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Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 2. Leipzig, 1776.

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vergessen, daß ihr bisheriges Ungemach eine
Folge von den Hüftenschmerzen seyn sollte
die sie Belphegorn gemacht hatte, besonders
da Leute, die viel gelitten haben, alle Bey-
spiele wider die Billigkeit der Vorsehung
begierig auffangen, um sich gleichsam für
ihr ausgestandnes Unglück dadurch an ihr zu
rächen.

Was? rief sie; so vieles Herzeleid soll
ich durch zween oder drey Ribbenstöße ver-
dient haben, die ich dir, verblendet von un-
willkührlicher Leidenschaft und von Fromals
ruchloser Ermunterung angetrieben, ohne
deinen großen Schaden gab? indessen daß
Edzar, dieser überlegende studierte Bösewicht,
mit Einem leichten Schwerthiebe davon kam,
und sein niederträchtiger Herr, der keine
Sonne ohne eine That der Grausamkeit un-
tergehen ließ, noch lebt und in hohem Wohl-
seyn über Persien herrscht? -- Welche Pro-
portion? Oder hat vielleicht mein ganzes
Geschlecht schon vor der Geburt lahme Hüf-
ten gemacht, daß es unter diesem ganzen
Himmelsstriche zur elendesten Sklaverey ver-
bannt ist? schon von dem ersten Augenblicke
seiner Existenz dazu verdammt ist? Warum

ist mein

vergeſſen, daß ihr bisheriges Ungemach eine
Folge von den Huͤftenſchmerzen ſeyn ſollte
die ſie Belphegorn gemacht hatte, beſonders
da Leute, die viel gelitten haben, alle Bey-
ſpiele wider die Billigkeit der Vorſehung
begierig auffangen, um ſich gleichſam fuͤr
ihr ausgeſtandnes Ungluͤck dadurch an ihr zu
raͤchen.

Was? rief ſie; ſo vieles Herzeleid ſoll
ich durch zween oder drey Ribbenſtoͤße ver-
dient haben, die ich dir, verblendet von un-
willkuͤhrlicher Leidenſchaft und von Fromals
ruchloſer Ermunterung angetrieben, ohne
deinen großen Schaden gab? indeſſen daß
Edzar, dieſer uͤberlegende ſtudierte Boͤſewicht,
mit Einem leichten Schwerthiebe davon kam,
und ſein niedertraͤchtiger Herr, der keine
Sonne ohne eine That der Grauſamkeit un-
tergehen ließ, noch lebt und in hohem Wohl-
ſeyn uͤber Perſien herrſcht? — Welche Pro-
portion? Oder hat vielleicht mein ganzes
Geſchlecht ſchon vor der Geburt lahme Huͤf-
ten gemacht, daß es unter dieſem ganzen
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[150/0156] vergeſſen, daß ihr bisheriges Ungemach eine Folge von den Huͤftenſchmerzen ſeyn ſollte die ſie Belphegorn gemacht hatte, beſonders da Leute, die viel gelitten haben, alle Bey- ſpiele wider die Billigkeit der Vorſehung begierig auffangen, um ſich gleichſam fuͤr ihr ausgeſtandnes Ungluͤck dadurch an ihr zu raͤchen. Was? rief ſie; ſo vieles Herzeleid ſoll ich durch zween oder drey Ribbenſtoͤße ver- dient haben, die ich dir, verblendet von un- willkuͤhrlicher Leidenſchaft und von Fromals ruchloſer Ermunterung angetrieben, ohne deinen großen Schaden gab? indeſſen daß Edzar, dieſer uͤberlegende ſtudierte Boͤſewicht, mit Einem leichten Schwerthiebe davon kam, und ſein niedertraͤchtiger Herr, der keine Sonne ohne eine That der Grauſamkeit un- tergehen ließ, noch lebt und in hohem Wohl- ſeyn uͤber Perſien herrſcht? — Welche Pro- portion? Oder hat vielleicht mein ganzes Geſchlecht ſchon vor der Geburt lahme Huͤf- ten gemacht, daß es unter dieſem ganzen Himmelsſtriche zur elendeſten Sklaverey ver- bannt iſt? ſchon von dem erſten Augenblicke ſeiner Exiſtenz dazu verdammt iſt? Warum iſt mein

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Zitationshilfe: Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 150. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor02_1776/156>, abgerufen am 22.12.2024.