgerufen am 22.12.2024.