Wir sind es, mitten auf dem Kothhaufen, wo alles funkelt und glänzt, und alles nichts ist. Laß uns weiter gehn! -- O wer doch einen so reizenden Vogel, oder so ein göttliches Thier fangen könnte! Was haben wir zu verlieren? Ich dächte wir wag- ten eine Jagd mit. -- Eine solche thörichte Jagd! die so viele Beschwerlichkeiten kostet, wo die Beute sich bald nähert, bald ent- fernt und, wie es scheint, nie erhascht wird! Und was hättest du am Ende, wenn du den goldnen Vogel auch gleich vor Tausenden einholtest? Nimm ihm das schimmernde Ge- fieder! und vielleicht hast du ein übelschme- ckendes unnahrhaftes Fleisch als die verächt. lichsten Federn bedecken. Nein, ich kenne die Welt mit ihren Täuschereyen. -- Aber sieh nur, Belphegor, das volle feurige Gold, das dem Vogel vom Rücken blitzt! Ach, so ein göttlicher Vogel und ihm nicht nachzu- laufen! Du bist erstaunend finster und trä- ge. Ich gehe: willst du mit mir? --
Belphegor hielt sie zurück und schwur sehr nachdrücklich, daß er nie einen Fuß nach dem glänzendsten Vogel bewegen werde, sollte er sich gleich seinen Händen selbst dar-
bieten
Wir ſind es, mitten auf dem Kothhaufen, wo alles funkelt und glaͤnzt, und alles nichts iſt. Laß uns weiter gehn! — O wer doch einen ſo reizenden Vogel, oder ſo ein goͤttliches Thier fangen koͤnnte! Was haben wir zu verlieren? Ich daͤchte wir wag- ten eine Jagd mit. — Eine ſolche thoͤrichte Jagd! die ſo viele Beſchwerlichkeiten koſtet, wo die Beute ſich bald naͤhert, bald ent- fernt und, wie es ſcheint, nie erhaſcht wird! Und was haͤtteſt du am Ende, wenn du den goldnen Vogel auch gleich vor Tauſenden einholteſt? Nimm ihm das ſchimmernde Ge- fieder! und vielleicht haſt du ein uͤbelſchme- ckendes unnahrhaftes Fleiſch als die veraͤcht. lichſten Federn bedecken. Nein, ich kenne die Welt mit ihren Taͤuſchereyen. — Aber ſieh nur, Belphegor, das volle feurige Gold, das dem Vogel vom Ruͤcken blitzt! Ach, ſo ein goͤttlicher Vogel und ihm nicht nachzu- laufen! Du biſt erſtaunend finſter und traͤ- ge. Ich gehe: willſt du mit mir? —
Belphegor hielt ſie zuruͤck und ſchwur ſehr nachdruͤcklich, daß er nie einen Fuß nach dem glaͤnzendſten Vogel bewegen werde, ſollte er ſich gleich ſeinen Haͤnden ſelbſt dar-
bieten
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Wir ſind es, mitten auf dem Kothhaufen,
wo alles funkelt und glaͤnzt, und alles
nichts iſt. Laß uns weiter gehn! — O
wer doch einen ſo reizenden Vogel, oder ſo
ein goͤttliches Thier fangen koͤnnte! Was
haben wir zu verlieren? Ich daͤchte wir wag-
ten eine Jagd mit. — Eine ſolche thoͤrichte
Jagd! die ſo viele Beſchwerlichkeiten koſtet,
wo die Beute ſich bald naͤhert, bald ent-
fernt und, wie es ſcheint, nie erhaſcht wird!
Und was haͤtteſt du am Ende, wenn du den
goldnen Vogel auch gleich vor Tauſenden
einholteſt? Nimm ihm das ſchimmernde Ge-
fieder! und vielleicht haſt du ein uͤbelſchme-
ckendes unnahrhaftes Fleiſch als die veraͤcht.
lichſten Federn bedecken. Nein, ich kenne
die Welt mit ihren Taͤuſchereyen. — Aber
ſieh nur, Belphegor, das volle feurige Gold,
das dem Vogel vom Ruͤcken blitzt! Ach, ſo
ein goͤttlicher Vogel und ihm nicht nachzu-
laufen! Du biſt erſtaunend finſter und traͤ-
ge. Ich gehe: willſt du mit mir? —
Belphegor hielt ſie zuruͤck und ſchwur ſehr
nachdruͤcklich, daß er nie einen Fuß nach
dem glaͤnzendſten Vogel bewegen werde,
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Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 171. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor02_1776/177>, abgerufen am 22.12.2024.
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