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Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 2. Leipzig, 1776.

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stinkt oder vom Bedürfnisse erzeugt seyn, du
bist allzeit ein trauriges Geschenk: du sam-
meltest die Menschen in Rotten, um sich zu
befeinden und zu zerfleischen. War es aus
Oekonomie oder um das Schauspiel blutiger
zu machen, daß nicht Menschen gegen Men-
schen, sondern Trupp gegen Trupp streiten
mußte? Doch weg mit den trüben Gedan-
ken! Ich bin vom Hunger und vom Tode
gerettet: diese unverdorbnen Kinder der Na-
tur, die Unerfahrenheit fürchten, und die
Furcht feindselig verfahren lehrte, werden
unsre friedlichen Gesinnungen kaum merken
und uns eben so friedlich begegnen. Der
Zunder der Feindschaft, der in der ganzen
Welt glimmt, kann sich nicht bey ihnen ge-
gen uns entflammen: freue dich, Akante,
wir sind wenigstens dem Tode, wo nicht fer-
nern Ungemächlichkeiten entflohen! --
Es muß doch so eine Anordnung, so ein
geheimes Etwas seyn, das die menschlichen
Begebenheiten zum Besten der einzelnen Mit-
glieder der Erde zusammenknüpft: ein Et-
was, das aus den widerwärtigsten Saa-
men den entgegengesezten Vortheil, aus

Mis-

ſtinkt oder vom Beduͤrfniſſe erzeugt ſeyn, du
biſt allzeit ein trauriges Geſchenk: du ſam-
melteſt die Menſchen in Rotten, um ſich zu
befeinden und zu zerfleiſchen. War es aus
Oekonomie oder um das Schauſpiel blutiger
zu machen, daß nicht Menſchen gegen Men-
ſchen, ſondern Trupp gegen Trupp ſtreiten
mußte? Doch weg mit den truͤben Gedan-
ken! Ich bin vom Hunger und vom Tode
gerettet: dieſe unverdorbnen Kinder der Na-
tur, die Unerfahrenheit fuͤrchten, und die
Furcht feindſelig verfahren lehrte, werden
unſre friedlichen Geſinnungen kaum merken
und uns eben ſo friedlich begegnen. Der
Zunder der Feindſchaft, der in der ganzen
Welt glimmt, kann ſich nicht bey ihnen ge-
gen uns entflammen: freue dich, Akante,
wir ſind wenigſtens dem Tode, wo nicht fer-
nern Ungemaͤchlichkeiten entflohen! —
Es muß doch ſo eine Anordnung, ſo ein
geheimes Etwas ſeyn, das die menſchlichen
Begebenheiten zum Beſten der einzelnen Mit-
glieder der Erde zuſammenknuͤpft: ein Et-
was, das aus den widerwaͤrtigſten Saa-
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[208/0214] ſtinkt oder vom Beduͤrfniſſe erzeugt ſeyn, du biſt allzeit ein trauriges Geſchenk: du ſam- melteſt die Menſchen in Rotten, um ſich zu befeinden und zu zerfleiſchen. War es aus Oekonomie oder um das Schauſpiel blutiger zu machen, daß nicht Menſchen gegen Men- ſchen, ſondern Trupp gegen Trupp ſtreiten mußte? Doch weg mit den truͤben Gedan- ken! Ich bin vom Hunger und vom Tode gerettet: dieſe unverdorbnen Kinder der Na- tur, die Unerfahrenheit fuͤrchten, und die Furcht feindſelig verfahren lehrte, werden unſre friedlichen Geſinnungen kaum merken und uns eben ſo friedlich begegnen. Der Zunder der Feindſchaft, der in der ganzen Welt glimmt, kann ſich nicht bey ihnen ge- gen uns entflammen: freue dich, Akante, wir ſind wenigſtens dem Tode, wo nicht fer- nern Ungemaͤchlichkeiten entflohen! — Es muß doch ſo eine Anordnung, ſo ein geheimes Etwas ſeyn, das die menſchlichen Begebenheiten zum Beſten der einzelnen Mit- glieder der Erde zuſammenknuͤpft: ein Et- was, das aus den widerwaͤrtigſten Saa- men den entgegengeſezten Vortheil, aus Mis-

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Zitationshilfe: Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 208. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor02_1776/214>, abgerufen am 22.12.2024.