weiblichen Wesen verwebt ist Sittsamkeit und Keuschheit, daß hier Akante so gar, nachdem sie schon in neun und neunzig Fäl- len besudelt worden sind, doch im hunder- ten noch für die Erhaltung ihrer Reinlichkeit sorgte!
Belphegor räsonnirte indessen unaufhör- lich bey sich über die Feindseligkeit und das Mistrauen, das die Wilden bey ihrer Auf- nahme blicken ließen. -- Ein neuer Beweis, sagte er sich, unter den vielen, die ich schon er- lebt habe, daß die Natur ihren Söhnen keine angeborne brüderliche Zuneigung zur Mitgift ertheilte. Warum fühlt der Wilde diesen Zug zu keinem Fremden? Warum ist ihm außer der kleinen Gesellschaft, die lange Gewohn- heit mit ihm eins hat werden lassen, alles Feind! -- O Natur! Natur! Du mußtest dem Menschen dieses Mistrauen einpflanzen, um deine Kreaturen Selbsterhaltung zu leh- ren: aber trauriges Mittel! damit jedes sich erhalte, muß jedes des andern gebor- ner Feind, von allen sich trennen und nur durch Gewohnheit, Eigennutz, Zwang der Freund von etlichen wenigen werden! Un- glückliche Geselligkeit! magst du doch In-
stinkt
O
weiblichen Weſen verwebt iſt Sittſamkeit und Keuſchheit, daß hier Akante ſo gar, nachdem ſie ſchon in neun und neunzig Faͤl- len beſudelt worden ſind, doch im hunder- ten noch fuͤr die Erhaltung ihrer Reinlichkeit ſorgte!
Belphegor raͤſonnirte indeſſen unaufhoͤr- lich bey ſich uͤber die Feindſeligkeit und das Mistrauen, das die Wilden bey ihrer Auf- nahme blicken ließen. — Ein neuer Beweis, ſagte er ſich, unter den vielen, die ich ſchon er- lebt habe, daß die Natur ihren Soͤhnen keine angeborne bruͤderliche Zuneigung zur Mitgift ertheilte. Warum fuͤhlt der Wilde dieſen Zug zu keinem Fremden? Warum iſt ihm außer der kleinen Geſellſchaft, die lange Gewohn- heit mit ihm eins hat werden laſſen, alles Feind! — O Natur! Natur! Du mußteſt dem Menſchen dieſes Mistrauen einpflanzen, um deine Kreaturen Selbſterhaltung zu leh- ren: aber trauriges Mittel! damit jedes ſich erhalte, muß jedes des andern gebor- ner Feind, von allen ſich trennen und nur durch Gewohnheit, Eigennutz, Zwang der Freund von etlichen wenigen werden! Un- gluͤckliche Geſelligkeit! magſt du doch In-
ſtinkt
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weiblichen Weſen verwebt iſt Sittſamkeit
und Keuſchheit, daß hier Akante ſo gar,
nachdem ſie ſchon in neun und neunzig Faͤl-
len beſudelt worden ſind, doch im hunder-
ten noch fuͤr die Erhaltung ihrer Reinlichkeit
ſorgte!
Belphegor raͤſonnirte indeſſen unaufhoͤr-
lich bey ſich uͤber die Feindſeligkeit und das
Mistrauen, das die Wilden bey ihrer Auf-
nahme blicken ließen. — Ein neuer Beweis,
ſagte er ſich, unter den vielen, die ich ſchon er-
lebt habe, daß die Natur ihren Soͤhnen keine
angeborne bruͤderliche Zuneigung zur Mitgift
ertheilte. Warum fuͤhlt der Wilde dieſen Zug
zu keinem Fremden? Warum iſt ihm außer
der kleinen Geſellſchaft, die lange Gewohn-
heit mit ihm eins hat werden laſſen, alles
Feind! — O Natur! Natur! Du mußteſt
dem Menſchen dieſes Mistrauen einpflanzen,
um deine Kreaturen Selbſterhaltung zu leh-
ren: aber trauriges Mittel! damit jedes
ſich erhalte, muß jedes des andern gebor-
ner Feind, von allen ſich trennen und nur
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Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 207. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor02_1776/213>, abgerufen am 22.12.2024.
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