Süßigkeit -- je häßlicher sie war, je stär- ker gab er die Dosis -- und er lebte im Ueberflusse. Sein Gefährte war schon zu sehr gewohnt, einen Vorzug vor ihm zu ha- ben, als daß er sich itzt so ruhig von ihm überholen lassen sollte: es kam ihm als ein Eingriff in seine Rechte vor, sein Neid wurde rege, und da er ihm nichts entgegenzusetzen hatte, so wuchs er täglich im Stillen, bis er mit Sturm ausbrach. Er suchte Ursache zum Zwiste, und wie leicht kann jedem in dieser Welt damit gedient werden! Er fand sie, Belphegor gab nach, bis er endlich durch den Ungestüm des Andern gleichfalls erhitzt wurde; es wurde offner Krieg, worinne Belphegor den Kürzern zog: sein Gefährte plünderte ihn, und versetzte ihn in einen Zustand, daß er ihm nicht sogleich nachfol- gen konnte, entfloh und trennte sich von ihm auf ewig.
Belphegor lag mit blutendem Gesichte und halbgelähmten Lenden an einem kleinen Flusse, wo er abermals über Welt und Men- schen sein Klagelied sang und von den Be- schwerlichkeiten des vorigen Treffens aus- ruhte. Endlich da er weiter nichts vor sich
sah,
Suͤßigkeit — je haͤßlicher ſie war, je ſtaͤr- ker gab er die Doſis — und er lebte im Ueberfluſſe. Sein Gefaͤhrte war ſchon zu ſehr gewohnt, einen Vorzug vor ihm zu ha- ben, als daß er ſich itzt ſo ruhig von ihm uͤberholen laſſen ſollte: es kam ihm als ein Eingriff in ſeine Rechte vor, ſein Neid wurde rege, und da er ihm nichts entgegenzuſetzen hatte, ſo wuchs er taͤglich im Stillen, bis er mit Sturm ausbrach. Er ſuchte Urſache zum Zwiſte, und wie leicht kann jedem in dieſer Welt damit gedient werden! Er fand ſie, Belphegor gab nach, bis er endlich durch den Ungeſtuͤm des Andern gleichfalls erhitzt wurde; es wurde offner Krieg, worinne Belphegor den Kuͤrzern zog: ſein Gefaͤhrte pluͤnderte ihn, und verſetzte ihn in einen Zuſtand, daß er ihm nicht ſogleich nachfol- gen konnte, entfloh und trennte ſich von ihm auf ewig.
Belphegor lag mit blutendem Geſichte und halbgelaͤhmten Lenden an einem kleinen Fluſſe, wo er abermals uͤber Welt und Men- ſchen ſein Klagelied ſang und von den Be- ſchwerlichkeiten des vorigen Treffens aus- ruhte. Endlich da er weiter nichts vor ſich
ſah,
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0130"n="124"/>
Suͤßigkeit — je haͤßlicher ſie war, je ſtaͤr-<lb/>
ker gab er die Doſis — und er lebte im<lb/>
Ueberfluſſe. Sein Gefaͤhrte war ſchon zu<lb/>ſehr gewohnt, einen Vorzug vor ihm zu ha-<lb/>
ben, als daß er ſich itzt ſo ruhig von ihm<lb/>
uͤberholen laſſen ſollte: es kam ihm als ein<lb/>
Eingriff in ſeine Rechte vor, ſein Neid wurde<lb/>
rege, und da er ihm nichts entgegenzuſetzen<lb/>
hatte, ſo wuchs er taͤglich im Stillen, bis<lb/>
er mit Sturm ausbrach. Er ſuchte Urſache<lb/>
zum Zwiſte, und wie leicht kann jedem in<lb/>
dieſer Welt damit gedient werden! Er fand<lb/>ſie, Belphegor gab nach, bis er endlich<lb/>
durch den Ungeſtuͤm des Andern gleichfalls<lb/>
erhitzt wurde; es wurde offner Krieg, worinne<lb/>
Belphegor den Kuͤrzern zog: ſein Gefaͤhrte<lb/>
pluͤnderte ihn, und verſetzte ihn in einen<lb/>
Zuſtand, daß er ihm nicht ſogleich nachfol-<lb/>
gen konnte, entfloh und trennte ſich von<lb/>
ihm auf ewig.</p><lb/><p>Belphegor lag mit blutendem Geſichte<lb/>
und halbgelaͤhmten Lenden an einem kleinen<lb/>
Fluſſe, wo er abermals uͤber Welt und Men-<lb/>ſchen ſein Klagelied ſang und von den Be-<lb/>ſchwerlichkeiten des vorigen Treffens aus-<lb/>
ruhte. Endlich da er weiter nichts vor ſich<lb/><fwplace="bottom"type="catch">ſah,</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[124/0130]
Suͤßigkeit — je haͤßlicher ſie war, je ſtaͤr-
ker gab er die Doſis — und er lebte im
Ueberfluſſe. Sein Gefaͤhrte war ſchon zu
ſehr gewohnt, einen Vorzug vor ihm zu ha-
ben, als daß er ſich itzt ſo ruhig von ihm
uͤberholen laſſen ſollte: es kam ihm als ein
Eingriff in ſeine Rechte vor, ſein Neid wurde
rege, und da er ihm nichts entgegenzuſetzen
hatte, ſo wuchs er taͤglich im Stillen, bis
er mit Sturm ausbrach. Er ſuchte Urſache
zum Zwiſte, und wie leicht kann jedem in
dieſer Welt damit gedient werden! Er fand
ſie, Belphegor gab nach, bis er endlich
durch den Ungeſtuͤm des Andern gleichfalls
erhitzt wurde; es wurde offner Krieg, worinne
Belphegor den Kuͤrzern zog: ſein Gefaͤhrte
pluͤnderte ihn, und verſetzte ihn in einen
Zuſtand, daß er ihm nicht ſogleich nachfol-
gen konnte, entfloh und trennte ſich von
ihm auf ewig.
Belphegor lag mit blutendem Geſichte
und halbgelaͤhmten Lenden an einem kleinen
Fluſſe, wo er abermals uͤber Welt und Men-
ſchen ſein Klagelied ſang und von den Be-
ſchwerlichkeiten des vorigen Treffens aus-
ruhte. Endlich da er weiter nichts vor ſich
ſah,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 124. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor02_1776/130>, abgerufen am 22.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.