länger ihrer Grausamkeit zur Kurzweile die- nen konnten.
Von dem schrecklichen Schauspiele war kaum der erste Akt vorüber, als plözlich ein Schwarm von der benachbarten Völkerschaft eindrang, nach einem kurzen Gefechte die Barbaren vom Schauplatze fortschlug, das Dorf anzündete und die blutenden Eu- ropäer mit sich hinwegnahm, die diese Sie- ger sogleich nach der Ankunft in ihrem Dorfe verbanden und sorgfältig verpflegten. We- der Belphegor noch Akante trauten itzt dem Glücke mehr, sondern argwohnten eine neue Grausamkeit hinter dieser Gütigkeit: da sie aber so sehr lange bis zur völligen Heilung anhielt, so wußten sie wenigstens nicht, was sie denken sollten, wenn sie auch gleich nichts Gutes erwarteten.
Ihre gegenwärtigen Verpfleger waren sehr religiöse Leute. Sie hielten es für höchstsündlich, einen Menschen zu essen, ohne ihn vorher den Göttern geopfert zu haben; und um ihre Nachbarn, die gewissenlose Leute waren und sie fraßen, ohne ihren Göttern einen Bissen davon anzubieten, von dieser ärgerlichen Gottlosigkeit abzuhalten,
unter-
laͤnger ihrer Grauſamkeit zur Kurzweile die- nen konnten.
Von dem ſchrecklichen Schauſpiele war kaum der erſte Akt voruͤber, als ploͤzlich ein Schwarm von der benachbarten Voͤlkerſchaft eindrang, nach einem kurzen Gefechte die Barbaren vom Schauplatze fortſchlug, das Dorf anzuͤndete und die blutenden Eu- ropaͤer mit ſich hinwegnahm, die dieſe Sie- ger ſogleich nach der Ankunft in ihrem Dorfe verbanden und ſorgfaͤltig verpflegten. We- der Belphegor noch Akante trauten itzt dem Gluͤcke mehr, ſondern argwohnten eine neue Grauſamkeit hinter dieſer Guͤtigkeit: da ſie aber ſo ſehr lange bis zur voͤlligen Heilung anhielt, ſo wußten ſie wenigſtens nicht, was ſie denken ſollten, wenn ſie auch gleich nichts Gutes erwarteten.
Ihre gegenwaͤrtigen Verpfleger waren ſehr religioͤſe Leute. Sie hielten es fuͤr hoͤchſtſuͤndlich, einen Menſchen zu eſſen, ohne ihn vorher den Goͤttern geopfert zu haben; und um ihre Nachbarn, die gewiſſenloſe Leute waren und ſie fraßen, ohne ihren Goͤttern einen Biſſen davon anzubieten, von dieſer aͤrgerlichen Gottloſigkeit abzuhalten,
unter-
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0218"n="212"/>
laͤnger ihrer Grauſamkeit zur Kurzweile die-<lb/>
nen konnten.</p><lb/><p>Von dem ſchrecklichen Schauſpiele war<lb/>
kaum der erſte Akt voruͤber, als ploͤzlich ein<lb/>
Schwarm von der benachbarten Voͤlkerſchaft<lb/>
eindrang, nach einem kurzen Gefechte<lb/>
die Barbaren vom Schauplatze fortſchlug,<lb/>
das Dorf anzuͤndete und die blutenden Eu-<lb/>
ropaͤer mit ſich hinwegnahm, die dieſe Sie-<lb/>
ger ſogleich nach der Ankunft in ihrem Dorfe<lb/>
verbanden und ſorgfaͤltig verpflegten. We-<lb/>
der Belphegor noch Akante trauten itzt dem<lb/>
Gluͤcke mehr, ſondern argwohnten eine neue<lb/>
Grauſamkeit hinter dieſer Guͤtigkeit: da ſie<lb/>
aber ſo ſehr lange bis zur voͤlligen Heilung<lb/>
anhielt, ſo wußten ſie wenigſtens nicht, was<lb/>ſie denken ſollten, wenn ſie auch gleich nichts<lb/>
Gutes erwarteten.</p><lb/><p>Ihre gegenwaͤrtigen Verpfleger waren<lb/>ſehr religioͤſe Leute. Sie hielten es fuͤr<lb/>
hoͤchſtſuͤndlich, einen Menſchen zu eſſen, ohne<lb/>
ihn vorher den Goͤttern geopfert zu haben;<lb/>
und um ihre Nachbarn, die gewiſſenloſe<lb/>
Leute waren und ſie fraßen, ohne ihren<lb/>
Goͤttern einen Biſſen davon anzubieten, von<lb/>
dieſer aͤrgerlichen Gottloſigkeit abzuhalten,<lb/><fwplace="bottom"type="catch">unter-</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[212/0218]
laͤnger ihrer Grauſamkeit zur Kurzweile die-
nen konnten.
Von dem ſchrecklichen Schauſpiele war
kaum der erſte Akt voruͤber, als ploͤzlich ein
Schwarm von der benachbarten Voͤlkerſchaft
eindrang, nach einem kurzen Gefechte
die Barbaren vom Schauplatze fortſchlug,
das Dorf anzuͤndete und die blutenden Eu-
ropaͤer mit ſich hinwegnahm, die dieſe Sie-
ger ſogleich nach der Ankunft in ihrem Dorfe
verbanden und ſorgfaͤltig verpflegten. We-
der Belphegor noch Akante trauten itzt dem
Gluͤcke mehr, ſondern argwohnten eine neue
Grauſamkeit hinter dieſer Guͤtigkeit: da ſie
aber ſo ſehr lange bis zur voͤlligen Heilung
anhielt, ſo wußten ſie wenigſtens nicht, was
ſie denken ſollten, wenn ſie auch gleich nichts
Gutes erwarteten.
Ihre gegenwaͤrtigen Verpfleger waren
ſehr religioͤſe Leute. Sie hielten es fuͤr
hoͤchſtſuͤndlich, einen Menſchen zu eſſen, ohne
ihn vorher den Goͤttern geopfert zu haben;
und um ihre Nachbarn, die gewiſſenloſe
Leute waren und ſie fraßen, ohne ihren
Goͤttern einen Biſſen davon anzubieten, von
dieſer aͤrgerlichen Gottloſigkeit abzuhalten,
unter-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 212. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor02_1776/218>, abgerufen am 22.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.