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Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 2. Leipzig, 1776.

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bieten. Sie ließ sich zwar durch ihn abra-
then, weil keiner von den reizenden Vögeln
bey der Hand war, allein sie wiederholte
doch ihr Verlangen darnach so oft, daß sie
bey jedem Schritte einen erwartungsvollen
Blick auf die Seite warf, ob nicht vielleicht
bald einer von den paradiesischen Vögeln
erscheinen werde, um ihm sogleich nachzu-
setzen. Sie hofte und hofte, aber keiner
wollte ihr diesen Gefallen erzeigen.

Nachdem sie sich indessen, bis auf gün-
stigere Zeiten, die sich Akante völlig gewiß
versprach und Belphegor völlig unmöglich
glaubte, mit etlichen wilden Früchten gesät-
tigt hatten, überließen sie sich von neuem
dem Schicksale und dem Wege, die sie beide
nach etlichen Tagen an einen Platz führten,
wo alles den Hauptsitz des Landes vermuthen
ließ. Eine zehnfache Mauer von hohem
dornichten Gesträuche umschloß den Platz,
aus welchem die Stimmen der Freude und
des Vergnügens so weit und so laut erschall-
ten, daß selbst Belphegors Herz, so dis-
harmonisch auch seine Stimmung war, wi-
der Willen zu einer gleichlautenden Empfin-
dung hingerissen wurde; und Akante war

ganz

bieten. Sie ließ ſich zwar durch ihn abra-
then, weil keiner von den reizenden Voͤgeln
bey der Hand war, allein ſie wiederholte
doch ihr Verlangen darnach ſo oft, daß ſie
bey jedem Schritte einen erwartungsvollen
Blick auf die Seite warf, ob nicht vielleicht
bald einer von den paradieſiſchen Voͤgeln
erſcheinen werde, um ihm ſogleich nachzu-
ſetzen. Sie hofte und hofte, aber keiner
wollte ihr dieſen Gefallen erzeigen.

Nachdem ſie ſich indeſſen, bis auf guͤn-
ſtigere Zeiten, die ſich Akante voͤllig gewiß
verſprach und Belphegor voͤllig unmoͤglich
glaubte, mit etlichen wilden Fruͤchten geſaͤt-
tigt hatten, uͤberließen ſie ſich von neuem
dem Schickſale und dem Wege, die ſie beide
nach etlichen Tagen an einen Platz fuͤhrten,
wo alles den Hauptſitz des Landes vermuthen
ließ. Eine zehnfache Mauer von hohem
dornichten Geſtraͤuche umſchloß den Platz,
aus welchem die Stimmen der Freude und
des Vergnuͤgens ſo weit und ſo laut erſchall-
ten, daß ſelbſt Belphegors Herz, ſo dis-
harmoniſch auch ſeine Stimmung war, wi-
der Willen zu einer gleichlautenden Empfin-
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[172/0178] bieten. Sie ließ ſich zwar durch ihn abra- then, weil keiner von den reizenden Voͤgeln bey der Hand war, allein ſie wiederholte doch ihr Verlangen darnach ſo oft, daß ſie bey jedem Schritte einen erwartungsvollen Blick auf die Seite warf, ob nicht vielleicht bald einer von den paradieſiſchen Voͤgeln erſcheinen werde, um ihm ſogleich nachzu- ſetzen. Sie hofte und hofte, aber keiner wollte ihr dieſen Gefallen erzeigen. Nachdem ſie ſich indeſſen, bis auf guͤn- ſtigere Zeiten, die ſich Akante voͤllig gewiß verſprach und Belphegor voͤllig unmoͤglich glaubte, mit etlichen wilden Fruͤchten geſaͤt- tigt hatten, uͤberließen ſie ſich von neuem dem Schickſale und dem Wege, die ſie beide nach etlichen Tagen an einen Platz fuͤhrten, wo alles den Hauptſitz des Landes vermuthen ließ. Eine zehnfache Mauer von hohem dornichten Geſtraͤuche umſchloß den Platz, aus welchem die Stimmen der Freude und des Vergnuͤgens ſo weit und ſo laut erſchall- ten, daß ſelbſt Belphegors Herz, ſo dis- harmoniſch auch ſeine Stimmung war, wi- der Willen zu einer gleichlautenden Empfin- dung hingeriſſen wurde; und Akante war ganz

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Zitationshilfe: Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 172. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor02_1776/178>, abgerufen am 22.12.2024.